Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 21; StGB § 23 Abs. 2; StGB § 46 Abs. 3; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 57 b; StGB § 211 Abs. 2; StGB § 250 Abs. 1; StGB § 250 Abs. 3
Instanzenzug: LG Halle vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, versuchten Totschlags und gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Ferner hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt und den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom . Das Vorbringen in der Gegenerklärung des Verteidigers Rechtsanwalt Prof. Dr. Mü. vom führt zu keinem anderen Ergebnis.
Anlaß zu ergänzenden Bemerkungen sieht der Senat lediglich insoweit, als die Revision eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung (§ 338 Nr. 6 StPO) im Hinblick darauf rügt, daß am 19. Verhandlungstag an der Saaltür der Zettel angebracht war: "Kein Zutritt während laufender Verhandlung - Zutritt nur während der Pausen".
Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie der Generalbundesanwalt meint, dieser Rüge schon deshalb der Erfolg zu versagen ist, weil die Revision nicht vorgetragen hat, daß sich durch den Hinweis an der Eingangstür zum Sitzungssaal tatsächlich jemand von der Teilnahme an der Sitzung hat abhalten lassen (vgl. BGH NJW 1980, 249 f.; Kuckein in KK 5. Aufl. StPO § 344 Rdn. 49 m.N.). Denn die Rüge ist jedenfalls deshalb nicht zulässig ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil es an dem vollständigen Vortrag des prozessualen Geschehens fehlt, das dieser sitzungspolizeilichen Maßnahme des Gerichts vorausging und zu ihr Anlaß gab. Wie dem Revisionsvorbringen entnommen werden kann und durch die dienstliche Erklärung der Vorsitzenden Richterin bestätigt wird, war die Anbringung des Hinweises an der Eingangstür zum Sitzungssaal am 19. Verhandlungstag die Reaktion auf Störungen des Sitzungsverlaufs nicht nur durch das Verhalten der Besucher im Sitzungssaal, sondern auch durch deren ständiges Verlassen und Wiederbetreten des Saales. Dieses Verhalten führte aber nicht nur - was die Revision insoweit vorträgt - zu Abmahnungen an die anwesenden Zuhörer an den beiden vorangehenden Verhandlungstagen (25. und ). Vielmehr weist das Protokoll jedenfalls auch schon für den 16. Verhandlungstag () aus, daß die Vorsitzende die Zuschauer darauf hingewiesen hat, daß während der laufenden Hauptverhandlung "nicht ständig rein- und rausgegangen werden kann, da das die Hauptverhandlung stört" (Protokollband II Bl. 19). Hierauf kam es für die Beurteilung, ob die vom Gericht getroffene Maßnahme den Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt hat, an. Allerdings hätte der Senat Bedenken, allgemein zur Sicherung eines ungestörten Verlaufs der Hauptverhandlung den Zutritt zur Verhandlung nur während der Sitzungspausen zuzulassen. Denn der Öffentlichkeitsgrundsatz verlangt, daß grundsätzlich jedermann jederzeit den Zutritt zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen haben muß (vgl. grundlegend BGHSt 22, 297). Der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt indes nicht uneingeschränkt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß eine ungestörte Verhandlung ebenso wichtig wie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit sein kann (BGHSt aaO S. 301; BGHSt 21, 72, 73; 27, 13, 15). So hat der Bundesgerichtshof etwa in der Anordnung des Vorsitzenden, die Tür zum Sitzungssaal während der Urteilsbegründung möglichst geschlossen zu halten, um Störungen in dem beengten Sitzungssaal zu vermeiden, keinen Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens gesehen (BGHSt 24, 72). Für die Abwägung, welchem Gesichtspunkt im Einzelfall Vorrang gebührt, kommt es, wenn es um die Abwehr von eingetretenen oder zu erwartenden Störungen geht, jeweils auf deren Ausmaß an. Dazu gehörte hier auch, daß sich die Besucher dieser Hauptverhandlung ersichtlich länger - als es die Revision vorträgt - von der Abmahnung störenden Verhaltens unbeeindruckt zeigten, bevor dann schließlich am 19. Hauptverhandlungstag der Hinweis an der Eingangstür des Sitzungssaals angebracht wurde. Erst das volle Ausmaß der dieser Maßnahme vorangehenden Störung läßt die Beurteilung zu, ob ausnahmsweise die vorübergehende Gestattung des Zutritts nur während der Verhandlungspausen noch als sachgerechte Einschränkung des Grundsatzes der Öffentlichkeit hinzunehmen war.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Verurteilung wegen zum Nachteil des Sch. begangenen Mordes hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe angenommen. Deshalb gefährdet es den Bestand des Urteils insoweit nicht, daß das Landgericht zu Unrecht auch das Vorliegen der weiteren Mordmerkmale der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht angenommen hat:
Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zur Tötung ausnutzt (Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 16 m.N.). Dabei kommt es für die Annahme von Arglosigkeit auf den Beginn der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlung an (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2, 6, 8, 13, 16, 21, 27). Wie das Landgericht selbst annimmt, war das Tatopfer aber (spätestens) beim Aussteigen aus dem Pkw nicht mehr arglos (UA 55). Das Landgericht kommt gleichwohl zur Annahme der Heimtücke mit der Erwägung, "daß der Angeklagte, als er Sch. zum Einsteigen in den Pkw veranlaßte, ihn quasi in eine 'Falle' lockte und ihn ... wehrlos machte" (UA 55). Insoweit ergeben die Feststellungen indes nicht, daß der Angeklagte - worauf es ankam - zu diesem Zeitpunkt bereits den Tötungsentschluß gefaßt hatte. Vielmehr wollte der Angeklagte danach am Tatort "die Abstrafung ... fortsetzen" (UA 18). Dies aber läßt - zumal mit Blick auf die Schläge, die der Angeklagte dem Geschädigten unmittelbar zuvor versetzt hatte - den Schluß zu, daß der Angeklagte dem Geschädigten im Park zunächst - wie auch der Zeuge B. annahm - "nur" noch eine "Abreibung verpassen" wollte (UA 19).
Soweit die Jugendkammer desweiteren das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht angenommen und gemeint hat, der Angeklagte habe "in der Absicht (gehandelt), einen Zeugen, der ihn bezüglich der Tat 'M. ' belastete, auszuschalten" (UA 55), stellt dies eine bloße, durch keine Tatsachen gestützte Vermutung dar. Auch wenn der Angeklagte davon ausgegangen war, daß Sch. seinen, des Angeklagten, Namen bei der Polizei im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen des Überfalls auf die Gaststätte "M. " genannt und ihn der Beteiligung an der Tat bezichtigt habe, folgt daraus noch nicht, daß der Angeklagte die Tötung des Sch. in der Absicht beging, seine Überführung hinsichtlich der Beteiligung an dem Raubüberfall durch Beseitigung eines Belastungszeugen zu erschweren. Die Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden über den gegen ihn geäußerten Verdacht der Tatbeteiligung konnte der Angeklagte durch die Tötung des Sch. nicht rückgängig machen (vgl. zur Beseitigung eines Belastungszeugen nach Anklageerhebung BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 6). Dafür, daß der Angeklagte damit rechnete, Sch. werde ihn weiter belasten, geben die Feststellungen nichts her. Vielmehr war das - ersichtlich beherrschende - Motiv des Angeklagten, sich mit der Tötung an Sch., "der es gewagt hatte, ihn zu 'verpfeifen', zu rächen" und zugleich "anderen gegenüber ein Exempel zu statuieren, um ein für allemal klarzustellen, daß man ungestraft nicht gegen ihn bei der Polizei vorgehen könne" (UA 55/56). Hierin hat das Landgericht zu Recht niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gesehen; eine Verdeckungsabsicht läßt dies indes nicht erkennen.
3. Die Revision hat zum Rechtsfolgenausspruch teilweise Erfolg.
Der Strafausspruch weist einen durchgreifenden Rechtsfehler auf, soweit es die wegen des Überfalls auf die Gaststätte "M. " verhängte Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe anlangt. Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles des § 250 Abs. 3 StGB verneint und die Einzelstrafe dem nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB entnommen. "Eine weitere Strafrahmenverschiebung wegen der nicht ausschließbar herabgesetzten Schuldfähigkeit infolge Alkohols nahm die Kammer nicht vor, weil lediglich zu Gunsten des Angeklagten nicht ausschließbar eine solche angenommen wurde, nach Aussage der Zeugin W. der Angeklagte jedoch keinen alkoholisierten Eindruck hinterließ und keine Ausfallerscheinungen zeigte" (UA 67). Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In tatsächlicher Hinsicht steht sie in Widerspruch zu der eigenen Würdigung der Jugendkammer, mit der sie die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen hat. Im übrigen ist es rechtsfehlerhaft, der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit deswegen ein geringeres Gewicht beizumessen, weil sie nicht erwiesen, sondern nach dem Zweifelssatz lediglich unterstellt wurde (st. Rspr.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 4, 17; Tröndle/Fischer aaO § 21 Rdn. 18 m.w.N.).
Bei dieser Sachlage kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob die weiteren Strafzumessungserwägungen, der Angeklagte habe "nur zur Befriedigung eigener Bedürfnisse" und "völlig unverhältnismäßig" gehandelt, auch entspreche die Tat "der allgemeinen egoistischen Einstellung des Angeklagten" (UA 66), durchgreifenden Bedenken unter dem Gesichtspunkt des § 46 Abs. 3 StGB begegnen.
4. Die Aufhebung der im Fall II. B 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe hat hier die Aufhebung der lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe zur Folge. Damit entfällt zugleich der Ausspruch über die besondere Schuldschwere. Denn § 57 b StGB knüpft, wenn auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt wird, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) an eine zusammenfassende Würdigung aller einzelnen Straftaten. Dazu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Im übrigen kann der Ausspruch über die besondere Schuldschwere hier aber auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil - wie oben zu 2. ausgeführt - die vom Landgericht angenommenen Mordmerkmale der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht entfallen, die Jugendkammer bei ihrer Schuldschwerebeurteilung aber ausdrücklich auch auf die Verwirklichung von drei Mordmerkmalen abgestellt hat. Soweit im übrigen das Landgericht insoweit zudem gemeint hat, "die Zweck-Mittel-Relation (sei) sichtlich nicht gegeben, so daß auch insoweit eine über das Normalmaß hinausgehende Schuld des Angeklagten" vorgelegen habe (UA 69), hat es lediglich Umstände berücksichtigt, die bereits für die Annahme der niedrigen Beweggründe maßgeblich sind. Darin liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, der auch bei der Schuldschwerebeurteilung Beachtung verlangt (BGHSt 42, 226).
5. Die aufgezeigten Rechtsfehler lassen die getroffenen Feststellungen unberührt; diese können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die mit den getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-08329
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