Leitsatz
[1] Zur Anfechtung der Ablehnung, eine Scheidungsfolgesache abzutrennen.
Gesetze: ZPO § 628; ZPO § 567 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Zweibrücken vom AG Pirmasens
Gründe
I.
Zwischen den Parteien ist ein Scheidungsverfahren rechtshängig. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Antrag des Antragsgegners abgelehnt, dem Scheidungsantrag wegen unzumutbarer Härte gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vor der Entscheidung über die Folgesache Güterrecht stattzugeben. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht mit der Begründung als unzulässig verworfen, das Rechtsmittel sei nicht statthaft. Mit der - wegen dieser Frage zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren, die Folgesache Güterrecht aus dem Scheidungsverbund abzutrennen, weiter.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.
1. Nach der Neufassung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz vom (BGBl. I 1887, 1902 ff.) kann der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluß zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Gegen Beschlüsse, durch die eine sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nach dem Gesetz nicht allgemein eröffnet. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen. Der Senat ist aber an die Zulassung durch das Beschwerdegericht nicht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur dann zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz an sich statthaft ist. Sie wird dagegen nicht in den Fällen eröffnet, in denen die Anfechtbarkeit einer Entscheidung gesetzlich ausgeschlossen ist (BGH Beschlüsse vom - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554; vom - VI ZB 27/02 - NJW 2003, 211 und vom - IV ZB 35/03 - FamRZ 2004, 437). Eine solche Entscheidung bleibt - auch bei irriger Rechtsmittelzulassung - unanfechtbar. Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zu dem Beschwerdegericht nicht statthaft war (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 279/03 - FamRZ 2004, 1191, 1192 und vom - XII ZB 137/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das war hier aber der Fall.
2. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß gegen die Ablehnung der Abtrennung einer Scheidungsfolgensache kein Rechtsmittel gegeben ist.
a) Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Voraussetzungen beider Alternativen sind hier nicht gegeben.
Die Vorschriften der §§ 622 ff. ZPO sehen eine sofortige Beschwerde gegen die verweigerte Abtrennung einer Scheidungsfolgensache nicht vor. Ob ein solcher Beschluß gleichwohl der Anfechtung unterliegt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.
Teilweise wird angenommen, die Anfechtbarkeit ergebe sich aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zumindest dann, wenn die Entscheidung über bloße prozeßleitende Maßnahmen hinausgehe und die Rechtsposition einer Partei in bezug auf den Streitgegenstand unmittelbar berührt werde, müsse das Begehren auf Abtrennung als ein Gesuch im Sinne der vorgenannten Bestimmung verstanden werden (Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 628 Rdn. 15 f.; Schwab/Maurer Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. Kap. I Rdn. 396; so wohl auch Stein/Jonas/ Schlosser ZPO 21. Aufl. § 628 Rdn. 17; OLG Hamm - 4. Familiensenat - FamRZ 1986, 1121).
Ferner wird die Auffassung vertreten, die sofortige Beschwerde sei in analoger Anwendung des § 252 ZPO statthaft, weil die versagte Abtrennung einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Partei darstelle, der im Einzelfall einer Verfahrensaussetzung gleichkommen könne (OLG Frankfurt FamRZ 1979, 62; einschränkend in FamRZ 1997, 1167, 1168; OLG Naumburg FamRZ 2002, 331, 332; Zöller/Philippi ZPO 24. Aufl. § 628 Rdn. 11; MünchKomm-ZPO/Finger 2. Aufl. § 628 Rdn. 19; Schwab/Maurer aaO Kap. I Rdn. 397).
