Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 129; StGB § 129b; StGB § 129 Abs. 1; StPO §§ 100a ff.; StPO § 244 Abs. 2; StPO § 244 Abs. 5 Satz 2; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2; AO § 370 Abs. 1; AO § 370 Abs. 3 Nr. 1; AO § 370 Abs. 6; AO § 370 Abs. 7
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen, wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen - unter Freisprechung im übrigen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
I.
Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Beschwerdeführerin Verfahrensrügen erhebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Angeklagte im Jahr 2000 als Geschäftsführerin der W GmbH in Bonn-Bad Godesberg an einem international agierenden "Umsatzsteuerkarussell" beteiligt, bei dem Computerprozessoren aus Drittstaaten nach Deutschland eingeführt wurden. Dabei waren auch deutsche Scheinfirmen in den vorgetäuschten Lieferweg eingebunden; diese betrieben tatsächlich keinen Handel, sondern erstellten lediglich Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis, ohne die dadurch entstehende Umsatzsteuer anzumelden und an das Finanzamt abzuführen. Ziel der Täter war es dabei, die in den Eingangsrechnungen zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer sich erstatten oder mit fälligen Umsatzsteuerzahlungen verrechnen zu lassen. Das "Umsatzsteuerkarussell" wurde maßgeblich von belgischen und niederländischen Hintermännern organisiert. Die Angeklagte wurde von diesen Hintermännern in die geplanten Hinterziehungstaten eingeweiht und als Geschäftsführerin der W GmbH eingesetzt; die GmbH war in die angeblichen Lieferwege rechnungsmäßig eingebunden und sollte die Computerprozessoren mit einer Gewinnspanne von 2 DM von vorgegebenen Lieferanten an vorgegebene Abnehmer verkaufen.
Der von der Angeklagten entweder als Täterin verursachte oder ihr als Gehilfin zuzurechnende Gesamtschaden beläuft sich auf rund 12,2 Mio. DM. Der ihr unmittelbar aus den Taten zugeflossene finanzielle Vorteil beschränkt sich auf den Bezug eines Geschäftsführergehaltes in Höhe von 6.000 DM monatlich in der Zeit von Dezember 1999 bis August 2000.
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet im wesentlichen, daß die Angeklagte nicht auch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Dem Gesamtzusammenhang der Revisionsrechtfertigung ist zu entnehmen, daß der Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in Fall 14 der Urteilsgründe nicht vom Rechtsmittelangriff umfaßt ist.
II.
Das - ungeachtet des unbeschränkten Aufhebungsantrages - schlüssig beschränkte Rechtsmittel (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3), das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen versagen.
a) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO im Zusammenhang mit der Nichtvernehmung der gesondert verfolgten Mitbeteiligten Ha und Har beanstandet, ist ihre Rüge nicht in zulässiger Form erhoben.
Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn "die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben" sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu erfolgen, daß das Revisionsgericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen mußte (BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6 m.w.N.). Deshalb setzt eine zulässige Aufklärungsrüge zunächst voraus, daß ein bestimmtes Beweismittel und ein bestimmtes zu erwartendes Beweisergebnis benannt werden (BGH aaO). Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge nicht. Unter Zeugenbeweis stellt die Beschwerdeführerin nicht Tatsachen, sondern lediglich aus - nicht mitgeteilten - Tatsachen gezogene rechtliche Schlußfolgerungen.
b) Soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, daß das Landgericht mehrere auf die Vernehmung von Auslandszeugen gerichtete Beweisanträgen abgelehnt hat, sind ihre Rügen unbegründet. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann der Tatrichter einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen dann ablehnen, wenn die Vernehmung des Zeugen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.
Die Ablehnung der Beweisanträge ist angesichts der eingeschränkten Bedeutung der unter Beweis gestellten Tatsachen, welche überwiegend die Rechtsfolgen der ausgeurteilten Taten betreffen, frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat in seinem die Beweisanträge ablehnenden Beschluß zu Recht darauf abgestellt, daß für die Bewertung des Geständnisses eine Vielzahl von Tatumständen maßgeblich ist. Die Erwägungen der Strafkammer halten sich im Rahmen tatrichterlichen Ermessens und durften im Rahmen der gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ausdrücklich für zulässig erklärten vorweggenommenen Beweiswürdigung herangezogen werden.
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt weder im Schuld- noch im Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO).
a) Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern.
aa) Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 129 StGB zu Recht verneint. Eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB ist ein im räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes bestehender auf Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluß von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame (kriminelle) Zwecke verfolgen oder gemeinsame (kriminelle) Tätigkeiten entfalten und unter sich derart in Beziehung stehen, daß sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen. Eine solche Vereinigung setzt die Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit voraus. Wenn sich der einzelne nur dem Willen eines anderen Individuums unterordnet, repräsentiert der andere hier immer nur einen eigenen Willen, nicht den einer hinter ihm stehenden Mehrheit. Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, verbindet diese, weil der Wille des einzelnen maßgeblich bleibt und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt, noch nicht zu einer kriminellen Vereinigung. Dies gilt auch dann, wenn eine Person als Anführer eingesetzt wird, nach dem sich die anderen richten. Der Erfassung krimineller Erscheinungsformen dieser Art dienen Strafbestimmungen, welche die bandenmäßige Begehung bestimmter Straftaten mit höherer Strafe bedrohen. Das schließt nicht aus, daß dieser Gruppenwille darauf gerichtet ist, einem der Mitglieder die Entscheidungsbefugnisse zuzuweisen, mit der Folge, daß die anderen Mitglieder sich dessen Willen unterordnen (BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1 m.w.N.).
Eine entsprechende Struktur des Zusammenschlusses mit dem einer kriminellen Vereinigung genügenden Organisationsgrad hat das Landgericht - ungeachtet der bandenmäßigen Begehungsweise im Rahmen des "Umsatzsteuerkarussells" - vorliegend nicht festgestellt. Die Urteilsfeststellungen hierzu sind - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht in einer Weise lückenhaft oder widersprüchlich, daß ein Eingreifen des Revisionsgerichts allein auf die Sachrüge geboten erscheint.
Zwar können organisierte Steuerstraftaten unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Begriff der kriminellen Vereinigung unterfallen (vgl. BGHSt 48, 240). Im Hinblick auf den durch das 34. StrÄndG vom (BGBl I 3390) neu eingeführten § 129b StGB i.V.m. § 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO kann dies nunmehr auch für bestimmte unselbständige deutsche Teilorganisationen einer ausländischen kriminellen Vereinigung gelten, so daß etwa Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 100a ff. StPO zulässig sein können. Die Voraussetzungen für die Annahme einer kriminellen Vereinigung liegen indes hier nicht vor.
bb) Zutreffend hat das Landgericht die Angeklagte wegen ihrer Beteiligung an der Steuerhinterziehung der der W GmbH im "Umsatzsteuerkarussell" vorgeschalteten GmbH auch als Gehilfin verurteilt. Zwar ist im Rahmen von "Umsatzsteuerkarussellen" zu bedenken, daß es - schon aus Vereinfachungsgründen - regelmäßig angezeigt sein wird, das Verfahren allein auf die täterschaftlichen Steuerhinterziehungen zu beschränken und insoweit den steuerlichen Gesamtschaden lediglich als Gesichtspunkt in die Strafzumessung einzustellen (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 18 m.w.N.), weil sich der Tatrichter damit nicht nur eine im Einzelfall schwierige Abschichtung des jeweils eigenständigen Schuldumfangs der miteinander verzahnten Taten, sondern auch zusätzliche Feststellungen zu den Steuererklärungen der übrigen Beteiligten des "Umsatzsteuerkarussells" erspart. Indessen hat der Tatrichter vorliegend den Schuldumfang - ungeachtet der Ausurteilung auch der Beihilfetaten - in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats (BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 16) rechtsfehlerfrei bestimmt.
b) Auch der Rechtsfolgenausspruch weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf, obwohl die gefundenen Einzelstrafen angesichts des jeweiligen tatbestandlichen Steuerschadens außerordentlich niedrig sind.
Die Wahl des Strafrahmens aus § 370 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Groben Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO hat der Tatrichter angesichts des geringen persönlichen Vorteils der Angeklagten ebenso mit tragfähiger Begründung verneint, wie auch mit Blick auf die eher untergeordnete Stellung der Angeklagten im Gesamtgefüge der Organisation ein besonders schwerer Fall aus sonstigen Gründen zutreffend abgelehnt worden ist.
Die Strafzumessung im einzelnen ist ebenfalls frei von durchgreifenden Rechtsfehlern. Die sehr maßvollen Strafen lassen noch nicht besorgen, sie könnten sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit entfernt haben, daß ein Einschreiten des Revisionsgerichts zwingend geboten wäre.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-07194
1Nachschlagewerk: nein