BGH Beschluss v. - 2 StR 211/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StGB § 69; StGB § 69 Abs. 2; StGB § 69 a; GVG § 132

Instanzenzug: LG Aachen vom

Gründe

1. Die Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Geiselnahme in Tateinheit mit (besonders schwerer) Vergewaltigung und gegen die Verurteilung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren wendet.

2. Soweit sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision gegen die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Festsetzung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung richtet, wird die Entscheidung zurückgestellt.

a) Über Teile einer Revision kann ausnahmsweise vorab entschieden werden, wenn dies im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz geboten ist ( -, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Dies gilt gleichermaßen für das Urteilsverfahren wie für das Beschlußverfahren gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO.

b) Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden die Anordnung einer Maßregel gemäß §§ 69, 69 a StGB zulässig ist, wenn die Feststellung charakterlicher Mängel auf die Begehung von Straftaten der allgemeinen Kriminalität unter mißbräuchlicher Verwendung eines Kraftfahrzeugs gestützt ist, ohne daß ein Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB vorliegt und ohne daß ein die Sicherheit des Straßenverkehrs konkret gefährdendes Verhalten des Angeklagten festgestellt ist, ist zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs streitig.

Der Senat hat sich im Urteil vom (2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144) dem vom 4. Strafsenat in mehreren Entscheidungen angesprochenen und im Anfragebeschluß vom (4 StR 85/03, 4 StR 155/03, 4 StR 175/03 = NStZ 2004, 86) näher ausgeführten Vorschlag einer einschränkenden Auslegung angeschlossen (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom - 2 ARs 347/03), ebenso der 3. Strafsenat (Beschluß vom - 3 ARs 30/03) und der 5. Strafsenat (Beschluß vom - 5 ARs 67/03 = NStZ 2004, 148); der 1. Strafsenat ist dem entgegengetreten (Beschluß vom - 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658; Beschluß vom - 1 ARs 31/03; vgl. dazu auch Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl., § 69 Rdn. 42 ff. m. w. N.).

Es ist zu erwarten, daß der Große Senat für Strafsachen mit der Rechtsfrage befaßt wird. Ein Vorlagebeschluß des 4. Strafsenats liegt bislang nicht vor.

Auf die streitige Rechtsfrage kommt es auch im vorliegenden Fall an. Verkehrsspezifische Straftaten oder konkrete Gefährdungen der Sicherheit des Straßenverkehrs sind nicht festgestellt; jedoch verwendete der Angeklagte ein Kraftfahrzeug, um die Geschädigte in der Absicht einer weiteren Nötigung zu entführen, und vergewaltigte sie später unter Ausnutzung der so geschaffenen Lage; er mißbrauchte daher seine Fahrerlaubnis zur Begehung von Straftaten. Würde ein solcher Mißbrauch als ausreichender Anhaltspunkt für die Feststellung angesehen, der Täter sei auch zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bereit (vgl. BGH NStZ 2003, 658 ff.), so wäre die Maßregelanordnung rechtsfehlerfrei. Würden hingegen weitergehende konkrete, sich aus dem Tatgeschehen ergebende Anhaltspunkte für eine solche Bereitschaft vorausgesetzt (vgl. BGH NStZ 2004, 144 ff.), so begegnete die Maßregelanordnung hier rechtlichen Bedenken.

3. Da eine Befassung des Großen Senats für Strafsachen mit der Rechtsfrage zu erwarten ist, erscheint es geboten, entsprechende Einzelfallentscheidungen bis zu einer grundsätzlichen Entscheidung des Großen Senats zurückzustellen, die voraussichtlich nicht vor Mitte des Jahres 2005 ergehen kann.

Die vom 4. Strafsenat im Urteil vom - 4 StR 85/03 - dargelegten Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung über die entscheidungsreifen Teile der Revision sind daher hier gegeben. Zwar ist das angefochtene Urteil erst am ergangen, so daß bisher eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht gegeben ist. Eine solche ist aber im Hinblick auf die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren - bei vorläufiger Unterbringung bzw. Untersuchungshaft seit - wegen der zu erwartenden weiteren Dauer des Verfahrens gemäß § 132 GVG zu befürchten.

Daher ist eine Vorabentscheidung hier ausnahmsweise zulässig. Der Generalbundesanwalt und der Beschwerdeführer haben der Verfahrensweise zugestimmt.

Fundstelle(n):
TAAAC-11339

1Nachschlagewerk: nein