Die überwiegende Meinung hält ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Abtrennung dagegen nicht für statthaft (OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 123; FamRZ 1994, 1121; FamRZ 2002, 1574; OLG Stuttgart Justiz 1980, 415, 416, OLG-Report 1998, 433; OLG Bamberg FamRZ 1986, 1011, 1012; OLG Koblenz FamRZ 1991, 209; OLG Dresden FamRZ 1997, 1230, 1231; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 98, 99; OLG Oldenburg FamRZ 2001, 167, 168; OLG Hamm - 11. Familiensenat - FamRZ 2002, 333, 334; OLG Köln FamRZ 2003, 1197; OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1197, 1198; Musielak/Borth ZPO 3. Aufl. § 628 Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 628 Rdn. 9; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht 4. Aufl. § 628 Rdn. 16; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht 16. Aufl. § 166 Rdn. 17; FA-Familienrecht/von Heintschel-Heinegg 4. Aufl. 1. Kap. Rdn. 185; Bergerfurth/Rogner Der Ehescheidungsprozeß 14. Aufl. Kap. II Rdn. 14).
b) Der Senat verneint mit der überwiegenden Meinung die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde.
aa) Mit der Ablehnung der Abtrennung einer Scheidungsfolgesache wird - von den noch zu erörternden Ausnahmen des § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO abgesehen - kein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Das Gericht prüft vielmehr von Amts wegen, ob eine Abtrennung aus den in § 628 Abs. 1 ZPO genannten Gründen veranlaßt ist. Dem Antrag eines Ehegatten, in dieser Weise zu verfahren, kommt deshalb nur die Bedeutung einer Anregung zu. Soweit zur Begründung der gegenteiligen Auffassung darauf hingewiesen wird, diese formale Betrachtung lasse unberücksichtigt, daß zumindest § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Äußerung eines auf Abtrennung gerichteten Willens voraussetze und die Belastungen der Ehegatten durch ein Hinausschieben der Scheidung wegen deren Koppelung an die Folgesache beträchtlich sein könnten, rechtfertigen diese Umstände keine andere Beurteilung. Denn auch dann bleibt es dabei, daß rechtstechnisch lediglich eine Anregung vorliegt, eine - im Ermessen des Gerichts stehende (vgl. hierzu Senatsurteil vom - XII ZR 108/90 - FamRZ 1991, 1043, 1044) - Abtrennung vorzunehmen. Deren Ablehnung bedeutet allein, daß der vom Gesetzgeber in § 623 ZPO grundsätzlich angeordnete Verbund von Scheidungs- und Folgesachen beibehalten wird. Die um Abtrennung nachsuchende Partei wird durch die Versagung im Vergleich zu ihrer Ausgangsposition nicht schlechter gestellt. Allein die Ablehnung verletzt die Partei zudem nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Auflösung des Scheidungsverbunds.
Daß das Gesetz danach einen Eingriff des Beschwerdegerichts in das erstinstanzliche Verfahren insoweit nicht zuläßt, erscheint auch sachgerecht. Eine Entscheidung darüber, ob der in erster Instanz anhängige Scheidungsantrag entscheidungsreif ist, würde einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenz des erstinstanzlichen Gerichts darstellen (vgl. OLG Stuttgart Justiz 1980 aaO, OLG Oldenburg und Musielak/Borth, jeweils aaO).
bb) Die Nichtabtrennung kann in ihren Auswirkungen auch nicht einem Verfahrensstillstand gleichgesetzt werden mit der Folge, daß eine sofortige Beschwerde hiergegen in entsprechender Anwendung des § 252 ZPO statthaft wäre. Für eine Analogie ist nur dann Raum, wenn die in den §§ 622 ff. ZPO nicht vorgesehene Anfechtbarkeit auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht. Das ist indessen nicht der Fall.
Der Verbund der Entscheidungen über Scheidungs- und Folgesachen ist vom Gesetz gewollt. Dementsprechend kann eine einheitliche Entscheidung regelmäßig erst ergehen, wenn alle Teile entscheidungsreif sind. Diesem System sind aber Entscheidungsverzögerungen bezüglich des einen oder des anderen Teils immanent und deshalb grundsätzlich hinzunehmen. Nur soweit sich eine gleichzeitige Entscheidung außergewöhnlich verzögern würde, sieht § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Möglichkeit der Abtrennung von Folgesachen vor, ohne allerdings zugleich ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Abtrennung zu eröffnen. Wenn aber die außergewöhnliche Verzögerung des Verbundverfahrens und damit in der Regel auch eine mittelbar eintretende Aussetzungswirkung eine besondere gesetzliche Regelung ohne Rechtsmittelmöglichkeit gefunden haben, kann für den Regelfall nicht auf eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Bestimmung des § 252 ZPO zurückgegriffen werden (ebenso OLG Oldenburg aaO; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1574).
Diese Beurteilung findet in dem durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom (BGBl. I 2942) neu gefaßten §§ 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Bestätigung. Danach sind Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht sowie die Herausgabe eines Kindes nunmehr auf Antrag eines Ehegatten vom Scheidungsverbund abzutrennen, die Folgesache elterliche Sorge gegebenenfalls erweitert um die Folgesachen Ehegattenunterhalt (§ 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) und Kindesunterhalt (§ 621 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO), § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Damit ist - in Kenntnis des seit Jahren bestehenden Streits um die Anfechtbarkeit der Ablehnung der Abtrennung einer Folgesache - nur für die vorgenannten Folgesachen ein Antragsrecht auf Abtrennung und damit im Fall der Ablehnung eine Beschwerdemöglichkeit nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorgesehen worden (so auch Zöller/Philippi aaO § 623 Rdn. 32 i). Auch im Rahmen der umfassenden Zivilprozeßrechtsreform ist eine darüber hinausgehende Rechtsmittelmöglichkeit nicht eröffnet worden (vgl. auch OLG Düsseldorf aaO).
3. Auch eine außerordentliche Beschwerde kommt nicht in Betracht. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz können Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angefochten werden. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde in Betracht (BGHZ 150, 133, 135 ff.).
Das Bundesverfassungsgericht hat durch Plenarbeschluß vom (NJW 2003, 1924) dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall zu schaffen, daß ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Für den Fall, daß der Gesetzgeber keine rechtzeitige Neuregelung trifft, hat es angeordnet, daß das Verfahren auf Antrag einer beschwerten Partei von dem Gericht fortzusetzen ist, dessen Entscheidung wegen der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angegriffen wird. Daraus ergibt sich, daß selbst in Fällen fehlerhafter Ermessensausübung eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr zuzulassen ist, zumal dem Ausgangsgericht die Möglichkeit eröffnet wird, greifbaren Verfahrensverstößen selbst abzuhelfen.
4. Die Versagung eines Rechtsmittels gegen die Ablehnung der Abtrennung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Rechtsschutz gegen Akte eines Richters muß nicht zwingend zur Befassung einer höheren Instanz führen, sofern die rechtsstaatlich notwendige Kontrolle des behaupteten Verfahrensfehlers anderweitig in hinreichender Weise gesichert werden kann (BVerfG aaO 1926). Diese Kontrollmöglichkeit wird zum einen durch die (fristgebundene) Gegenvorstellung eröffnet. Wenn das Familiengericht eine Abtrennung weiterhin ablehnt und die betreffende Folgesache mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zur Entscheidungsreife führt, sind zum anderen die dann in Betracht kommenden gerichtlichen Maßnahmen - etwa Vertagung auf unbestimmte Zeit, die Ablehnung einer Terminsbestimmung oder eines Beweisbeschlusses - nach § 252 ZPO anfechtbar (so auch OLG Zweibrücken aaO). Damit wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Rücksicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom (NJW 2001, 2694) veranlaßt. Danach garantiert Art. 13 EMRK eine wirksame Beschwerde zu einer innerstaatlichen Instanz wegen einer behaupteten Verletzung der Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zu einer Verhandlung innerhalb angemessener Frist. Solange hieraus keine innerstaatlichen gesetzgeberischen Konsequenzen gezogen werden, muß es indessen bei den vorgenannten Rechtsschutzmöglichkeiten bewenden. Die Verweigerung der Abtrennung von Folgesachen einem Rechtsmittel zugänglich zu machen, ist jedenfalls kein geeignetes Mittel, den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entsprechen. Denn die Vorabentscheidung über die Scheidung würde nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens insgesamt führen, weil die abgetrennte Folgesache anhängig bliebe. Ohne den Druck des Verbundverfahrens dürfte sich deren Dauer sogar eher verlängern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
SAAAC-06216
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja