BGH Urteil v. - X ZR 92/03

Leitsatz

[1] Ist Gegenstand eines Schenkungsversprechens ein Holzeinschlagsrecht, so ist die Schenkung bewirkt, wenn dem Beschenkten das Recht eingeräumt wurde, das Holz zu fällen und sich anzueignen. Auf den Besitz an dem Holz kommt es nicht an.

Gesetze: BGB § 518 Abs. 2; BGB § 956 Abs. 1

Instanzenzug: OLG München 8 U 1548/03 vom LG Deggendorf 3 O 436/02 vom

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob dem Beklagten wirksam ein Holzeinschlagsrecht eingeräumt wurde.

Die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann schlossen mit dem Beklagten am eine privatschriftliche Vereinbarung ab, die folgenden Wortlaut hat:

"1. Wir, Johann und Sofie M. , sind in Gütergemeinschaft Eigentümer der Grundstücke

...

Bei diesen Grundstücken handelt es sich um Waldgrundstücke.

2. Hiermit räumen wir, Johann und Sofie M. , Herrn Gerhard M. von heute an gerechnet auf die Dauer von drei Jahren unentgeltlich das Recht ein, auf diesen Grundstücken Holz einzuschlagen und zu verwerten. Eine Verpflichtung zur Wiederaufforstung besteht nicht.

3. Die Einräumung des Holzschlagrechtes erfolgt als Gegenleistung für langjährige Dienstleistungen (Fahrten, Verpflegung usw.)."

Mit Anwaltsschreiben vom und untersagte die Klägerin dem Beklagten, auf den fraglichen Waldgrundstücken Holz einzuschlagen, und berief sich dazu auf Geschäftsunfähigkeit bei Abschluß der Vereinbarung. Die Klägerin wurde im Oktober 2002 unter Betreuung gestellt, die auch die Vermögenssorge umfaßt. Der Beklagte hat seit April 2002 in erheblichem Umfang Holz auf den Grundstücken der Klägerin eingeschlagen.

Die Klägerin hat, soweit für die Revisionsinstanz noch relevant, die Feststellung begehrt, daß die Vereinbarung der Parteien unwirksam sei. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie sei bei Abschluß der Vereinbarung geschäftsunfähig gewesen; darüber hinaus sei die Vereinbarung mangels notarieller Beurkundung als Schenkungsversprechen formunwirksam.

Das Landgericht hat die Frage der Geschäftsunfähigkeit dahinstehen lassen und der Feststellungsklage wegen Formunwirksamkeit stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten durch Protokollurteil zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision strebt der Beklagte Klageabweisung an. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.

1. Allerdings ist die Aufhebung des Berufungsurteils nicht bereits deshalb geboten, weil - wie die Revision geltend macht - das Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht enthalte. Die angegriffene Entscheidung ist ein Protokollurteil. Bei diesem ist nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine Bezugnahme auf das Protokoll ausreichend (BGHZ 158, 37, 41). Die Anträge sind gemäß § 313 Abs. 2 ZPO Element des Tatbestandes. Nach § 540 Abs. 2 ZPO können die im Berufungsurteil erforderlichen Angaben zum Tatbestand im Fall des Protokollurteils in das Protokoll aufgenommen werden. Damit ergeben sich die Anträge in dem erforderliche Umfang aus der nach Datum und Blattzahl eindeutigen Bezugnahme auf eingereichte Schriftsätze im Verhandlungsprotokoll vom .

2. Landgericht und Berufungsgericht haben die Einräumung des Holzeinschlagsrechts an den Beklagten als belohnende Schenkung aus Dankbarkeit angesehen. Sie haben sich dazu zunächst auf die Erklärung des Beklagten im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht D. - , 3 O 364/02, bezogen, wonach Motiv der Eheleute M. für die Einräumung des Holzeinschlagsrechts deren Dankbarkeit für jahrelange Dienstleistungen des Beklagten gewesen sei und daß vor Beginn mit diesen Dienstleistungen keine bestimmte Gegenleistung dafür vereinbart worden sei. Die Vorinstanzen haben weder eine Verpflichtung des Beklagten zu den erbrachten Dienstleistungen noch eine solche der Eheleute M. zur Gewährung des Holzeinschlagsrechts feststellen können. Sie haben ferner ein eklatantes Wertmißverhältnis zwischen den Dienstleistungen und dem Holzeinschlagsrecht angenommen und daraus eine tatsächliche Vermutung für die Unentgeltlichkeit der Zuwendung abgeleitet. Unter den gegebenen Umständen könne von keiner, und sei es auch nur nachträglichen, Entgeltlichkeitsabrede ausgegangen werden.

Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung der Parteien sollte dem Beklagten das Holzeinschlagsrecht einerseits unentgeltlich gewährt werden (Ziff. 2), andererseits "als Gegenleistung für langjährige Dienstleistungen" (Ziff. 3). Ob die Parteien eine entgeltliche oder eine unentgeltliche Einräumung des Holzeinschlagsrechts vereinbart haben, läßt sich allein dem Wortlaut ihrer Übereinkunft daher nicht entnehmen. Die deshalb auslegungsbedürftige Vereinbarung der Parteien ist von den Vorinstanzen auf der Grundlage des von ihnen festgestellten Sachverhalts in bedenkenfreier tatrichterlicher Würdigung ausgelegt worden. Insbesondere entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß ein krasses Mißverhältnis zwischen erbrachter Dienstleistung und erhaltener Zuwendung eine tatsächliche Vermutung für die Unentgeltlichkeit letzterer begründet (, NJW 2002, 2469; BGHZ 59, 132). Es läßt keinen Rechtsfehler erkennen, wenn die Vorinstanzen diese Vermutung vorliegend als nicht widerlegt angesehen und sich dafür maßgeblich auf die Aussage des Beklagten in dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestützt haben.

Anders als die Revision vorträgt, haben die Vorinstanzen nicht ohne weiteres aus dem Fehlen einer Verpflichtung des Beklagten zur Leistung der Dienste auf eine Schenkung geschlossen, sondern sich dazu auf weitere Erwägungen gestützt. Die Vorinstanzen haben ferner entgegen der Revision keineswegs übersehen, daß grundsätzlich Dienstleistungen auch als vorweggenommene Erfüllungshandlungen auf noch abzuschließende entgeltliche Verträge erbracht werden können. Das Landgericht hat vielmehr eine nachträgliche Entgeltlichkeitsabrede ausdrücklich ausgeschlossen. In der von der Revision herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde eine eine Schenkung ausschließende nachträgliche Entgeltvereinbarung angenommen, weil der Leistende von vornherein erkennbar, wenn auch ohne rechtswirksamen Anspruch, eine Vergütung gefordert hatte, die dann später tatsächlich gewährt wurde (, NJW 1992, 2566, 2567). Nach dem vom Berufungsgericht und Landgericht festgestellten Sachverhalt hatte der Beklagte aber keine Forderung nach Vergütung und insbesondere auch nicht auf Einräumung des Holzeinschlagsrechts erhoben. Die von den Instanzgerichten als zutreffend unterstellte Äußerung der Eheleute M. gegenüber dem Beklagten, "er werde schon einmal etwas bekommen", ist einer solchen Entgeltforderung nicht gleichzusetzen. Vielmehr ist sie lediglich die Ankündigung, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht später Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Damit waren die Leistungen des Beklagten lediglich Beweggrund einer belohnenden Schenkung. Nichts ist dafür ersichtlich, daß die Eheleute M. mit der Einräumung des Holzeinschlagsrechts eine rechtlich bestehende Schuld gegenüber dem Beklagten abtragen wollten.

Auch die von der Revision herangezogene Entscheidung des (aaO) betont im übrigen, daß Unentgeltlichkeit angenommen werden kann, wenn es sich um eine sogenannte belohnende Schenkung handelt oder wenn zwischen dem Wert der Zuwendung und den vom Beschenkten erbrachten Leistungen ein grobes Mißverhältnis besteht. Beides ist hier der Fall.

Die Vereinbarung der Parteien stellt sich damit als Schenkung dar, die gemäß § 518 Abs. 1 BGB notarieller Form bedurfte. Diese Form wurde nicht gewahrt.

3. Entgegen der Ansicht der Instanzgerichte konnte dieser Formmangel jedoch durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werden (§ 518 Abs. 2 BGB). Gegenstand der Zuwendung der Eheleute M. an den Beklagten war nicht die Übereignung einer bestimmten Menge Holz, sondern die Gestattung, auf den Waldgrundstücken der Eheleute M. Holz einzuschlagen und sich anzueignen. Diese Aneignungsgestattung begründet ein Fruchtziehungsrecht gemäß § 956 Abs. 1 BGB. Deshalb ist die Schenkung schon dann bewirkt, wenn dem Beschenkten das Recht eingeräumt wurde, das Holz zu fällen und sich anzueignen. Auf den Besitz an dem Holz kommt es entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht an.

Vorbehaltlich der von den Instanzgerichten offengelassenen Frage der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin wurde die schenkweise versprochene Einräumung des Holzeinschlagsrechts durch die in der Vereinbarung der Parteien enthaltene Aneignungsgestattung bewirkt, die zugleich das Recht einschloß, die Grundstücke der Eheleute M. zum Zwecke des Einschlags und des Abtransports von Holz zu betreten und so durch Besitzergreifung das Eigentum an dem eingeschlagenen Holz zu erlangen. Unabhängig von dem das Fruchtziehungsrecht betreffenden Streit zwischen Übertragungs- und Aneignungstheorie (vgl. BGHZ 27, 360, 364 f.), der hier weiterhin keiner Entscheidung bedarf, ist die davon zu trennende Aneignungsgestattung, die dem Holzeinschlagsrecht zugrunde liegt, jedenfalls Verfügungsgeschäft. Es ist von der schenkweise übernommenen Gestattungsverpflichtung zu unterscheiden und bewirkt, wie die Übereignung eines geschenkten Gegenstands, die schenkweise versprochene Leistung. Diese Aneignungsgestattung ist neben dem Schenkungsversprechen bereits in der Vereinbarung der Parteien enthalten. Der Beklagte war schon dadurch Inhaber des Holzeinschlagsrechts. Ob und wann er Holz einschlagen, sich aneignen und abtransportieren wollte, stand allein in seinem Belieben.

4. Durch die Bewirkung der versprochenen Leistung ist der Formmangel des Schenkungsversprechens geheilt worden. Diese Heilung konnte durch den späteren Widerruf der Aneignungsgestattung in den Anwaltsschreiben vom 7. Juni oder nicht beseitigt werden. Zwar konnte die Klägerin die dingliche Aneignungsgestattung trotz schuldrechtlicher Gestattungspflicht grundsätzlich widerrufen (vgl. BGHZ 27, 360, 367). Dies folgt im Umkehrschluß aus § 956 Abs. 1 Satz 2 BGB, da dem Beklagten kein Besitz an den Waldgrundstücken als den fruchttragenden Sachen eingeräumt worden ist. Dieser Widerruf konnte die durch das zuvor wirksam gewordene Schenkungsversprechen begründete, schuldrechtliche Position des Beklagten aber nicht mehr beseitigen. Ist ein Formmangel durch Bewirkung des dinglichen Vollzugsgeschäfts, hier der Aneignungsgestattung, geheilt, können sich die Vertragsparteien von dem einmal wirksam gewordenen Kausalgeschäft nicht mehr einseitig durch Widerruf lösen (vgl. BGHZ 127, 129, 137 f. zur Heilung des formnichtigen Verkaufs von GmbH-Geschäftsanteilen; vgl. auch , NJW 1970, 941, wonach der Mangel eines Schenkungsversprechens, dessen Gegenstand Besitz und Nutzung einer Sache sind, schon dadurch endgültig geheilt wird, daß der Schenker die Sache dem Beschenkten einmalig zum Zwecke dieser Nutzung übergibt).

5. Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht der von ihm bisher offengelassenen Frage der Geschäftsfähigkeit der Klägerin bei Abschluß der Schenkungsvereinbarung, die deren Wirksamkeit entgegenstünde, nachzugehen haben.

Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 498 Nr. 8
NJW-RR 2005 S. 1718 Nr. 24
WM 2005 S. 2297 Nr. 48
KAAAC-05306

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja