Leitsatz
[1] Wird über das Vermögen des Revisionsklägers das Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem seine Revision teilweise angenommen und im übrigen nicht angenommen worden ist, haftet der Insolvenzverwalter nach Aufnahme des Rechtsstreits für die - zuvor noch nicht entrichtete - Verfahrensgebühr und die erst mit Urteilserlaß fällig gewordene Urteilsgebühr des Revisionsverfahrens (nur) aus dem Gegenstandswert, mit dem der Rechtsstreit nach der Annahmeentscheidung anhängig geblieben ist.
Gesetze: GKG § 60 (F: bis ); InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: OLG München LG München I
Gründe
I.
Der (frühere) Kläger, über dessen Vermögen - während des Revisionsverfahrens - am das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (im folgenden: Insolvenzschuldner), machte gegenüber der Beklagten Provisionsansprüche von 73.770,12 DM nebst Zinsen geltend, die er in erster Linie auf eine das Objekt R. Straße in C. betreffende Vertriebsvereinbarung stützte, in zweiter Linie in Höhe von 62.820 DM auf Vermittlungsleistungen für das Objekt T. Straße und - im Berufungsrechtszug - in Höhe von weiteren 16.660 DM auf Vermittlungsleistungen für eine weitere Eigentumswohnung im Objekt R. Straße. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision des Insolvenzschuldners durch Beschluß vom insoweit angenommen, als es um die Provisionsansprüche für das Objekt T. Straße ging. Im übrigen, also hinsichtlich der Provisionsansprüche für das Objekt R. Straße, hat er dessen Revision nicht angenommen und damit die Klageabweisung durch die Vorinstanzen bestätigt. Nach dieser Senatsentscheidung hat der Insolvenzverwalter (im folgenden: Kläger) das Verfahren aufgenommen. Durch Senatsurteil vom wurde auf die Revision des Klägers das Urteil der Vorinstanz im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es um Provisionsansprüche hinsichtlich des Objekts T. Straße geht. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Den Streitwert hat der Senat für die Zeit bis zur Teilannahme auf 78.355,54 € und für die Zeit danach auf 32.119,36 € festgesetzt.
Die Kostenbeamtin hat dem Kläger aus dem Wert von 78.355,54 € eine Verfahrensgebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 1231 in Höhe von 1.312 € und aus dem Wert von 32.119,36 € eine Urteilsgebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 1236 in Höhe von 1.107 € unter Verrechnung von ihm geleisteter Vorschüsse in Rechnung gestellt. Der Kläger hat gegen den Kostenansatz Erinnerung eingelegt mit der Begründung, die geltend gemachte Verfahrens- sowie Urteilsgebühr werde mit der Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig. Die Revision sei vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt und begründet worden. Gleiches gelte für die teilweise Nichtannahme der Revision durch den Bundesgerichtshof. Bei den durch die Revisionseinlegung ausgelösten Gebühren handele es sich demzufolge um Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO, die nur im Rahmen einer Anmeldung im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden könnten.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Kläger erhielt Gelegenheit, sich zu dem Nichtabhilfevermerk zu äußern.
II.
Die gemäß § 5 Abs. 1 GKG a.F. (= § 66 Abs. 1 GKG n.F.) zulässige Erinnerung des Klägers ist teilweise begründet.
1. Mangels einer Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens kommt als Kostenschuldner grundsätzlich nur derjenige in Betracht, der das Verfahren der Instanz beantragt hat (§ 49 Satz 1 GKG a.F.; vgl. jetzt § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG n.F.). Da über das Vermögen des früheren Klägers und Revisionsklägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, müßte ein entsprechender Anspruch der Staatskasse prinzipiell im Insolvenzverfahren angemeldet werden. Die Verpflichtung zur Zahlung von Kosten wird jedoch nach Maßgabe des § 60 GKG a.F. (= § 33 GKG n.F.) auch gegenüber der Staatskasse erweitert. Soweit nach den in § 60 GKG a.F. aufgeführten Bestimmungen eine Zahlungspflicht begründet wird, erwirbt die Staatskasse einen weiteren Kostenschuldner, der neben den sonstigen im Gerichtskostengesetz genannten Kostenschuldnern zur Tragung von Gebühren und Auslagen herangezogen werden kann.
2. Nach der Teilannahme der Revision durch den Senat hat der Kläger das Verfahren aufgenommen. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters, wie sie auch die hier in Rede stehende Prozeßhandlung darstellt, begründet werden, sind Masseverbindlichkeiten im Sinn des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Kläger unterliegt daher im Hinblick auf die Aufnahme des durch den Insolvenzschuldner eingeleiteten Revisionsverfahrens der Antragstellerhaftung nach §§ 49 Satz 1, 60 GKG a.F.
a) Allerdings erfaßt die Aufnahme des Rechtsstreits, auch wenn die Entscheidung über die Kosten wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung noch vorbehalten ist, nur noch dessen anhängigen Teil. Denn im Umfang der Nichtannahme der Revision des Insolvenzschuldners sind die insoweit erhobenen Ansprüche rechtskräftig aberkannt und werden vom Kläger als Insolvenzverwalter dementsprechend nicht mehr weiterverfolgt. Eine Antragstellerhaftung des Insolvenzverwalters für die Verfahrensgebühr aus dem bis zur Annahmeentscheidung des Senats maßgebenden höheren Wert des Revisionsverfahrens scheidet daher von vornherein aus. Eine Antragstellerhaftung des Klägers kommt daher nur auf der Grundlage des geringeren Streitwerts in Betracht, der für den anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits maßgebend ist.
