BGH Urteil v. - XII ZR 47/04

Leitsatz

[1] Treten infolge eines Mangels der Mietsache Schäden an Sachen des Mieters ein, muss dieser die Schäden nach Grund und Höhe auch dann beweisen, wenn der Vermieter behauptet, diese seien bereits aufgrund eines früheren Schadensereignisses eingetreten. Eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Vermieters findet nicht statt.

Gesetze: BGB a.F. § 538; ZPO § 287

Instanzenzug: LG Stuttgart 13 O 158/02 vom OLG Stuttgart 5 U 159/03 vom

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als Gesellschafter der G. GbR Schadensersatz für behauptete Feuchtigkeitsschäden an Rohren, die sie in einer von der G. GbR gemieteten Halle eingelagert hatte.

Bereits im Sommer 2000 war Regen durch das Dach der Halle eingedrungen und hatte die dort gelagerten Rohre beschädigt. Diesen Schaden hatten die Parteien einvernehmlich dadurch ausgeglichen, dass der Klägerin die Mieten für Juli und August 2000 erlassen wurden. Die G. GbR ließ das Dach daraufhin reparieren. Die Klägerin verlangt mit der Behauptung, in der Folgezeit sei erneut Wasser durch das Hallendach eingedrungen und habe die von ihr nach der Dachreparatur eingelagerten neuen, unbeschädigten Rohre beschädigt, Ersatz des dadurch entstandenen Schadens.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten als Gesellschafter der G. GbR gemäß § 538 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 705, 709, 714 BGB sei nicht gegeben. Zwar habe die Klägerin einen Sachmangel der Mietsache bewiesen, für den der Beklagte dem Grunde nach hafte. Der vom Gericht bestellte Sachverständige habe nämlich festgestellt, dass das Hallendach auch nach der Reparatur undicht gewesen und weiterhin Wasser in die Halle eingetreten sei. Bei dem Mangel handele es sich um einen bei Vertragsschluss bereits angelegten Sachmangel. Selbst wenn dieser erst später entstanden sei, habe die Beklagte ihn jedenfalls zu vertreten, weil die Klägerin sie auf den Mangel hingewiesen habe. Die Klägerin habe aber den ihr obliegenden Beweis dafür, welche und wie viele ihrer eingelagerten Rohre durch den erneuten Wassereintritt beschädigt worden seien, nicht erbracht. Durch die Beweisaufnahme habe nicht annäherungsweise geklärt werden können, welche der in der Halle gelagerten beschädigten Rohre schon durch den ersten bereits regulierten und welche durch den zweiten hier geltend gemachten Wassereintritt beschädigt worden seien. Die Klägerin treffe aber als Mieterin die Beweislast für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gemäß § 538 a.F. BGB und damit auch für den Schadensumfang als solchen, zumal wenn es sich wie hier um vom Mieter in die Mietsache eingebrachte, somit seiner Sphäre entstammende Gegenstände handele. Zur Klärung dieser Rechtsfrage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II.

Die Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Nach § 538 BGB a.F. kann der Mieter Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn ein Mangel der Mietsache bei Abschluss des Vertrages vorhanden ist oder später durch Verschulden des Vermieters entsteht.

Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich den Mieter die Beweislast für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus § 538 BGB a.F. (§ 536 a Abs. 1 BGB) trifft (MünchKomm/Schilling 4. Aufl. § 536 a BGB Rdn. 10; Staudinger/Emmerich 13. Bearb. 1995 § 538 BGB Rdn. 62; Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 8. Aufl. § 536 a BGB Rdn. 177 m.w.N.).

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin bewiesen, dass das Hallendach aufgrund eines anfänglichen Mangels auch nach der Reparatur noch undicht war und dass dadurch Wasser in die Halle eingetreten ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse auch beweisen, in welchem Umfang ihr aufgrund dieses Mangels ein Schaden entstanden sei, steht in Einklang mit den oben genannten allgemeinen Grundsätzen (Baumgärtel/Strieder Handbuch der Beweislast Bd. I 2. Aufl. § 249 BGB Rdn. 13; Erman/Kuckuk 11. Aufl. vor §§ 249 bis 253 Rdn. 192; Esser/Schmidt Schuldrecht Bd. I Teilband 2, 8. Aufl. § 33 VI 2).

