BSG Urteil v. - B 7 AL 66/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB III § 268

Instanzenzug:

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 39.658,88 (= Euro 20.277,26), welcher dem klagenden Verein von der Beklagten im Rahmen einer Förderung einer allgemeinen Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung (ABM) als Lohn- bzw Sachkostenzuschuss für die Beschäftigung der Arbeitnehmerin Martina H (H) im dritten Förderungsjahr ( bis ) gewährt worden war.

Für die ersten beiden Förderungsjahre bis zum hatte die Beklagte mit Anerkennungsbescheid vom , erstem Ergänzungsbescheid vom sowie zweitem Ergänzungsbescheid vom Zuschüsse bewilligt. Im April 1998 beantragte der Kläger die Förderung der ABM für das dritte Jahr ( bis ); dem Antrag beigefügt war eine am von seiner Vorsitzenden unterschriebene Verpflichtungserklärung, worin sich der Kläger verpflichtete, H nach Beendigung der Maßnahme in ein unbefristetes, nicht nach den Leistungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gefördertes Dauerarbeitsverhältnis zu übernehmen. Ihm sei bewusst, dass der gewährte Zuschuss für das dritte Förderungsjahr zurückzuzahlen sei, wenn der Arbeitnehmer während des dritten Förderungsjahres ausscheide oder das Arbeitsverhältnis im Anschluss an den Förderungszeitraum innerhalb eines Jahres beendet werde. Mit dem dritten Ergänzungsbescheid vom zum Anerkennungsbescheid vom bewilligte die Beklagte für die Beschäftigung der H daraufhin Zuschüsse in der Höhe von insgesamt DM 154.588,-- für eine voraussichtliche (Gesamt-)Förderungsdauer bis zum . Die Verlängerung der Förderung/Zuweisung erfolge unter der Bedingung, dass der Kläger die Arbeitnehmerin im Anschluss an die Maßnahme in ein nicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gefördertes Dauerarbeitsverhältnis übernehme. Neben weiteren Nebenbestimmungen war ferner angeführt, die Bewilligung erfolge unter der Bedingung, dass sich der Kläger vor Beginn der Maßnahme verpflichte, die zugewiesene Arbeitnehmerin nach Ablauf des dritten Förderjahres in ein unbefristetes, nicht mit Leistungen nach dem SGB III gefördertes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung sei der Zuschuss für das dritte Förderjahr zurückzuzahlen.

Mit Schreiben von Juni 2000 teilte der Kläger der Beklagten mit, H sei eine Festanstellung angeboten worden, sie habe jedoch das Angebot abgelehnt. Sie habe sich der Aufgabe nicht gewachsen gefühlt, die geforderten Arbeiten selbstständig zu übernehmen. Hingegen gab H gegenüber dem Arbeitsamt (ArbA) an, dem Verein hätten die finanziellen Mittel gefehlt, um sie in Dauerstellung zu übernehmen. Mit Schlussbescheid vom setzte die Beklagte den Förderungsbetrag aus Mitteln der Bundesanstalt auf insgesamt DM 101.547,14 fest; dem stünden die bislang geleisteten Zahlungen in Höhe von DM 141.694,-- gegenüber, so dass ein Betrag in Höhe von insgesamt DM 40.146,86 zurückgefordert werde. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom ). Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom den Schlussbescheid vom teilweise aufgehoben und den Rückforderungsbetrag durch Verrechnung mit Restlohnkosten der ABM auf DM 39.658,88 verringert.

Das Sozialgericht Neuruppin hat mit Urteil vom die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung der für das dritte Förderungsjahr gewährten Zuschüsse gemäß § 47 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 268 SGB III ganz widerrufen. Der Kläger habe die Auflage des Förderungsbescheides, H nach Ablauf des dritten Förderungsjahres in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, nicht erfüllt. Die als Zeugin vernommene H habe überzeugend dargelegt, sie hätte gerne weitergemacht, wenn der Verein sie hätte bezahlen können.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg mit Urteil vom das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Rückzahlungsvoraussetzungen nach § 268 Satz 1 SGB III lägen nicht vor. Voraussetzung der hierin geregelten Rückzahlungsverpflichtung sei die Aufhebung des begünstigenden Bescheides, denn der Rückzahlungsanspruch könne nicht gegen den noch wirksam bestehenden Bewilligungsbescheid durchgesetzt werden. Den angefochtenen Bescheiden sei zu einer Rücknahme nach § 45 SGB X, einer Aufhebung nach § 48 SGB X bzw einem Widerruf nach § 47 Abs 1 oder 2 SGB X nichts zu entnehmen, schon gar nichts zu dem nach § 47 SGB X erforderlichen Ermessen. Die Wirksamkeit des Bewilligungsbescheides sei auch nicht auf der Grundlage einer auflösenden Bedingung durch Nichterfüllung der Übernahmeverpflichtung entfallen. Die einschlägige Nebenbestimmung sei als Auflage iS des § 32 Abs 2 Nr 4 SGB X und nicht als auflösende echte Bedingung iS der Nr 2 dieser Vorschrift zu verstehen.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 268 SGB III. Diese Vorschrift enthalte eine eigenständige Rückzahlungsverpflichtung, zu deren Anwendung der begünstigende Bescheid nicht nach den Bestimmungen des SGB X aufgehoben werden müsse. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits zur vergleichbaren Vorschrift des § 223 Abs 2 SGB III (Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen) entschieden (Hinweis auf das Senatsurteil vom - B 7 AL 48/01 R - <BSGE 89, 192 = SozR 3-4300 § 422 Nr 2>).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom zurückzuweisen.

