BVerwG Beschluss v. - 8 B 36.03

Leitsatz

1. Die Erbenstellung allein vermittelt noch keine Rechtsnachfolgeeigenschaft i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG. Hinzukommen muss der Eintritt im vollen Umfange in die Rechtsposition des geschädigten Verstorbenen im Hinblick auf den enteigneten Vermögensgegenstand (vgl. BVerwG 8 B 118.98 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 40).

2. Die Erben des vor In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom verstorbenen Neubauern, dem zu seinen Lebzeiten das Bodenreformgrundstück enteignet worden war, sind keine Berechtigten i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG (Bestätigung der bisherigen Rspr; vgl. u.a. BVerwG 7 B 85.01 - juris).

Gesetze: VermG § 2 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: VG Potsdam VG 9 K 3529/97 vom

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Darlegungen rechtfertigen die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht.

1. Die Sache weist die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht auf. Die Beschwerde wirft zwar hinsichtlich des Todes eines Neubauern, dem zu seinen Lebzeiten das Bodenreformland durch Überführung in das Eigentum des Volkes entzogen worden war, die Frage auf, ob der vermögensrechtliche Begriff der Rechtsnachfolge abweichend vom sonstigen allgemeinen zivilrechtlichen Verständnis definiert werden kann.

Zur Klärung des vermögensrechtlichen Begriffs der Rechtsnachfolge im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG bedarf es jedoch keines Revisionsverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die Beantwortung der Frage zunächst aus dem Vermögensgesetz selbst und erst im Weiteren aus einem - begrenzten - Rückgriff auf das einschlägige Erbrecht. Dabei ist davon auszugehen, dass die vom Vermögensgesetz erfassten Enteignungsmaßnahmen dinglich wirksam sind und deshalb der entzogene Vermögensgegenstand in Erbfällen vor dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes weder bei gesetzlicher noch bei testamentarischer Erbfolge dem Nachlass angehörte. Da bei derartigen Erbfällen das Gleiche auch für den Restitutionsanspruch gilt, entsteht dieser unmittelbar in der Person des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Geschädigten. Der vermögensrechtliche Rechtsnachfolgebegriff kann deshalb nicht davon abhängen, wem das einschlägige Erbrecht den entzogenen Gegenstand oder den Restitutionsanspruch zuweist; vielmehr sind beide Gegenstände in Erbfällen vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes begrifflich und nach der Wertung des Vermögensgesetzes dem Nachlass nicht zuzuordnen und damit dem Erbrecht an sich entzogen. Wenn gleichwohl die als Anlage III zum Einigungsvertrag veröffentlichte Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom in Nummer 3 mehrfach die "Erben" der ehemaligen Eigentümer als Restitutionsberechtigte bezeichnet, muss nach Sinn und Zweck von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG die Person des Rechtsnachfolgers unter Ausblendung der wieder gutzumachenden Enteignungsmaßnahme bestimmt, die Rechtsnachfolge in den entzogenen Gegenstand also nur hypothetisch im Wege einer Fiktion ermittelt werden. Denn § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG bezweckt ersichtlich, auf schuldrechtlichem Wege die Folgen der durch den Vermögensentzug geschaffenen Unrechtslage wieder gutzumachen ( BVerwG 8 B 118.98 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 40). § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sieht danach denjenigen Erben als Rechtsnachfolger an, der hinsichtlich des entzogenen Vermögenswertes in vollem Umfange in die Rechtsposition des Geschädigten eingetreten wäre.

Das Eigentum an Bodenreformgrundstücken konnte zwar auf den Erben des Bodenreformeigentümers übergehen. Dessen Eigentumserwerb vollzog sich aber nicht allein nach den Bestimmungen des bürgerlichen Erbrechts. Dessen Bestimmungen wurden vielmehr durch die Vorschriften der Besitzwechselverordnungen überlagert. Danach setzte der Eigentumserwerb des Erben die (erneute) staatliche Übertragung des Bodenreformgrundstücks an ihn persönlich voraus. Dem Erben wuchs das Eigentum an einem Bodenreformgrundstück bei Eintritt des Erbfalls nur belastet mit einer Pflicht zur Rückgabe an den Bodenfonds zu. Erst mit der staatlichen Übertragung trat der Erbe des Neubauern in dessen Rechtsposition als Bodenreformeigentümer ein. Bis zu dieser Entscheidung des Staates hatte der Erbe (oder bei mehreren Erben einer von ihnen) lediglich die tatsächliche Aussicht oder bestenfalls einen Rechtsanspruch auf Erwerb des Eigentums an dem Bodenreformgrundstück ( BVerwG 7 B 85.01 - m.w.N. - juris -).

Auch die Entscheidungen des (BGHZ 140, 223) und des (VIZ 2001, 111) werfen keinen Klärungsbedarf auf. Beide verhalten sich nicht zum Rechtsnachfolgebegriff von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, sondern über Bodenreformgrundstücke, die - weil durch keine Unrechtsmaßnahme im Sinne von § 1 VermG betroffen - in den Nachlass fallen konnten. Zur Vererblichkeit, von der beide Gerichte ausgehen, hatte im Übrigen schon das Oberste Gericht der DDR in seinem Urteil vom ausgeführt, dass die Verordnungen über die Bodenreform eine Vererbung nicht ausschlössen, aber eine Übertragung von Todes wegen kraft gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge noch eines staatlichen Aktes bedürfe bzw. durch einen solchen bekräftigt werden müsse (Entscheidungen des OG in Zivilsachen, 2. Band, 1954, Seite 115 <118 f.>).

2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vermag ein Revisionsverfahren nicht zu öffnen. Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem bereits zitierten Senatsbeschluss vom - BVerwG 8 B 118.89 - ab. Wie bereits oben ausgeführt, ist Erbrecht lediglich bei der Beantwortung der Frage von Bedeutung, wer in dem genannten vermögensrechtlichen Sinne - unter Ausblendung des entzogenen Gegenstandes und des daran anknüpfenden Restitutionsanspruchs - in der Weise in die Rechtsposition des Erblassers eingetreten ist, dass die dargestellte Fiktion - also der hypothetische Übergang des entzogenen Vermögenswertes - zu seinen Gunsten eingreifen kann.

3. Die Verfahrensrügen sind unbegründet. Sie erschöpfen sich weitgehend in Angriffen gegen die materiellrechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht, ohne dabei einen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beanstandungsfähigen Verfahrensfehler aufzuzeigen.

Zwar kann ein Verstoß gegen Denkgesetze als ein Verfahrensfehler im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden; dies setzt aber voraus, dass sich der gerügte Verstoß auf die tatsächliche Würdigung bezieht und nicht die rechtliche Subsumtion betrifft. Davon abgesehen liegt hier ein Verstoß gegen Denkgesetze ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder gar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>, Beschlüsse vom - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 <32 f.> und vom - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 S. 3 <4 f.>). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht aber nicht gezogen hat.

Soweit die Klägerinnen als Verletzung des rechtlichen Gehörs rügen, dass das Verwaltungsgericht den Kern ihres Vorbringens verkannt und ihren Sachvortrag nicht berücksichtigt habe, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Dafür ist nichts ersichtlich. Wiederholt wird in den Gründen des Urteils auf das Vorbringen der Klägerinnen ausdrücklich eingegangen, ohne diesem jedoch zu folgen. Einen derartigen Anspruch vermittelt das Gebot des rechtlichen Gehörs indes nicht.

Allerdings liegt ein erheblicher Verfahrensfehler dann vor, wenn das Gericht entgegen § 86 Abs. 2 VwGO einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht durch einen Gerichtsbeschluss abgelehnt hat. Die Beschwerde behauptet, die Klägerinnen hätten einen unbedingten Beweisantrag gestellt; nach dem Protokollberichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom hat Einigkeit jedoch darüber bestanden, dass über diesen Beweisantrag nur entschieden wird, wenn das Gericht die Richtigkeit der betreffenden Behauptung in Zweifel zieht. Diese Einschränkung bestreitet die Beschwerde. Der Senat kann die aufgeworfenen Fragen offen lassen; denn der Beweisantrag ist weder erheblich noch hat die Beschwerde substantiiert dargelegt, inwieweit bei ausreichender Gehörsgewährung ein weiterer Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.

Das Beweisthema lautete nach den Angaben der Beschwerde dahingehend, "dass das Bodenreformland in der früheren DDR im Wege des Selbsterwerbs auf den Erben überging und demnach vererblich war" und "dass in der DDR-Rechtspraxis das Eigentum der Erben Bestand hatte und respektiert wurde". Die Frage der Vererblichkeit war indes nicht streitig. Wie das Verwaltungsgericht bereits in seinem Gerichtsbescheid vom durch Hinweis auf die ständige (oben zitierte) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verdeutlicht hatte, konnte das Eigentum an Bodenreformgrundstücken auf den Erben des Bodenreformeigentümers übergehen. Allerdings wuchs dem Erben das Eigentum bei Eintritt des Erbfalls nur belastet mit einer Pflicht zur Rückgabe an den Bodenfonds zu. Erst mit staatlicher Genehmigung durfte er es behalten. Auf diese Überlagerung des Erbrechts durch die Vorschriften der Besitzwechselverordnung weist auch der von den Klägerinnen in ihrem Beweisantrag benannte Zeuge in seiner eidesstattlichen Versicherung vom hin. Danach hatte dem Rat des Kreises als der zuständigen Bodenreformbehörde eine Fülle von Möglichkeiten der Nachlassabwicklung zur Verfügung gestanden, die seit 1975 in der Besitzwechselverordnung angelegt gewesen war - so z.B. bei Fehlen geeigneter Erwerber. Die Vererbbarkeit von Bodenreformland bedurfte danach keiner Beweisaufnahme, sie war geklärt. Auch das Verwaltungsgericht ist in seinem angefochtenen Urteil von einem Erbanfall ausgegangen.

Wegen der fehlenden Vorabentscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 86 Abs. 2 VwGO - sofern sie geboten gewesen ist - konnten sich die Klägerinnen allerdings nicht mehr darauf einstellen, dass keine Beweisaufnahme stattfand. Die Beschwerde hat jedoch nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen das angegriffene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Dazu hätte ein Vorbringen gehört, dass das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des (unterstellten) Verfahrensfehlers möglicherweise anders erkannt hätte. Die Beschwerde hat jedoch nur behauptet, im Falle eines gesonderten Gerichtsbeschlusses über den Beweisantrag wäre das Beweisangebot dahingehend vertieft worden, dass die Klägerinnen - wäre nicht bereits ihrem Vater das Bodenreformeigentum unlauter entzogen worden - in die Eigentumsrechtsposition ihres Vaters als Erbinnen eingerückt wären und damit dessen Rechtsnachfolge angetreten hätten. Damit wären aber die Klägerinnen bei ihrem Rechtsirrtum verblieben, dass bereits die bloße Erbenstellung die Rechtsnachfolgeeigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG vermittele.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 13, 14 GKG; sie berücksichtigt, dass nur zwei der ursprünglich drei Klägerinnen am Beschwerdeverfahren beteiligt sind.

Fundstelle(n):
AAAAC-13363