BGH Beschluss v. - 1 StR 543/01

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StPO § 247; StPO § 61 Nr. 5; StPO § 247 Satz 1; StPO § 338 Nr. 5

Instanzenzug: LG Waldshut-Tiengen

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist begründet. Sie macht mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 (i.V.m. § 247) StPO geltend und beanstandet mit Recht, daß das Landgericht über die Vereidigung und Entlassung der Zeugin E. , der Geschädigten, in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt hat.

1. Nach dem - teilweise nicht klaren - Sitzungsprotokoll und den vom Senat eingeholten dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden der Strafkammer und des beisitzenden Richters steht folgender Ablauf fest:

Die Strafkammer hatte den Angeklagten durch Beschluß für die Dauer der Vernehmung der Zeugin E. gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernt und die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Nach Vernehmung der Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten wurde dieser wieder vorgeführt und über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Zeugin unterrichtet. Der Angeklagte hatte auf Nachfrage des Vorsitzenden keine weiteren Fragen an die Zeugin und wollte auch nichts erklären. Die Frage der Vereidigung der Zeugin wurde in diesem Zusammenhang nicht angesprochen. Der Angeklagte wurde erneut aus dem Sitzungssaal entfernt, die Zeugin wieder hereingeführt. Auf Frage des Vorsitzenden verzichteten die anwesenden Verfahrensbeteiligten - darunter jetzt nicht der Angeklagte - auf die Vereidigung der Zeugin. Diese blieb nach § 61 Nr. 5 StPO unvereidigt. Der Vorsitzende verfügte im Einvernehmen mit den anwesenden Beteiligten ihre Entlassung. Dies geschah. Darauf wurde der Angeklagte wieder vorgeführt und die Öffentlichkeit wieder hergestellt. Bei der Verhandlung über die Vereidigung und Entlassung der Zeugin wurden tatsächliche oder rechtliche Fragen nicht erörtert, sondern lediglich die entsprechenden Verzichts- und Zustimmungserklärungen der anwesenden Verfahrensbeteiligten abgegeben.

2. Dieses Verfahren war rechtsfehlerhaft.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden die Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, in welcher der Angeklagte anwesend zu sein hat (vgl. § 231 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dessen Ausschluß nach § 247 Satz 1 StPO gilt nur für die Vernehmung des Zeugen. Er vermag die Abwesenheit des Angeklagten während der Verhandlung über die Vereidigung und Entlassung des Zeugen nicht zu rechtfertigen. Deshalb ist in der Regel der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben, wenn der Angeklagte während dieses Verhandlungsteils von der Hauptverhandlung ausgeschlossen war (vgl. nur BGHSt 26, 218; BGHR StPO § 247 Abwesenheit 3; BGH NStZ-RR 1997, 105; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 19). Das gilt auch dann, wenn der Zeuge unvereidigt geblieben ist, weil er Verletzter der Tat ist (§ 61 Nr. 2 StPO) oder auf seine Vereidigung verzichtet worden ist (§ 61 Nr. 5 StPO). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Abwesenheit des Angeklagten ausnahmsweise deswegen keinen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung betrifft, weil er nach den besonderen Umständen des Einzelfalles die Frage der Vereidigung auch im Falle seiner Anwesenheit nicht hätte beeinflussen können (vgl. BGH NStZ 1986, 133; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 5; BGH NStZ-RR 1997, 105). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indessen nicht vor. Ein Vereidigungsverbot (§ 60 StPO) bestand nicht. Auch liegt kein Fall vor, in dem der Zeuge sich etwa auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und nicht zur Sache ausgesagt hat (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 21) oder in dem der Angeklagte im Zuge seiner Unterrichtung über den Inhalt der in seiner Abwesenheit getätigten Aussage bereits auf die Vereidigung verzichtet hatte (vgl. ). Hier hätte der Angeklagte auf eine Vereidigung der Zeugin hinwirken können, wäre er bei der Verhandlung über diese Frage anwesend gewesen.

3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist wegen der Ausgestaltung des Rechtsfehlers als absolutem Revisionsgrund nach dem Willen des Gesetzgebers zwingend, ohne daß es darauf ankäme, ob das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-10598

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