BGH Beschluss v. - 5 StR 215/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StPO § 349 Abs. 2; StGB § 46 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: LG Frankfurt/Oder vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in acht Fällen, wegen Falschbeurkundung im Amt in zwölf Fällen, wegen Bestechung in Tateinheit mit Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt in drei Fällen sowie wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruches; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben.

1. In den Fällen, in denen der Angeklagte wegen Falschbeurkundung, Bestechung oder Bestechlichkeit verurteilt wurde, weisen die Urteilsgründe einen Darstellungsmangel auf.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Zollbeamter entweder selbst sogenannte Tax-free-Begleitpapiere zu Unrecht abgestempelt und so wahrheitswidrig eine Ausfuhr bescheinigt oder seinen Untergebenen W veranlaßt, entsprechende unzutreffende Abstempelungen vorzunehmen. Dabei hat das Landgericht zwar mitgeteilt, in welcher Höhe der Angeklagte für diese rechtswidrigen Diensthandlungen entlohnt wurde (etwa 3.500 DM) und welche Beträge der Angeklagte an W weitergab (insgesamt ca. 500 DM). Aus den Urteilsgründen läßt sich jedoch nicht entnehmen, auf welche Werte sich die unrichtigen Abstempelungen auf den Tax-free-Papieren bezogen.

Aufgrund der Dokumentenlage wären die in den abgestempelten Begleitpapieren aufgeführten Liefergegenstände als Ausfuhrlieferung jeweils steuerfrei (§ 4 Nr. 1 UStG i.V.m. § 6 UStG). Mit der Bescheinigung ist nämlich grundsätzlich der buchmäßige Nachweis der Ausfuhr geführt (vgl. § 8 Abs. 1 UStDV). Aus der Bezugnahme der Tax-free-Papiere auf die beigefügten Quittungen ergibt sich zugleich der Umfang der wegen der Ausfuhr nicht anfallenden Umsatzsteuer. Diese Quittungen enthalten die gezahlte Umsatzsteuer oder die gezahlte Umsatzsteuer läßt sich aus ihnen zumindest entnehmen. Im Ergebnis haben die unberechtigten Abstempelungen zur Folge, daß aufgrund der inhaltlich unzutreffenden Bescheinigungen die gezahlte Umsatzsteuer tatsächlich problemlos zurückverlangt werden konnte, was im übrigen auch der eigentliche Sinn des Vorgehens war.

Der dem Fiskus aus diesen Handlungen drohende Schaden hätte deshalb jedenfalls in seiner ungefähren Größenordnung in den Urteilsgründen dargestellt werden müssen. Welche steuerlichen Einbußen aufgrund der durch die Unrechtsvereinbarung veranlaßten rechtswidrigen Diensthandlung dem Fiskus entstanden sind oder wenigstens hätten entstehen können, bestimmt ganz wesentlich das Maß der Pflichtwidrigkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGH wistra 1989, 261; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 46 Rdn. 17). Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich die fehlende Prüfung des drohenden Steuerschadens bei der Festsetzung der jeweiligen Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

2. Dieser Mangel führt insgesamt zur Aufhebung des Strafausspruches mit den zugehörigen Feststellungen. Zwar wirkt sich der Rechtsfehler hinsichtlich der Strafzumessung im Hinblick auf die Verurteilung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses nicht aus. Der Senat hebt jedoch auch diese Einzelstrafe auf, um dem neuen Tatrichter eine einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen.

II.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Es werden noch Feststellungen zu der Zeitdauer des Verfahrens und den Ursachen für die eingetretenen Verzögerungen zu treffen sein. Ausweislich der Urteilsgründe befand sich der Angeklagte bereits im Jahr 1996 wegen der hier gegenständlichen Vorwürfe für einige Monate in Haft. Die Taten waren eher einfach gelagert und der Angeklagte war im wesentlichen geständig. Dennoch wurde in dieser Sache erst Ende 1998 Anklage erhoben und erstinstanzlich konnte das Verfahren am schließlich abgeschlossen werden, ohne daß aus den Urteilsgründen für diese ungewöhnliche Dauer ein sachlich vertretbarer Grund erkennbar wäre. Die Strafkammer hat dieser erheblichen Verfahrensdauer mit einer eher beiläufigen strafmildernden Erwähnung in den Urteilsgründen kaum hinreichend Rechnung getragen. Der neue Tatrichter wird deshalb insbesondere zu prüfen haben, ob es im vorliegenden Fall zu einer gegen Art. 6 Abs. 1 MRK verstoßenden Verfahrensverzögerung gekommen ist. Diese wird gegebenenfalls genau festzustellen sein; ihr müßte dann insbesondere durch eine - regelmäßig unerläßliche - spezielle Strafzumessung Rechnung getragen werden, in der das Maß der hierfür zugebilligten Kompensation genau bestimmt wird (vgl. BGHSt 45, 308, 309; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13; zuletzt ).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAC-06949

1Nachschlagewerk: nein