a) Die Revision ist demgegenüber der Ansicht, die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin beschränke sich darauf, dass überhaupt Rohre beschädigt worden seien, während der Beklagte als Schädiger beweispflichtig für den von ihm behaupteten vorgeschädigten, wertlosen Zustand der Rohre bei Schadenseintritt sei. Diese Ansicht findet indes in der von ihr zitierten Entscheidung des - NJW 1972, 1515) keine Stütze. In dem dort entschiedenen Fall ging es um Ersatzansprüche (§ 844 Abs. 2 BGB) der Kinder eines Getöteten wegen Entziehung des Rechts auf Unterhalt und dabei insbesondere darum, ob der Getötete aufgrund einer schon vorhandenen Erkrankung überhaupt weiterhin seiner Unterhaltspflicht hätte nachkommen können. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, die Klägerinnen seien nicht verpflichtet, alle denkbaren Verläufe auszuschließen, die zum Wegfall der Erwerbsfähigkeit ihres Vaters hätten führen können. Es genüge vielmehr eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Fortbestehen seiner Erwerbsfähigkeit. Dieses Ergebnis lasse sich auch auf § 287 ZPO stützen. Danach sei in besonderen Fällen eine echte Schätzung im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils gerechtfertigt, und zwar vor allem dann, wenn Ersatz für die Zerstörung eines Rechtsguts zu leisten sei, dessen Bewertung aus von dem Schadensereignis ganz unabhängigen Gründen Schwierigkeiten bereite. In solchen Fällen führe es zu einer einseitigen Bevorzugung des Schädigers, wenn man nach der allgemeinen Regel, dass der Geschädigte den Schaden zu beweisen habe, stets den geringsten Wert zugrunde legen würde, auch wenn dieser wenig wahrscheinlich sei ( aaO S. 1517 und das dort zitierte Urteil vom - VI ZR 233/69 - NJW 1970, 1970, 1971).

Die von der Revision für ihre Ansicht angeführte Entscheidung hält folglich an der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten für den Umfang des Schadens fest, lässt aber eine Beweiserleichterung zu seinen Gunsten - wie bei § 287 ZPO - dahin zu, dass die Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Überzeugung des Gerichts ausreichend ist. Aus der Entscheidung kann somit nicht hergeleitet werden, dass sich die Beweislast für den Umfang des Schadens umkehrt, wenn der Schädiger den behaupteten Zustand der beschädigten Sache vor dem Schadensereignis substantiiert bestreitet. Vielmehr wird durch die Beweiserleichterung gemäß § 287 ZPO lediglich eine geringere Anforderung an die Überzeugungsbildung des Gerichts für den vom Geschädigten behaupteten Schaden gestellt.

b) Entgegen der Ansicht der Revision beruft sich der Beklagte mit seiner Behauptung, die Rohre seien bei Schadenseintritt bereits wertlos gewesen, auch nicht auf einen abweichenden Geschehensablauf, für den er beweispflichtig wäre. Denn mit dieser Behauptung bestreitet der Beklagte nicht, dass die gelagerten Rohre durch den zweiten Wassereintritt Roststellen und Verfärbungen erlitten haben. Er bestreitet lediglich, dass die Klägerin dadurch einen Schaden erlitten habe. Denn die Rohre seien zum Zeitpunkt des zweiten Wassereintritts bereits wertlos gewesen. Er bestreitet damit nur den von der Klägerin behaupteten Sachwert der Rohre zum Zeitpunkt des (zweiten) Schadensereignisses. Für diesen Zustand ist die Klägerin jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen beweispflichtig. Anhaltspunkte, die ausnahmsweise eine andere Beweislastverteilung gebieten könnten, wie beispielsweise Beweisschwierigkeiten wegen fehlender Kenntnis der Schadensumstände, liegen nicht vor. Vielmehr ist es der Klägerin, worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat, ohne weiteres möglich, Angaben zum Zustand der Rohre vor dem Schadensereignis zu machen, da deren Einlagerung ihrem Einflussbereich unterlag.

c) Das Berufungsgericht ist auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für die Höhe des Schadens, die sich aus der Differenz zwischen dem Wert der beschädigten Rohre vor und nach Eintritt des schädigenden Ereignisses ergibt, nicht erbracht hat. Zwar kommt der Klägerin insoweit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, die es dem Gericht gestattet, sich je nach Lage des Falles anstelle einer an Sicherheit grenzenden mit einer mehr oder minder hohen, mindestens aber überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu begnügen ( aaO, 1971 und vom aaO, 1517). Hierzu muss die Klägerin jedoch die für die Schätzung erforderlichen Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Die von ihr benannten Zeugen haben ihre Behauptung, sie habe die in der Halle gelagerten, durch den ersten Wasserschaden wertlos gewordenen Rohre nach der Dachreparatur durch neue unbeschädigte Rohre ersetzt, nicht bestätigt. Es fehlt deshalb an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung des nach der Dachreparatur durch den zweiten Wassereintritt entstandenen Schadens.

2. Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den von der Klägerin angebotenen Sachverständigenbeweis zur Ermittlung der Höhe des Schadens zu Unrecht nicht erhoben, greift nicht.

Da die Klägerin nicht beweisen konnte, dass die vor dem zweiten Wassereintritt eingelagerten Rohre neu und unbeschädigt waren, konnte durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zustand der Rohre nach dem zweiten Wassereintritt der durch diesen verursachte Schaden nicht festgestellt werden. Das Berufungsgericht hat deshalb den hierzu angetretenen Sachverständigenbeweis zu Recht nicht erhoben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 3559 Nr. 49
NJW-RR 2006 S. 1238 Nr. 18
WM 2006 S. 1927 Nr. 40
KAAAC-06677

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja