BSG Urteil v. - B 10 LW 3/04 R

Leitsatz

Der Fünf-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung, der zur Begründung eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente mit drei Jahren Pflichtbeiträgen zur Landwirtschaftlichen Alterskasse belegt sein muss, verlängert sich auch für einen nach § 1 Abs 3 ALG versichert gewesenen Fiktivlandwirt nicht in erweiternder Auslegung um vorhergehende Rentenbezugszeiten seines Ehegatten.

Gesetze: ALG § 1 Abs 3; ALG § 13 Abs 1 S 1 Nr 2; ALG § 13 Abs 2 Nr 1; GG Art 2 Abs 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 14 Abs 1; GG Art 20 Abs 3

Instanzenzug: SG Landshut S 1 LW 40/03 vom

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am geborene Klägerin ist Ehefrau des früheren landwirtschaftlichen Unternehmers Max H. , der von der Beklagten seit Dezember 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung von Oktober 2002 blieb zunächst ohne Erfolg (Bescheid der Beklagten vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Während des Klageverfahrens holte das Sozialgericht Landshut (SG) ua ein fachärztliches Gutachten von Dr. Z. ein, auf Grund dessen es am die Beklagte unter Änderung des Bescheides verurteilte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem zu gewähren.

Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Die versicherungsrechtliche Voraussetzung, wonach in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt sein müssen (§ 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG), erreiche die Klägerin auf Grund des Verlängerungstatbestands in § 13 Abs 2 Nr 1 ALG. "Vorhergehende Zeiten des Bezuges einer Rente wegen Erwerbsminderung" lägen hier zwar nicht in ihrer Person vor; diesem Tatbestand werde aber dadurch genügt, dass ihr Ehemann die Bezugszeit aufweise. Insoweit liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch einen rechtlichen Analogieschluss gefüllt werden könne. Die Lückenschließung sei von Verfassungs wegen und im Hinblick auf die Besonderheiten der agrarsozialen Sicherung von Landwirtsehefrauen wegen der engen Verknüpfung des Beitragsrechts bei Aktiv- und Fiktivlandwirten geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Hinweis auf das Urteil vom - 1 BvR 558/99) bedürften Bäuerinnen einer eigenständigen Sicherung für ihr Alter auch für den Fall der Erwerbsminderung. Es fehle an der erforderlichen beruflichen Mobilität. Auch die Abhängigkeit der Beitragsentrichtung der Fiktivlandwirtin von der zum Rentenbezug des Aktivlandwirts notwendigen Hofabgabe führe vorliegend zu einer sozialen Schieflage durch den Totalentzug des Versicherungsschutzes nach § 13 ALG.

Die Beklagte hat die nach Zustimmungserklärung der Klägerin durch zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 13 Abs 2 ALG: Das altrechtliche Lückenlosigkeitsgebot sei mit dem Inkrafttreten des ALG zu Gunsten einer Angleichung an die Regelungen des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) aufgegeben worden, als Korrektiv jedoch ein enger Bezug zur Zahlung von Beiträgen und damit zur Solidargemeinschaft eingeführt worden, wonach in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt werden müssten. Die "Drei-in-Fünf-Belegung" sei verfassungskonform (Hinweis auf den SozR 2200 § 1246 Nr 142, und BSG SozR 3-2600 § 241 Nr 4). Die unternehmensbezogenen Verlängerungstatbestände des § 13 Abs 2 Nr 8, 9 und 10 ALG zeigten die Berücksichtigung des übergreifenden Ziels der "Bäuerinnensicherung". § 21 Abs 9 ALG ermögliche zudem die Abgabe des Betriebes an den Ehegatten. Ebenso bestehe die Möglichkeit, das landwirtschaftliche Vermögen - auch im Blick auf das Risiko der Erwerbsminderung - zu verwerten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Landshut vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter näherer Darlegung,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

Entgegen dem Urteil des SG ist die Klage unbegründet. Die Beklagte hat es mit dem Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu Recht abgelehnt, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Streitig ist insoweit nur noch eine Rentengewährung ab Januar 2004, wie sie die Klägerin vor dem SG beantragt und dieses sie ausgeurteilt hat.

Als Rechtsgrundlage ist § 13 ALG (idF vom , BGBl I 1600, in Kraft seit ) heranzuziehen. Nach dessen Abs 1 Satz 1 haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn

1. sie teilweise erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI sind,

2. sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben,

3. sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und

4. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.

Landwirte haben nach Satz 2 aaO Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI sind und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (§ 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG) verlängert sich nach Maßgabe des § 13 Abs 2 ALG.

Ausgehend von den vom SG festgestellten Verhältnissen können die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG von der Klägerin bei Eintritt einer Erwerbsminderung nach dem nicht mehr erfüllt werden. Sie hat zwar - zumal unter Berücksichtigung der bei ihr anrechenbaren Beiträge ihres Ehemannes (vgl § 92 Abs 1 ALG) - bis zum mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge zur Beklagten gezahlt, diese liegen jedoch bei einem Versicherungsfall im Dezember 2003 nicht mehr hinreichend im maßgebenden Fünf-Jahres-Zeitraum: Die Drei-Fünftel-Belegung hätte die Klägerin nur bei Eintritt der Erwerbsminderung bis einschließlich erreichen können.

Im Falle der Klägerin wird der maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum nicht in die Vergangenheit hinein verlängert, um weiter zurückliegende Pflichtbeiträge zu erfassen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Nr 2 bis 10 ALG liegen hier von vornherein nicht vor. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des SG von keinem der darin umschriebenen Tatbestände Gebrauch gemacht, um den Invaliditätsschutz aufrechtzuerhalten; ausweislich der im Gutachten der Allgemeinärztin Dr. B. vom niedergelegten Angaben der Klägerin haben die Eheleute nach der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen nur noch Hühner, Gänse und anderes Geflügel gehalten (vgl Bl 23 Gutachtenheft der Beklagten).

Die versicherungsrechtliche Voraussetzung des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG wird auch nicht iS von § 13 Abs 2 Nr 1 ALG durch vorhergehende Zeiten des Bezuges einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt. Die Klägerin selbst hat eine derartige Bezugszeit vor dem Versicherungsfall ihrer Erwerbsminderung im Dezember 2003 nicht aufzuweisen. Es kommt hier auch nicht in Betracht, die Rentenbezugszeit ihres Ehemanns seit Dezember 2000 im Wege einer entsprechenden Rechtsanwendung lückenfüllend gleichzustellen (dazu näher unter 1). Insoweit bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung (dazu näher unter 2).

(1) Eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraumes gemäß § 13 Abs 2 Nr 1 ALG auf Grund der vom Ehemann der Klägerin seit Dezember 2000 bezogenen Erwerbsminderungsrente scheidet aus. Die Nichtberücksichtigung des vorliegenden Lebenssachverhalts als Streckungstatbestand iS des § 13 Abs 2 ALG beruht nicht auf einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Es liegt keine dem gesetzgeberischen Willen, dem Ziel und systematischen Zusammenhang des Gesetzes entgegenstehende Regelungslücke vor, die durch das Gericht mittels Analogie geschlossen werden müsste (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl, S 370 bis 391; zur richterrechtlichen Lückenschließung vgl SozR 3-5868 § 3 Nr 1 S 1, 2 f; vom , SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 13, jeweils mwN).

Durch das Agrarsozialreformgesetz 1995 (ASRG 1995) ist - zugleich mit der Einführung der eigenständigen Sicherung der Landwirtsehegatten - die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung auch in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) von der Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen abhängig gemacht worden. Hierdurch ist die Lückenlosigkeit der Beitragsentrichtung, die unter dem Regime des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) auch hinsichtlich der vorzeitigen Altersrente (die der heutigen Rente wegen Erwerbsminderung entspricht) grundsätzlich bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres vorliegen musste, abgelöst worden (vgl zum Lückenlosigkeitsprinzip Senatsurteil vom , SozR 3-5868 § 92 Nr 1 S 1, 5). Das nunmehr eingeführte Erfordernis einer ausreichenden Pflichtbeitragszahlung in den letzten fünf Jahren vor dem Versicherungsfall garantiert in ähnlicher Weise wie das frühere Lückenlosigkeitsprinzip den Zusammenhang zwischen dem Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung (vorzeitigen Altersrente) und der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, mithin der Beitragszahlung (vgl Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in BVerfGE 75, 78, 89; dazu auch BR-Drucks 302/83, S 60).

Ihre Einbeziehung in den Invaliditätsschutz durch die AdL hat die Klägerin von vornherein unter der Bedingung erlangt, dass sie für eine Rente nach § 13 ALG auch die dort genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen muss. Der "Plan" des Gesetzgebers ist insoweit offenkundig: Mit dem ASRG 1995 wollte er einerseits die Rechtsstellung der Bäuerin durch die Einführung einer eigenständigen Alterssicherung verbessern. Andererseits setzte er sich die gerechtere Ausgestaltung und finanzielle Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems zum Ziel; dem diente die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler durch die Einbeziehung des neuen Personenkreises der Bäuerinnen und die Umgestaltung ua der Beitragszuschussregelung (vgl BSG SozR 3-5868 § 85 Nr 3 S 16, 19 mwN). Die Ausgestaltung der Rechtsstellung des Landwirtsehegatten betrifft naturgemäß das gesamte Spektrum einerseits von Versicherungspflicht, Versicherungsbefreiung und Beitragszuschuss sowie andererseits der Leistungsvoraussetzungen mit ihren auf diesen Personenkreis bezogenen Besonderheiten, wie etwa der "Zusplittung" von Beiträgen gemäß § 92 ALG. Die Integration der Bäuerinnen in das neue System der AdL bedeutete für den Gesetzgeber eine große Herausforderung (vgl zu den aufgeworfenen Fragen stellvertretend BSGE 81, 294 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1; SozR 4-5868 § 92 Nr 1 <Keine "Zusplittung" von Weiterversicherungsbeiträgen>; SozR 4-5868 § 97 Nr 1 <Zuschlagsrente auf Grund von freiwilligen Beiträgen>), wobei das Bemühen erkennbar ist, sich aus dem ASRG 1995 ergebende Härten zu vermeiden (vgl BSG SozR 3-5868 § 85 Nr 3 <Weiterversicherte Bäuerinnen>). Weder die Besonderheiten der AdL im Allgemeinen noch die von der Klägerin angegriffene Wirkung des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG auf Bäuerinnen berechtigen zu der Annahme, der Gesetzgeber habe eine strikte Anwendung der darin geregelten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auf einen Fiktivlandwirt (§ 1 Abs 3 ALG) nicht vorsehen wollen. In § 13 Abs 1 Satz 3 ALG werden die nach § 1 Abs 3 ALG Versicherten besonders erwähnt.

Die vorliegende Konstellation, dass das Landwirtsehepaar wegen der Erwerbsminderung des Aktivlandwirts vor die Frage der Hofabgabe samt den daran anknüpfenden Folgen gestellt ist, hat der Gesetzgeber auch im Blick auf den Fiktivlandwirt ausdrücklich geregelt: Wie die Beklagte zu Recht anführt, hat der Gesetzgeber die Hofabgabe an den Ehegatten unter den in § 21 Abs 9 ALG genannten Voraussetzungen und damit den Erhalt dessen Versicherungsschutzes ermöglicht (vgl dazu BSG SozR 3-5868 § 13 Nr 1 S 4; aaO § 21 Nr 1).

Damit kann die Klägerin ihr Begehren nicht auf eine Regelungslücke stützen. Dass die Eheleute von dieser Option, die die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG bis zum Eintritt der Erwerbsminderung bei der Klägerin sichergestellt hätte, aus welchen Gründen auch immer keinen Gebrauch gemacht haben, können sie naturgemäß nicht dem gesetzlichen Konzept anlasten. Endete mit der Hofabgabe an Dritte die Versicherung der Klägerin in der AdL, so hatte sie (da insbesondere die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Nr 8 bis 10 ALG nicht gegeben waren) auf Grund der Gesetzestechnik der Drei-Fünftel-Belegung insgesamt zwei Jahre Zeit, etwa eine hauptberufliche außerlandwirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen oder sich wegen einer außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung einem anderen sozialen Sicherungssystem, nämlich der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), anzuschließen, um mit den dann entrichteten Pflichtbeiträgen die Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ALG aufrechtzuerhalten (§ 13 Abs 2 Nr 2 ALG). Anderenfalls entfiel der Versicherungsschutz für den Fall der Erwerbsminderung mit dem Beginn des 25. Kalendermonats nach dem Wegfall der Versicherungspflicht in der AdL.

Die durch § 13 Abs 2 ALG eröffneten Dispositionsmöglichkeiten sind systemgerecht und bieten keinen Anlass, den nachgehenden Versicherungsschutz in dem von der Klägerin begehrten Sinne durch Analogie zu erweitern. Die pflichtversicherten Landwirte sind selbstständige Unternehmer, die, wenn sie nicht der Versicherungspflicht in dem Sondersystem der AdL unterworfen wären, keine Verpflichtung zur gesetzlichen Alterssicherung hätten (vgl zur individuellen Risikotragung bei privater Altersvorsorge BSG SozR 3-5868 § 1 Nr 5 S 38 f). Sie müssten für die in der AdL versicherten Risiken eigenständig Vorsorge treffen (dazu wiederum näher BSG SozR 4-5868 § 13 Nr 1 Rz 21). Wenn die Klägerin demnach systemgerecht auf ihre Pflicht zur Eigenvorsorge verwiesen war, indiziert dies keine planwidrige Lücke.

Damit erledigt sich die vom SG vertretene Ansicht, der Gesetzgeber habe die Erschwernisse bei der Aufnahme einer eigenständigen Beschäftigung außerhalb des Hofes zu wenig beachtet. Das SG verkennt, dass sich die vom Senat in anderem Zusammenhang angenommene Erschwernis fehlender beruflicher Mobilität gerade nicht auf die Fälle des abgegebenen Unternehmens erstreckt (vgl nur BSGE 81, 294, 304 = SozR 3-5858 § 1 Nr 1; BSGE 83, 145, 159 = SozR 3-5868 § 1 Nr 2); darauf hat auch das BVerfG abgestellt, wenn es ausführt, die Familie könne wegen der Bodengebundenheit nur umziehen, wenn der Hof aufgegeben werde (vgl BVerfG SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 47).

(2) Die von der Klägerin begehrte Erweiterung der Tatbestände des § 13 Abs 2 ALG ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, insbesondere nicht wegen eines Verstoßes der gesetzlichen Regelungen gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG; dazu näher unter a), den Schutz des Eigentums in Art 14 Abs 1 GG (dazu näher unter b), die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art 2 Abs 1 GG (dazu näher unter c) oder den Vertrauensschutz gemäß Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG (dazu näher unter d).

(a) Das Grundrecht auf Gleichbehandlung ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72; 98, 1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1; BVerfGE 105, 73 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176; vgl allgemein zum Gleichheitssatz Senatsurteil vom , SozR 4-5868 § 1 Nr 1 S 4 mwN). In gleicher Weise kann der Gleichheitssatz verletzt sein, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (BVerfG SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 69 mwN). Zu einer Differenzierung - hier im Sinne einer modifizierten Anwendung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung in § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG bei Fiktivlandwirten - ist der Gesetzgeber danach nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl SozR 3-5868 § 32 Nr 2 S 12, 19; vom , SozR aaO Nr 10 S 58, 65, jeweils mwN). Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Berücksichtigung der Rentenbezugszeit des Ehemanns bei der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 13 Abs 2 Nr 1 ALG nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn ansonsten wesentlich Ungleiches gleich behandelt würde. Das ist hier aber - entgegen der Auffassung der Klägerin und des SG - nicht der Fall: Aktiv- und Fiktivlandwirt unterscheiden sich im Blick auf den Zugang zur Erwerbsminderungsrente nicht in der von der Klägerin herausgestellten Weise.

Die Gleichbehandlung liegt hier darin, dass beide Ehegatten - der Aktivlandwirt iS von § 1 Abs 2 ALG ebenso wie dessen Ehegatte als Fiktivlandwirt iS von § 1 Abs 3 ALG - die Voraussetzung in § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG erfüllen müssen. Die immanente Rechtfertigung dieser versicherungsrechtlichen Voraussetzung - Invaliditätsschutz nur bei zeitnaher Versicherung - gilt gegenüber beiden Ehegatten gleichermaßen. Da deren Versicherung nach dem ALG an die Fortführung des landwirtschaftlichen Unternehmens geknüpft ist, ein Rentenbezug jedoch gerade die Abgabe des Betriebes voraussetzt und eine Erwerbsminderung regelmäßig nicht bei beiden Ehegatten gleichzeitig eintritt, fällt es ihnen rein tatsächlich unterschiedlich schwer, die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG zu erfüllen. Während der eine - wie hier der Ehemann der Klägerin - im Anschluss an die Hofabgabe unmittelbar in den Genuss einer Erwerbsminderungsrente kommt, kann der andere - hier die Klägerin - im Falle eines späteren Eintritts des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung diese Leistung nur bei Wahrung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (ggf unter Inanspruchnahme von Streckungstatbeständen) erreichen. Auch soweit danach diese rechtliche Gleichbehandlung nur bei Fiktivlandwirten praktisch zur Folge hat, dass die Erwerbsminderung durch Zeitablauf "schutzlos" gestellt wird, liegt darin indessen weder Willkür noch Unbilligkeit, da die konzeptionelle Ausgestaltung den Belangen der Fiktivlandwirte hinreichend Rechnung trägt.

Wie der Senat bereits grundsätzlich dargelegt hat (vgl Senatsurteil vom , SozR 4-5868 § 13 Nr 1 RdNr 30), berücksichtigt die Konzeption des § 13 ALG die Besonderheiten des Schutzbedarfs der Betroffenen. Die in der AdL versicherten selbstständigen Landwirte kennen ihr jeweiliges Schutzbedürfnis und die Möglichkeiten der Absicherung (vgl , JURIS). Scheiden sie aus dem landwirtschaftlichen Unternehmen aus, bedürfen sie in der Regel nicht eines so umfassenden Schutzes wie die in der GRV Versicherten, denn ihr Lebensunterhalt ist, was die Grundbedürfnisse angeht (Wohnung und Ernährung), häufig bereits durch den Übergabevertrag, den Veräußerungsgewinn oder die Pachtzinsen gesichert (vgl BVerfGE 25, 314 = SozR Nr 77 zu Art 3 GG). Der Zeitpunkt der Landabgabe ist zudem im Regelfall steuerbar. Die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen, etwa mit der Folge der Reduzierung der bewirtschafteten Flächen unter die eine Versicherungspflicht bedingende Mindestgröße, wird durch beide Partner des Pachtvertrages bestimmt und ist nicht einseitig von der Entscheidung eines anderen abhängig. Ferner stellt das ALG den versicherungspflichtigen Landwirten berufsspezifische Hilfen zur Verfügung, wie zB die Betriebs- und Haushaltshilfe, die nach dem SGB nicht oder nicht in diesem Umfang vorgesehen sind (vgl Senatsurteil vom - B 10 LW 14/02 R, JURIS, SozR 4-5868 § 36 Nr 1) und zumindest kurzfristig die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes gewährleisten. Auch diese Leistungen erleichtern es, den Zeitpunkt der Landabgabe zu beeinflussen, durchaus mit der Möglichkeit, die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen für die einzelnen Rentenarten zu steuern.

Der Gesetzgeber liefert speziell den Fiktivlandwirt nicht schutzlos dem Wegfall der Anwartschaft auf Erwerbsminderungsrente aus. Ihm wird die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung zwar erschwert, wenn sein Ehegatte den Hof abgibt, um selbst Rente wegen Erwerbsminderung beziehen zu können, da damit grundsätzlich auch die eigene Versicherungspflicht nach dem ALG entfällt. Er kann die Rentenanwartschaft jedoch durch die Erfüllung eines Streckungstatbestandes nach § 13 Abs 2 ALG aufrechterhalten. Wenn die Klägerin behauptet, eine nicht gerechtfertigte Gleichstellung liege darin, dass ihr - anders als dem Aktivlandwirt - keine Möglichkeit verbleibe, auf die Wahl der Abgabeart und des Zeitpunkts der Abgabe einzuwirken, betrifft ihr Vorbringen vornehmlich die eheliche Rechtsstellung. Diese ist nun aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass ein Ehegatte bei der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit auf die Belange des anderen Ehegatten die gebotene Rücksicht zu nehmen hat (vgl § 1356 Abs 2 BGB; BSGE 81, 294, 301 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 10; zur Berücksichtigung des ehelichen Unterhaltsrechts im ALG s näher Senatsurteil vom , SozR 3-5868 § 32 Nr 2 S 12, 18 f). Die Beachtung dieser Rechtspflicht - auch durch den Ehemann der Klägerin bei der Hofabgabe - durfte der Gesetzgeber des § 13 ALG voraussetzen, zumal er die Hofabgabe an den Ehegatten unter den in § 21 Abs 9 ALG genannten Voraussetzungen und damit den Erhalt dessen Versicherungsschutzes ermöglicht hat.

Die Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber zeigt sich im Übrigen auch in der auf die Fiktivlandwirte gezielten Abgabefiktion nach § 21 Abs 9 Satz 3 ALG mit Eintritt einer vollen Erwerbsminderung (unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage) oder mit Vollendung des 65. Lebensjahres (vgl dazu BVerfG SozR 4-5868 § 1 Nr 3 RdNr 18). Das gesetzgeberische Ziel der eigenständigen Sicherung des Fiktivlandwirts in der AdL hat es im Blick auf die Erhaltung des Versicherungsschutzes dagegen nicht von vornherein geboten, neben der Übertragung von altrechtlichen Beiträgen des Ehegatten (vgl § 92 ALG) eine entsprechende Rechtsanwendung des § 13 Abs 2 Nr 1 ALG wie von der Klägerin gewünscht vorzusehen. Allein die Hofabgabe und der Erwerbsminderungsrentenbezug des (ehemaligen) Aktivlandwirts machen es seinem Ehegatten nicht unzumutbar, in eigener Person einen Streckungstatbestand im Sinne von § 13 Abs 2 ALG zu erfüllen. Als Ausfluss der erfolgten sozialen Absicherung wird diesem insoweit systemgerecht eine entsprechende Eigenverantwortung übertragen. Es kommt hinzu, dass die Erwerbsminderungsrente des Ehemanns unmittelbar für den Lebensunterhalt der Eheleute eingesetzt werden konnte, und zwar als Existenzsicherung bis zum etwaigen Eintritt der Klägerin in den Bezug einer Altersrente.

Die Lage der Klägerin ist im Übrigen nicht mit derjenigen vergleichbar, in der sich Versicherte der GRV befanden, die beim Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 bereits die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hatten und denen nach § 241 Abs 2 SGB VI (vgl zuvor bereits zB Art 2 § 6 Abs 2 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz) eine erweiterte Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente zugute kommt (vgl näher BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 459, 466 f). Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin erstmals durch das ASRG 1995 versicherungspflichtig geworden ist. Der damit verknüpften Verpflichtung zur Zahlung von Pflichtbeiträgen ist auf der Leistungsseite die Möglichkeit des Erwerbs eines eigenständigen Rentenanspruchs gegenübergestellt worden. Eine solche bestand für die Klägerin unter dem GAL nicht, insbesondere keine Anwartschaft auf ein vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit. Seinerzeit unterlag sie dem Risiko, im Falle der Erwerbsminderung nicht gesetzlich abgesichert zu sein. Sie ist daher durch das ASRG 1995 nicht benachteiligt, sondern begünstigt worden. Auch wenn sie die Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente mangels Erfüllung von Streckungstatbeständen zum wieder verloren hat, bleiben ihr die eigenen und gemäß § 92 ALG anrechenbaren Beiträge für den späteren Bezug einer Altersrente erhalten.

(b) Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG lässt sich schon deshalb nicht feststellen, weil Rentenanwartschaften und -ansprüche wie im vorliegenden Fall zwar zum Schutzbereich des Eigentums gehören, davon jedoch allein der im Zeitpunkt der zu prüfenden gesetzgeberischen Maßnahme konkret vorhandene Bestand einer Rechtsposition erfasst wird (vgl BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 6 S 13 mwN; SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 10). Die vom SG aufgestellte Behauptung eines "Totalentzug(s) des Versicherungsschutzes nach § 13 ALG" verkennt, dass die Klägerin mit dem Inkrafttreten des ARG 1995 eine Anwartschaft auf Erwerbsminderungsrente von vorne herein nur nach Maßgabe des § 13 ALG erwerben konnte und erworben hat. Der in ihrem Fall erfolgte Wegfall des Versicherungsschutzes mit Ablauf von zwei Jahren nach Hofabgabe ist lediglich eine Folge der von Anfang an bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Ein Eingriff in vorhandene Rechtspositionen ist damit nicht verbunden gewesen.

(c) Weiter verstößt die Regelung - zumal im Hinblick auf das "Zusammenspiel" der Erwerbsminderungsrentenanwartschaften von in der AdL versicherten Eheleuten - auch nicht gegen die in Art 2 Abs 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit (vgl dazu SozR 4-5868 § 85 Nr 1 RdNr 13 mwN <Nebenberuflicher Gesellschafter>; vom , SozR 3-5868 § 85 Nr 4 S 27 <Befreiung des Fiktivlandwirts bei geändertem Wirtschaftswert>; vom , BSGE 82, 283, 289 = SozR 3-5420 § 24 Nr 1 <Beitritt eines Geschäftsunfähigen zur KVdL>; -, NZS 2006, 84 <Zur Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit; vgl insbes RdNr 49 ff>). Soweit die Klägerin eine unzulässige Freiheitsbeschränkung durch § 13 ALG darin sieht, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, auf die Wahl der Abgabeart und des Zeitpunkts der Abgabe des Hofes einzuwirken, betrifft dieses Vorbringen im Wesentlichen ihre ehelichen Verhältnisse. Im Übrigen berücksichtigt sie die ihr durch § 13 Abs 2 ALG eröffneten Möglichkeiten der Anwartschaftserhaltung nicht hinreichend.

(d) Letztlich wird auch nicht der aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG entwickelte Grundsatz des Vertrauensschutzes beeinträchtigt (vgl nur BVerfG SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 63 ff; SozR 4-5868 § 32 Nr 2 RdNr 24, <Beitragszuschuss>). Insoweit macht die Klägerin lediglich geltend, es erscheine unbillig, ihr den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente "wieder zu nehmen"; dies trifft nach allem in keiner Weise zu. Da die Klägerin von vornherein damit rechnen musste, das sie die Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente verlieren würde, wenn sie die versicherungsrechtliche Voraussetzung des § 13 Abs 1 Satz 1 Nr 2 ALG nicht mehr erfüllen könnte, bestand insoweit zu keinem Zeitpunkt ein schützwürdiger Vertrauenstatbestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
TAAAC-14641