Niederlegung des Mandats durch Bevollmächtigten kein Wiedereinsetzungsgrund
Gesetze: FGO § 56; ZPO § 78b, ZPO § 87
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) streitet mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am zugestellt.
Mit Schriftsatz vom hat Steuerberaterin S unter Vorlage einer vom Kläger ausgestellten Vollmachtsurkunde gegen das FG-Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Am ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein vom Kläger selbst unterzeichnetes Schreiben ein, das vom datiert und Ausführungen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält. Steuerberaterin S hat zur Sache nicht weiter Stellung genommen, sondern mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sie das Mandat niederlege. Ein an sie gerichtetes Schreiben des Senatsvorsitzenden vom , in dem u.a. auf den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen wurde, hat Steuerberaterin S mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantwortet; Gründe für eine Wiedereinsetzung hat sie jedoch nicht angegeben.
Mit Schriftsatz vom haben sich sodann die Prozessbevollmächtigten des Klägers bestellt. Diese haben erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht und nach Einsicht in die Akten und zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Kläger nicht über die Möglichkeit des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b und § 78c der Zivilprozessordnung (ZPO) hingewiesen worden sei. Dies widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und müsse deshalb zur Wiedereinsetzung führen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden ist.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muss eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein finanzgerichtliches Urteil innerhalb von zwei Monaten nach dessen Zustellung begründet werden. Die Begründung ist bei dem BFH einzureichen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Das von ihm selbst unterzeichnete Schreiben vom genügte zur Wahrung der Begründungsfrist nicht, da sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc.) vertreten lassen muss (§ 62a Abs. 1 Satz 1 FGO) und nicht von einer solchen Person unterzeichnete Schreiben im Verfahren vor dem BFH unbeachtlich sind. Im Ergebnis ist deshalb eine wirksame Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erst mit dem Schriftsatz der neuen Bevollmächtigten des Klägers vom eingereicht worden. Zu diesem Zeitpunkt war die in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO bestimmte Zweimonatsfrist abgelaufen.
2. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Begründungsfrist ohne Verschulden versäumt haben und deshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) erhalten könnte.
a) Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nicht darin, dass Steuerberaterin S das Mandat des Klägers niedergelegt hat. Denn zum einen erlangt die Mandatsniederlegung erst durch die Bestellung eines neuen Bevollmächtigten rechtliche Wirkung (§ 87 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO). Zum anderen liegt sie im Verantwortungsbereich des Klägers (Senatsbeschluss vom I B 68/01, BFH/NV 2002, 1314), der sich zudem ein etwa gegebenes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (BFH-Beschlüsse vom IV R 13-16/02, BFH/NV 2004, 61; vom V R 40/03, BFH/NV 2004, 657). Deshalb wäre selbst dann, wenn die Versäumung der Begründungsfrist von Steuerberaterin S verschuldet worden wäre, diese Fristversäumnis vom Kläger zu vertreten. Das schließt eine Wiedereinsetzung aus.
b) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht der Hinweis des Klägers, dass er nicht auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 78b ZPO hingewiesen worden sei. Denn diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn ein Prozessbeteiligter nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor, da —wie dargelegt— der Kläger aus prozessrechtlicher Sicht bis zur Bestellung seiner neuen Prozessbevollmächtigten durch Steuerberaterin S vertreten war. Daher war für einen Antrag auf Beiordnung eines Bevollmächtigten zu keiner Zeit Raum. Auf die Frage nach einer entsprechenden Hinweispflicht des Gerichts und deren Bedeutung im Zusammenhang mit § 56 FGO muss angesichts dessen nicht eingegangen werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2095 Nr. 11
VAAAC-09316