BGH Urteil v. - IV ZR 259/01

Leitsatz

[1] Ob die Übertragung eines Grundstücks in der ehemaligen DDR durch einen erst nach dem verstorbenen Erblasser im Hinblick auf Pflichtteilsergänzungsansprüche als Schenkung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Wertverhältnissen bei Vollzug des Vertrages. Lag damals ein entgeltliches Geschäft vor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschen Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein.

Gesetze: BGB § 2325

Instanzenzug: OLG Brandenburg LG Cottbus

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Schwester, die Ermittlung des Wertes eines Grundstücks. Es war der Beklagten von der Mutter der Parteien aufgrund eines vor dem Staatlichen Notariat am geschlossenen Vertrages übertragen worden. Die Mutter ist am in W. bei C. gestorben. Die Beklagte war im gemeinschaftlichen Testament der Eltern als Alleinerbin nach dem Längstlebenden eingesetzt worden; der Vater ist vorverstorben.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger im Hinblick auf das der Beklagten 1985 übertragene Grundstück in W. kein Pflichtteilsrecht und damit auch keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Zwar sei gemäß Art. 235 § 1 EGBGB für die erbrechtlichen Verhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch maßgebend. § 2325 BGB schütze aber nur denjenigen, der im Zeitpunkt der Schenkung schon pflichtteilsberechtigt war. Das treffe auf den Kläger nicht zu, weil für ihn im Jahre 1985 § 396 Abs. 1 Nr. 2 des Zivilgesetzbuchs (ZGB) gegolten habe, wonach Kinder des Erblassers nur dann einen Pflichtteilsanspruch hatten, wenn sie unterhaltsberechtigt gegenüber dem Erblasser waren. Damals sei der Kläger aber wirtschaftlich schon von seiner Mutter unabhängig gewesen.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Wie der Senat in BGHZ 147, 95, 96 ff. = NJW 2001, 2398; ZEV 2001, 238 m. Anm. Klingelhöffer; BGH-Report 2001, 417 m. Anm. Pentz; JZ 2001, 1088 m. Anm. Kuchinke) entschieden hat, kommt es auch für die Pflichtteilsberechtigung gemäß Art. 235 § 1 EGBGB nicht auf das ZGB, sondern auf § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB an. Daß der Kläger 1985 nicht unterhaltsberechtigt gegenüber seiner Mutter war, ist daher ohne Bedeutung. Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wird auch im Internationalen Privatrecht nach dem Erbstatut beurteilt (Soergel/Schurig, EGBGB 12. Aufl. Art. 25 Rdn. 44; MünchKomm/Birk, EGBGB 3. Aufl. Art. 25 Rdn. 228; Staudinger/Dörner, Stand Januar 2000 Art. 25 EGBGB Rdn. 186, 188).

3. Das Landgericht hatte die Klage mit anderer Begründung abgewiesen: Bei der Übertragung des Grundstücks habe es sich nicht um eine Schenkung gehandelt. Nach der notariellen Urkunde gewährte die Beklagte der Mutter "als Entgelt" ein lebenslanges, unentgeltliches Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht, dessen Jahreswert mit ca. 1.200 Mark der DDR angegeben wurde; als Zeitwert des Grundstücks nennt die Urkunde einen Betrag von ca. 15.000 Mark der DDR. Das Landgericht hat allein das Wohn- und Mitbenutzungsrecht der Mutter, die bei Vertragsschluß 61 Jahre alt war, im Hinblick auf eine Lebenserwartung von damals noch 15 Jahren auf einen Wert von 18.000 Mark geschätzt. Daß der Zeitwert des Objekts 1985 tatsächlich höher gelegen habe, sei nicht dargetan. Damit übersteige die Gegenleistung den Zeitwert des übertragenen Anwesens.

Mit den dagegen gerichteten Angriffen des Klägers hat sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bisher nicht befaßt. Das wird nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen sein. Dazu gibt der Senat folgende Hinweise:

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der vom Kläger geltend gemachte Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich nur ein Pflichtteilsrecht voraussetzt, nicht aber schon das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs, zu dessen Beurteilung die Auskunft dienen soll (BGHZ 28, 177, 179 f.; IVa ZR 46/80 - NJW 1981, 2051, 2052 unter 1). Allerdings reicht auch der Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht so weit, daß allein der begründete Verdacht einer unter § 2325 BGB fallenden Schenkung genügen würde, um eine Wertermittlung durch Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu erreichen; vielmehr muß der Pflichtteilsberechtigte schon für den Wertermittlungsanspruch darlegen und beweisen, daß unter Berücksichtigung von Leistung und Gegenleistung eine zumindest gemischte Schenkung vorliegt (BGHZ 89, 24, 29 f., 32; - NJW 1986, 127 unter I 3; MünchKomm/Frank § 2314 Rdn. 12 m.w.N.; wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kosten dagegen selbst übernimmt, genügen greifbare Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung: - NJW 1993, 2737 unter I 1).