b) Zu Recht hat die Kostenbeamtin insoweit eine Urteilsgebühr angesetzt, die - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht bereits mit der Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig geworden ist, sondern nach § 61 Abs. 2 GKG a.F. (= § 6 Abs. 3 GKG n.F.) erst mit Erlaß des Urteils vom (vgl. ). Fraglich kann deshalb allein sein, ob der Kläger auch für eine Verfahrensgebühr aus dem anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits zu haften hat, da die Verfahrensgebühr insgesamt, also auch unter Einschluß dieses Teils des Rechtsstreits, nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 GKG a.F. (= § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG n.F.) mit Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig geworden ist. Die Frage wäre zu verneinen, wenn als Masseverbindlichkeit im Sinn des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur eine Verbindlichkeit in Betracht käme, die - erstmals - nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden wäre. Die Auffassungen hierzu sind geteilt. Unter der Geltung der Konkursordnung ist zu § 59 in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig vertreten worden, eine Differenzierung hinsichtlich der vor und nach der Unterbrechung des Rechtsstreits entstandenen Kosten finde nicht statt (vgl. RGZ 52, 330, 332; OLG Stettin JW 1933, 1137; OLG Hamm KTS 1974, 178, 179; OLG Köln JurBüro 1986, 1244 f; OLG Hamm JurBüro 1990, 1482, 1483; BAG AP § 91a ZPO Nr. 7; Jaeger/Lent, Konkursordnung, 8. Aufl. 1958, § 59 Rn. 2; Kilger/K. Schmidt, Konkursordnung, 17. Aufl. 1997, § 59 Anm. 1b; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl. 1994, § 59 Rn. 5a; a.A. Gaedeke JW 1939, 733 ff). Für § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der sprachlich etwas anders als § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO gefaßt ist ("Verbindlichkeiten, die ... begründet werden", gegenüber "Ansprüche, welche ... entstehen") wird weitgehend dieselbe Auffassung vertreten (MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 47; Hess/Weiß/Wienberg, Kommentar zur InsO, 2. Aufl. 2001, § 55 Rn. 37; Wimmer/Schumacher, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2002, § 55 Rn. 8; Smid, InsO, 2. Aufl. 2001, § 55 Rn. 8; Gottwald/Gerhardt, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 32 Rn. 27; vgl. auch Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 60 Rn. 9; nicht ganz eindeutig Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 55 Rn. 17 f; OLG Düsseldorf ZInsO 2001, 560, 561). Diese Auffassung läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß ein zunächst als Konkurs-/Insolvenzforderung begründeter Anspruch infolge der Aufnahme des Prozesses durch den Verwalter zu einer Masseschuld/Masseverbindlichkeit "erstarkt" und damit eine Besserstellung jener Gläubiger gegenüber den anderen Konkurs-/Insolvenzgläubigern bewirkt. Demgegenüber wird in jüngerer Zeit zunehmend vertreten, der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung könne die insolvenzrechtliche Einordnung der Forderung als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung nicht beeinflussen, vielmehr lasse sich - auch um eine ungerechtfertigte Privilegierung der hier in Rede stehenden Gläubiger zu vermeiden - der in § 105 InsO enthaltene Gedanke heranziehen, um Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten von einander zu trennen (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 85 Rn. 58 f; MünchKomm-InsO/Schumacher, § 85 Rn. 20; Braun/Bäuerle, InsO, 2. Aufl. 2004, § 55 Rn. 10, anders noch die Voraufl.; Uhlenbruck ZIP 2001, 1988 f; vgl. zu einer Trennung der Kosten auch OLG Rostock ZIP 2001, 2145 f; OLG Hamm ZIP 1994, 1547 f).
Wie die Frage für die Insolvenzordnung zu beantworten ist, braucht der Senat angesichts der hier vorliegenden Konstellation nicht allgemein zu entscheiden. Wollte man der Mindermeinung folgen, die eine Trennung der vor und nach Insolvenzeröffnung begründeten Ansprüche für erforderlich hält, wäre hier die Verfahrensgebühr aus dem vollen Streitwert zwar bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden. Wäre sie auch nach Anforderung durch den Insolvenzschuldner gezahlt worden, wäre das gesamte Verfahren - auch nach seiner Aufnahme durch den Insolvenzverwalter - damit abgedeckt gewesen. So verhielt es sich aber nicht. Die Gebühr entsteht indes während des Verfahrens laufend neu, insbesondere auch bei einer Aufnahme des Rechtsstreits nach § 250 ZPO (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 6 GKG Rn. 4; OLG Düsseldorf MDR 1987, 1031). Entschloß sich der Insolvenzverwalter zu einer Aufnahme des Rechtsstreits, mußte er als "Gegenleistung" für die Erlangung einer Sachentscheidung neben der Urteilsgebühr auch eine Verfahrensgebühr aus dem Streitwert in Rechnung stellen, für den er die Klage weiterverfolgt hat. Bezogen auf diese Gebühr läßt sich bei der gebotenen wertenden Betrachtung für das Revisionsverfahren nicht bezweifeln, daß sie auf der Aufnahme des Prozesses durch den Kläger beruht. Ob dies - der angeführten überwiegenden Meinung folgend - auch für die Kosten der Vorinstanzen gilt, soweit sie sich auf den jetzt noch anhängigen Teil der Klageforderung beziehen, bedarf keiner Entscheidung.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 5 Abs. 6 GKG a.F.; vgl. § 66 Abs. 8 GKG n.F.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 2659 Nr. 48
BAAAC-07934
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja