BGH Urteil v. - II ZR 299/02

Leitsatz

[1] Wird beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH deren Stammkapital durch Forderungsverzichte des Ausscheidenden "auf Null gestellt", darf die Gesellschaft auf die verbliebenen Forderungen des früheren Gesellschafters, die bei der Beendigung der Gesellschafterstellung eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen hatten, aus ihrem Vermögen keine Zahlungen erbringen. Wird hiergegen verstoßen, hat der ausgeschiedene Gesellschafter den empfangenen Betrag an die GmbH zurückzugewähren.

Gesetze: GmbHG § 30; GmbHG § 31

Instanzenzug:

Tatbestand

An der im Jahr 1998 in Konkurs gefallenen B. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) war die K. GmbH (K.), die inzwischen auf die Beklagte verschmolzen worden ist, bis Ende Februar 1996 in Höhe von 75 % beteiligt. Die K. stand mit ihrer Tochtergesellschaft in laufender Geschäftsbeziehung, aus der sich ein hoher, von der Gemeinschuldnerin nicht zu begleichender Schuldenbestand in Höhe eines zweistelligen Millionen DM-Betrages entwickelt hatte. Zur Abwendung des bereits seit dem Jahre 1993 sonst unausweichlichen Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gab die K. Rangrücktrittserklärungen ab.

Durch "Geschäftsanteilsübertragungs- und Abtretungsvertrag" vom mit Ergänzung vom veräußerte die K. mit Wirkung zum ihre Mehrheitsbeteiligung an der Gemeinschuldnerin zum Preis von 1,00 DM an Herrn W.. Ziel des Vertragswerks war es, den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag der Gemeinschuldnerin durch Forderungsverzichte der K. zu decken und Herrn W. als dem Erwerber des Unternehmens die Möglichkeit eines Neubeginns zu verschaffen. Teil des Vertragswerks waren neben dem später erklärten Forderungsverzicht der K. die als "Haftungsübernahme" bezeichnete Verpflichtung des Erwerbers W., sämtliche nicht vom Forderungsverzicht erfaßten Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der K. und mit ihr zusammenhängender Unternehmen aus eigenem Vermögen auszugleichen.

Mit Wirkung zum erfüllte die K. ihre vertraglich übernommenen Verpflichtungen, womit das Stammkapital der Gemeinschuldnerin - wie es im Berufungsurteil heißt - "auf Null gestellt" war. Der K. flossen - vermeintlich in Erfüllung der von Herrn W. übernommenen Zahlungspflicht aus dessen Vermögen, nach dem Tatbestandsberichtigungsbeschluß des Berufungsgerichts aber in Wirklichkeit aus einem von Herrn W. als Vertreter der Gemeinschuldnerin aufgenommenen Kredit - am 1,25 Mio. DM und am weitere 843.856,46 DM zu.

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht der Gemeinschuldnerin auf dem Wege der Teilklage Zahlung von 800.000,00 DM (= 409.033,50 €) nebst Zinsen. Außer auf andere Rechtsgründe stützt er dieses Begehren auf §§ 30, 31 GmbHG.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers bezüglich des weitergehenden Zinsanspruchs zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision ist - bis auf den weitergehenden zum Gegenstand der Anschlußberufung des Klägers gemachten Zinsanspruch - begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Keinen Erfolg hat die Revision allerdings, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht das Bestehen vertraglicher, deliktischer und bereicherungsrechtlicher Ansprüche verneint hat. Auf der Grundlage der insofern tatrichterlich einwandfreien Feststellungen sind insbesondere die Auslegung der Verträge vom 2. und , der vorgelegten Urkunden und sonstigen Unterlagen einschließlich der Rangrücktrittserklärungen und das Verständnis über Inhalt und Tragweite des "Gesellschafterzuschusses" vollständig, rechtlich möglich und frei von revisionsrechtlich relevanten Fehlern. Mit ihren hiergegen vorgetragenen Angriffen begibt sich die Revision unzulässigerweise auf das ihr verschlossene Gebiet tatrichterlicher Würdigung.

II. Scheiden danach vertragliche Ansprüche des Klägers aus, ist für die mit der Anschlußberufung verfolgte, auf § 353 HGB abstellende Forderung, Zinsen bereits ab dem zuzusprechen, kein Raum.

III. Mit Recht wendet sich die Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht auch auf die Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG) gestützte Erstattungsansprüche für nicht gegeben erachtet hat. Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ansicht wäre allein dann zutreffend gewesen, wenn - wie dies in den Verträgen vom 2. und vorgesehen worden war - nach der Beendigung der Gesellschafterstellung der K. und nach deren in diesem Zusammenhang ausgesprochenem Teil-Forderungsverzicht die Gemeinschuldnerin aus ihrem Vermögen an ihre ehemalige Gesellschafterin keine Zahlungen auf die früher begründeten Forderungen mehr erbracht hätte. Entsprechendes hat das Berufungsgericht zwar angenommen, den darin liegenden schweren Verfahrensverstoß aber mit Recht durch seinen Tatbestandsberichtigungsbeschluß vom korrigiert. Danach steht fest, daß nicht Herr W. als Erwerber des Geschäftsanteils der K. die offenen Restforderungen der Veräußerin gegen die Gemeinschuldnerin beglichen hat, sondern daß die Gesellschaft selbst mit von ihr aufgenommenen Kreditmitteln die Ansprüche ihrer Gesellschafterin befriedigt hat. Hierin liegt - wie der Kläger zutreffend geltend macht - ein die Erstattungspflicht (§ 31 GmbHG) der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der K. auslösender Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften. Mit dem am wirksam werdenden Teil-Forderungsverzicht dder K. wurde das Stammkapital der Gemeinschuldnerin nicht wieder hergestellt. Es wurde lediglich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag ausgeglichen, so daß damit - ohne Berücksichtigung inzwischen entstandener weiterer Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin - das Gesellschaftsvermögen "auf Null gestellt" war. In Wirklichkeit war die Überschuldungssituation der Gesellschaft durch diesen Teil-Forderungsverzicht nicht behoben. Denn der neue Alleingesellschafter W. hatte in Vertretung der Gesellschaft einen Kredit aufgenommen, mit dem die Gemeinschuldnerin ebenfalls am die von dem Teilverzicht nicht erfaßten weiteren Ansprüche der K. in Höhe eines Teilbetrages von 1,25 Mio. DM befriedigte. Die bereits spätestens seit 1993 bestehende Krise der Gesellschaft (§ 32 a Abs. 1 GmbHG) war danach nicht behoben, was zur Folge hat, daß die spätere Gemeinschuldnerin auf die unstreitig als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe zu qualifizierenden Forderungen der bisherigen Gesellschafterin nicht zahlen durfte (st.Rspr. vgl. BGHZ 127, 1, 6 f.; Urt. v. - II ZR 261/99, ZIP 2001, 839) und die dem zuwider geleistete Zahlung zu erstatten ist.

Da schon die Zahlung in Höhe von 1,25 Mio. DM am ihrer Höhe nach die Teilklageforderung abdeckt, bedarf es keiner Entscheidung, ob - wofür allerdings nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einiges spricht - auch bis zur Begleichung der weiteren Forderung der K. in Höhe von 843.856,46 DM durch die Gemeinschuldnerin am die Krise fortgedauert hat, auch diese Zahlung verboten war und einen entsprechenden Erstattungsanspruch ausgelöst hat.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 177 Nr. 4
DB 2005 S. 217 Nr. 4
DStR 2005 S. 119 Nr. 3
NAAAC-07917

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein