BGH Urteil v. - 5 StR 274/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: AO § 369; AO § 373 Abs. 1; AO § 373 Abs. 2 Nr. 3; AO § 370 Abs. 6; AO § 370 Abs. 7; AO § 370 Abs. 3; AO § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2; StPO § 244 Abs. 3; StPO § 261; StPO § 251 Abs. 2; StPO § 338 Nr. 8; ZK Art. 40

Instanzenzug: LG Mannheim vom

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten L und S wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung verurteilt. Den Angeklagten L hat es mit einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren belegt. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagte mit ihren unbeschränkt geführten Revisionen; die Staatsanwaltschaft greift mit ihren - vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - Revisionen nur den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Angeklagten L und S an. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts verbanden sich die beiden Angeklagten L und S etwa ab Frühjahr 2001 mit unbekannt gebliebenen Hintermännern, um über eine hierfür gegründete Spedition Zigaretten von Litauen nach Großbritannien zu schmuggeln. Während der Angeklagte L maßgeblich den gegründeten Speditionsbetrieb leiten sollte, oblag es nach der internen Aufgabenverteilung dem Angeklagten S , den Kontakt zu den Hintermännern zu halten, aber auch den Mitangeklagten L zu überwachen.

Am 5. und übernahmen die Angeklagten im Raum Appenweier Ladungen von ca. 10 Paletten Rigipsplatten. Die Rigipsplatten waren innen ausgeschnitten, so daß darin etwa 2,8 Millionen Zigaretten versteckt werden konnten. Die Zigaretten wurden - ohne ordnungsgemäß angemeldet worden zu sein - über Ungarn in das Zollgebiet der EU verbracht. Dadurch wurden Einfuhrabgaben in Höhe von etwa 250.000 € hinterzogen.

Die Paletten wurden dann in eine nahe gelegene Lagerhalle transportiert und umgepackt. Die Angeklagten verbrachten die - jetzt als Papierhandtücher getarnten - Zigaretten mit einem Lastzug der Spedition auf den Weg nach Großbritannien. In Metz wurde der Lkw einer zollamtlichen Kontrolle unterzogen. Die Zigaretten wurden dabei sichergestellt. Diese Tat hat das Landgericht als gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel gemäß §§ 369, 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO gewertet.

Am sollte der nichtrevidierende Mitangeklagte Sa auf dem Gelände der Firma R in München 160 mit Geigenharz gefüllte Fässer im Auftrag der Angeklagten abholen. In den Fässern, die über den Freihafen Triest in das Zollgebiet der EU gelangten, sollten sich nicht angemeldete Zigaretten befinden. Die Zigaretten, auf die Einfuhrabgaben in Höhe von etwa 250.000 € entfielen, konnten jedoch zuvor vom italienischen Zoll aufgefunden und sichergestellt werden. In dem Verhalten der Angeklagten hat das Landgericht eine gemeinschaftlich versuchte Steuerhinterziehung gesehen.

II.

Die Revisionen der Angeklagten L und S sind ebenso unbegründet wie die Revisionen der Staatsanwaltschaft.

1. Die Revisionen der Angeklagten, die sowohl verfahrens- als auch sachlichrechtliche Beanstandungen enthalten, zeigen keinen Rechtsfehler auf.

a) Die Verfahrensrügen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.

aa) Die Aufklärungsrügen der Angeklagten L und S , mit denen sie die Nichteinvernahme des "Professors" ( Si ) beanstanden, sind jeweils nicht ausreichend ausgeführt im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil weder mitgeteilt wird, welche Umstände zu einer Vernehmung dieses Zeugen gedrängt hätten, noch welche konkreten Tatsachen der Zeuge bekundet hätte.

bb) Die Rüge des Angeklagten L , das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Si entgegen § 244 Abs. 3 StPO abgelehnt, ist unbegründet. Das Landgericht ist insoweit rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß es sich um einen bloßen Beweisermittlungsantrag gehandelt habe. Der Antrag enthält lediglich Wertungen, die in das Wissen des Zeugen gestellt werden (Fremdsteuerung, keine Tatherrschaft und auch keinen Willen hierzu). Da dem Antrag sich allenfalls ein Beweisziel, jedoch keine konkreten Beweistatsachen entnehmen läßt, liegt kein Beweisantrag vor, der gemäß § 244 Abs. 3 StPO zu bescheiden gewesen wäre (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.).

cc) Eine Verletzung des § 261 StPO, die der Angeklagte L rügt, ist nicht ersichtlich. Das Landgericht hat der nach § 251 Abs. 2 StPO verlesenen Aussage des Zeugen G keinen anderen Erklärungsinhalt beigemessen als sich aus der Vernehmungsniederschrift ergibt. Die Revision will lediglich im Hinblick auf die zollrechtliche Gestellungspflicht (Art. 40 ZK) aus der Aussage andere rechtliche Schlußfolgerungen herleiten. Dies kann aber keine Verletzung des § 261 StPO begründen.

dd) Gleichfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge des Angeklagten L , seine Verteidigung sei im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO unzulässig beschränkt worden, weil sein Akteneinsichtsrecht (§ 147 StPO) dadurch faktisch vereitelt worden sei, daß das umfangreiche Aktenmaterial ihm nicht zur Mitnahme in sein Büro überlassen bzw. an seine Kanzlei übersandt worden sei. Eine entsprechende Beanstandung, die mit einem Aussetzungsantrag verbunden war, hat das Landgericht durch Gerichtsbeschluß zurückgewiesen.

Die Rüge ist zwar grundsätzlich zulässig, weil ein entsprechender Antrag in der Hauptverhandlung gestellt wurde (vgl. BGH NStZ 2000, 46; NStZ 1985, 87; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 147 Rdn. 30). Sie ist indes nicht ordnungsgemäß ausgeführt im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es hätte nämlich der Darlegung bedurft, welche Aktenbestandteile der Verteidiger vorab bereits durch die Staatsanwaltschaft erhalten hatte. Dies war schon deshalb erforderlich, weil das Landgericht in seinem die Aussetzung ablehnenden Beschluß auf die in Kopie überlassenen Aktenbestandteile hingewiesen hatte.

b) Die sachlichrechtlichen Beanstandungen der Angeklagten zeigen gleichfalls keinen Rechtsfehler auf.

aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der Tat vom die Angeklagten zutreffend wegen versuchter Steuerhinterziehung verurteilt. Die versuchte Hinterziehung ergibt sich hier schon daraus, daß die Angeklagten nach ihrem Vorstellungsbild geschmuggelte Zigaretten in Empfang nehmen wollten. Eine solche Gestellungspflicht hätte nach Art. 40 ZK aber mit der Einfuhr der Zigaretten nach Italien ebenso wie mit der Übernahme der Zigaretten in München bestanden. Ob später die Harzfässer (ohne die mittlerweile sichergestellten Zigaretten) zollrechtlich ordnungsgemäß abgefertigt wurden, ist ohne Belang.

Diese Tat ist - auch wenn das Landgericht hier eine Hinterziehung italienischer Einfuhrabgaben zugrundegelegt hat - in Deutschland nach § 370 Abs. 6 und 7 AO strafbar. Unabhängig von § 370 Abs. 6 AO wären auch in Deutschland die Einfuhrabgaben sowie die Tabaksteuer entstanden. Ungeachtet dessen ist seit der Änderung des § 370 Abs. 7 AO durch das EG-Finanzschutzgesetz vom (BGBl. II, S. 2322) klargestellt, daß auch die Hinterziehung von Eingangsabgaben in anderen EU-Mitgliedstaaten in Deutschland verfolgbar ist (BVerfG wistra 2003, 255).

bb) Das Landgericht hat die Angeklagten L und S rechtsfehlerfrei als Mittäter angesehen. Ob Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) vorliegt, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Tatumstände zu bestimmen. Dabei bilden der Grad des eigenen Interesses, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft die wesentlichen Beurteilungskriterien (BGHSt 36, 363, 367; 34, 124, 126). Hier konnte das Landgericht aufgrund der Gründung der Spedition, der maßgeblichen Kontrolle der Ware am Umschlagplatz Deutschland sowie dem erheblichen finanziellen Eigeninteresse der Angeklagten von einer täterschaftlichen Begehung ausgehen. Der Umstand, daß die Transporte durch russische oder litauische Hintermänner vorfinanziert und im wesentlichen gesteuert wurden, steht der Annahme einer Täterschaft bei den Angeklagten nicht entgegen, weil ihnen dennoch ein ausreichendes Maß an Tatherrschaft verblieb und jeder von ihnen ein wesentliches Glied in der bandenmäßig strukturierten Tätergruppe darstellte.

Als Mittäter ist ihnen auch jeweils wechselseitig die - spätestens bei ihrer Übernahme (Art. 40 ZK) vorzunehmende - unterbliebene Gestellung der Zigaretten zuzurechnen (vgl. BGHSt 48, 52, 69 f.). Auch bei den Transporten vom 5. und hätten die Angeklagten deshalb spätestens nach der Übernahme der Zigaretten in Appenweier diese gemäß Art. 40 ZK den Zollbehörden gestellen müssen.

cc) Die Strafzumessung, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist (BGHSt 34, 345, 349), weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Dies gilt im übrigen auch hinsichtlich der Strafe des Angeklagten L im Verhältnis zu den gegen seine Mittäter verhängten Strafen. So durfte das Landgericht erheblich strafschärfend gewichten, daß der Angeklagte L den Mitangeklagten Li zur Tatbegehung veranlaßt und mithin in die bandenmäßigen Strukturen verstrickt hatte. Angesichts der erheblichen kriminellen Energie und des hohen Organisationsgrades der Straftaten ist die Strafe bei dem Angeklagten L ersichtlich nicht derart hoch, daß sie sich von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein.

2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die sich gegen den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Angeklagten L und S richten, sind unbegründet.

a) Die mildernde Erwägung des Landgerichts, die Angeklagten hätten Untersuchungshaft verbüßt und seien als Erstverbüßer besonders haftempfindlich, läßt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18). Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf einen früheren Vollzug von Untersuchungshaft bei dem Angeklagten S die Richtigkeit der Feststellungen anzweifelt, kann sie nicht gehört werden, weil ihr Vorbringen urteilsfremd ist. Der Senat schließt im Hinblick auf die Höhe der verhängten Strafen aus, daß den vorgenannten Gesichtspunkten bei der Strafzumessung ein zu großes Gewicht eingeräumt wurde. Dies gilt im übrigen auch für die eher unterstützende weitere Erwägung des Landgerichts, die Haftempfindlichkeit des Angeklagten S werde noch dadurch erhöht, daß er als Ausländer mit Sprachproblemen zu kämpfen habe.

b) Die von der Beschwerdeführerin weiter beanstandete Nichtanwendung des Strafrahmens gemäß § 370 Abs. 3 AO läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Dabei kann offenbleiben, ob der Steuerschaden ein solcher großen Ausmaßes im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist. Das Landgericht hat jedenfalls unter Hinweis auf die übrigen Strafzumessungskriterien (Geständnis, tatsächlich nicht eingetretene Steuerverkürzung) rechtsfehlerfrei von einer Anwendung des Strafrahmens nach § 370 Abs. 3 AO abgesehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat dabei das Landgericht auch die besondere bandenmäßige Struktur berücksichtigt, die den Taten zugrunde liegt.

Fundstelle(n):
UAAAC-07047

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