Der Kläger hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob die Rückforderung von DM 39.658,88 durch Schlussbescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom und des Änderungsbescheides vom zu Recht geltend gemacht wird. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG steht der Rückforderung nicht von vornherein entgegen, dass die Beklagte die Bewilligung der nach ihrer Meinung überzahlten Förderung nicht aufgehoben hat.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch der Beklagten ist - jedenfalls soweit es um die Förderung aus Mitteln der Beklagten geht - § 268 SGB III (in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom , BGBl I 594). Diese Vorschrift ist auf die bereits unter Geltung des AFG begonnene Förderung anzuwenden, da sich deren Verlängerung für Zeiträume unter Geltung des SGB III bereits nach dem neuen Recht dieses Gesetzes richtete (§ 426 Abs 2 SGB III), das daher auch für die Rückzahlungspflicht gilt.

Nach § 268 Satz 1 SGB III sind die im Rahmen der Verlängerung einer Förderung an Träger von ABM erbrachten Zuschüsse zurückzuzahlen, wenn die vom Träger bei Antragstellung abgegebene Verpflichtung zur Übernahme eines zugewiesenen Arbeitnehmers in ein Dauerarbeitsverhältnis nicht erfüllt wird oder das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Förderzeitraums beendet wird. Satz 2 dieser Vorschrift zählt mit seinen Nr 1 bis 4 wiederum Ausnahmen auf. Zu Recht hat das LSG diese Vorschrift als eigenständige Rückzahlungsverpflichtung für den Fall aufgefasst, dass der Zweck der Förderung (hier: die Übernahme der Arbeitnehmerin H in ein Dauerarbeitsverhältnis) nicht erfüllt wird. Der Senat kann dem LSG jedoch insoweit nicht zustimmen, als es die Aufhebung des Bewilligungsbescheides als Voraussetzung dieser Rückzahlungsverpflichtung angesehen hat. Vielmehr ist auch für § 268 SGB III die Rechtsprechung des Senats zur rechtsähnlichen Rückzahlungsvorschrift des § 223 Abs 2 SGB III fortzuführen.

§ 223 Abs 2 SGB III regelt in seinem Satz 1 die Rückzahlungsverpflichtung von Eingliederungszuschüssen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Förderungszeitraums beendet wird. Satz 2 dieser Vorschrift wiederum enthält in seinen Nr 1 bis 3 in teilweise wörtlicher Übereinstimmung mit § 268 Satz 2 Nr 1 bis 3 SGB III Ausnahmetatbestände, bei denen die Rückzahlungspflicht nicht gilt.

Zu § 223 Abs 2 SGB III aber hat der Senat bereits in seinem Urteil vom (BSGE 89, 192, 195 = SozR 3-4300 § 422 Nr 2; ebenso Urteil vom - B 7 AL 68/01 R, AuB 2002, 247; s auch Urteile vom - B 7 AL 132/01 R; vom - B 11 AL 73/01 R; vom - B 7 AL 38/02 R, Breith 2003, 524, 526 = SGb 2003, 602) entschieden, dass diese Sondervorschrift eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen darstellt. Auf Grund dieser Regelung bedarf es nicht etwa einer gesonderten Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung. An dieser Auffassung hält der Senat fest (s auch das heutige Urteil - B 7 AL 56/03 R).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Bewilligungsbescheid bilde ohne Aufhebung noch den formellen Rechtsgrund für die Leistung (dazu Eicher in Hennig, SGB III, § 331 RdNr 2 mwN zur Rspr des BSG, Stand Februar 2004), und die Beklagte müsse sich deshalb jeder Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) enthalten, die zum Nachteil des Betroffenen von der Verfügung des Bewilligungsbescheids abweicht (dazu in anderem Zusammenhang: BSGE 72, 111, 117 = SozR 3-4100 § 117 Nr 9; BSG SozR 4100 § 117 Nr 21). Denn unabhängig davon, ob der Bewilligungsbescheid im Einzelfall mit einer auflösenden Bedingung (§ 32 SGB X) versehen war, erledigt er sich gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise mit Erlass des Rückzahlungsbescheids. Hiermit verliert er auf Grund der gegenüber den §§ 45 ff SGB X spezielleren Regelung (§ 37 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil) des § 223 Abs 2 SGB III seine Wirkung als Behaltensgrund, weil der mit der Förderung verfolgte Zweck nicht erreicht wurde (condictio causa data, causa non secuta).

Insbesondere muss auf diese Weise nicht auf § 47 SGB X zurückgegriffen werden, der regelmäßig nicht zur Anwendung käme (vgl dazu BSGE 87, 219 ff = SozR 3-1300 § 47 Nr 1). § 223 Abs 2 SGB III (ab : § 221 Abs 2 SGB III) ist deshalb, soweit es die Nichteinhaltung der Beschäftigungs-"Pflicht" in der Förderungs- und Nachförderungszeit betrifft, auch die gegenüber § 50 Abs 1 und 2 SGB X speziellere Vorschrift und verdrängt diese Regelungen insoweit. Nur außerhalb des Regelungsbereichs von § 223 Abs 2 SGB III bleiben die Vorschriften der §§ 45 ff SGB X anwendbar. Hebt die BA gleichwohl - zu Unrecht - den Bewilligungsbescheid auf und stützt sie ihre Rückzahlungsforderung auf § 50 Abs 1 SGB X oder wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung auf § 50 Abs 2 SGB X, bedarf es keiner Umdeutung der Erstattungsverfügung in eine Rückzahlungsverfügung (offengelassen in BSGE 89, 192, 194 = SozR 3-4300 § 422 Nr 2); denn eine Umdeutung (§ 43 SGB X) ist nur erforderlich, wenn die Regelung des Verwaltungsakts selbst, nicht nur seine Begründung, betroffen ist (BSGE 87, 8, 11 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9; BVerwGE 80, 96, 97). Bei Anwendung des § 223 Abs 2 SGB III statt des § 50 Abs 1 oder 2 SGB X würde die Rückzahlungsverfügung nur auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt (vgl zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens -, DBlR Nr 4750a zu § 137 AFG); auf die Aufhebung der Bewilligung käme es nicht an.

Die zu § 223 Abs 2 SGB III enthaltenen Grundsätze gelten auch für die Rückzahlung nach § 268 SGB III. Diese Vorschrift betrifft in ihrer Wirkungsweise und Zielrichtung ähnliche Förderungsleistungen an Träger wie § 223 Abs 2 SGB III (Förderung von ABM auf der einen, Eingliederungszuschuss auf der anderen Seite), die jeweils darauf abzielen, Arbeitslosen eine Dauerbeschäftigung zu verschaffen. Im vorliegenden Regelungszusammenhang wird zudem unmittelbar deutlich, dass es einer gesonderten Aufhebung in Anwendung der zuvörderst vertrauensschützenden Vorschriften der §§ 45 ff SGB X bereits deshalb nicht bedarf, weil die Rückzahlungsverpflichtung zum einen voraussetzt, dass der Träger zuvor eine Verpflichtung zur Übernahme des zugewiesenen Arbeitnehmers in ein Dauerarbeitsverhältnis abgegeben hat (§ 268 Satz 1 SGB III), und zum anderen dann nicht gilt, wenn einer der Ausnahmetatbestände des Satzes 2 der Vorschrift erfüllt ist.

Scheitert aber die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers nach § 268 SGB III nicht bereits daran, dass die Leistungsbewilligung nicht zuvor oder gleichzeitig aufgehoben wurde, so bleiben zunächst die Ausnahmetatbestände des § 268 Satz 2 Nr 1 bis 4 SGB III zu prüfen. Diese Prüfung hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht vorgenommen. Es wird ua zu prüfen haben, ob angesichts der Ergebnisse der noch im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen zu den Umständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und H der Ausnahmetatbestand des § 268 Satz 2 Nr 2 SGB III erfüllt ist. Schließlich mag das Vorbringen des Klägers zu würdigen sein, ihm sei durch eine vom ArbA an einen konkurrierenden Verein vergebene Förderung die finanzielle Grundlage genommen worden, die Festanstellung der H zu finanzieren (s einerseits zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bei der Rückforderung von Fördermitteln Senatsurteil vom - B 7 AL 38/02 R, Breith 2003, 524, 526 f = SGb 2003, 602; andererseits jedoch zur erforderlichen Gleichbehandlung von Trägern bei der Vergabe von Fördermitteln zB Neumann in: Institutionelle Förderung im Sozialrecht, SDSRV 43, 1997, S 7, 16 f).

Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu befinden haben.

Fundstelle(n):
QAAAC-14292