b) Für die Frage, ob das Grundstück, das die Erblasserin der Beklagten übertragen hat, als eine zumindest gemischte Schenkung zum fiktiven, der Pflichtteilsergänzung unterliegenden Nachlaß gehört, kommt es auf die Wertverhältnisse beim Vollzug des Vertrages an (BGHZ 147, 95, 98; Senatsbeschluß vom - IV ZA 3/94 - ZEV 1995, 335 = FamRZ 1995, 420). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die am vor dem Staatlichen Notariat beurkundete Übertragung des Grundstücks am durch Eintragung im Grundbuch vollzogen worden sei. Das hat das Berufungsgericht den Grundakten entnommen, die in der mündlichen Verhandlung zusammen mit den Vertretern der Parteien eingesehen wurden (GA II 251). Dabei hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daß das Grundbuchblatt im Zuge der Neufassung des Grundbuchs im Jahre 1993 durch eine kreuzförmige Durchstreichung unbrauchbar gemacht worden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich jedoch nicht um eine Rötung, wie sie in der Grundbuchverfügung in Fällen der Löschung von Rechten (zusätzlich neben dem nach § 46 GBO erforderlichen Löschungsvermerk) vorgesehen ist.

Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte hatte zwar den Vortrag in der Berufungsbegründung des Klägers, sie sei erst am ins Grundbuch eingetragen worden, in ihrer Berufungserwiderung nicht ausdrücklich bestritten. In einem Vermerk des Liegenschaftsdienstes auf der vom Kläger in erster Instanz vorgelegten Urkunde des notariellen Übertragungsvertrages wird als Datum der Eintragung ins Grundbuch aber der angegeben. Das Berufungsgericht hat daher die Grundakten mit Recht beigezogen und mit den Parteien erörtert (§ 139 ZPO). Daraufhin hat der Kläger seinen Antrag geändert und den als Datum des Vollzugs der Schenkung übernommen.

Danach kommt es für das Vorliegen einer Schenkung auf die Wertverhältnisse im Jahre 1985 an.

c) Lag damals ein entgeltliches Geschäft vor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschen Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein.

Um dagegen eine ergänzungspflichtige Schenkung im Sinne von §§ 2325 ff. BGB annehmen zu können, bedarf es zunächst objektiv einer Bereicherung des einen Vertragspartners (zu übernommenen Lasten und Gegenleistungen vgl. BGHZ 107, 156, 159 ff.; - NJW 1999, 1626 unter I 2 b). Dabei sind sowohl das Grundstück als auch das Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht der Erblasserin nach den Verhältnissen in der DDR im Jahre 1985 zu bewerten. Daß eine Schenkung schon deshalb ausscheide, weil ein solches Rechtsgeschäft nach § 282 Abs. 2 ZGB nicht von einer Bedingung oder einer Auflage abhängig gemacht werden konnte, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts für die hier in Rede stehende Anwendung von § 2325 BGB nicht entscheidend. Auch wenn ein Rechtsgeschäft keine Gegenleistung im Rechtssinne vorsieht, die Zuwendung aber Geschäftsgrundlage für gleichwertige Leistungen des Empfängers ist, kann Entgeltlichkeit vorliegen (sog. kausale Verknüpfung, vgl. MünchKomm/Kollhosser, BGB 3. Aufl. § 516 Rdn. 16).

Unentbehrlich für die Annahme einer Schenkung ist eine dahingehende Einigung der Parteien (BGHZ 116, 178, 181). Wie das Landgericht mit Recht feststellt, bietet die notarielle Urkunde vom dafür keinen Anhalt. Die Einigung über eine zumindest teilweise Unentgeltlichkeit wird jedoch vermutet, wenn zwischen den Leistungen der einen und der anderen Seite objektiv ein auffälliges, grobes Mißverhältnis besteht, das den Vertragsschließenden nicht verborgen geblieben sein kann; dabei ist allerdings unter Verwandten zu berücksichtigen, daß sie den ohnehin nur abzuschätzenden Wert ihrer Leistungen kaum je exakt kalkulieren; deshalb ist für die einzelnen Leistungen von Werten auszugehen, die bei verständiger, die konkreten Umstände berücksichtigender Beurteilung noch als vertretbar gelten können ( IVa ZR 132/80 - NJW 1981, 2458 unter I; Urteil vom - IVa ZR 338/87 - LM BGB § 2325 Nr. 23 unter 2 und 3; Urteil vom - IV ZR 36/94 - NJW 1995, 1349 unter 3 b). Obwohl der Kläger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für eine der Pflichtteilsergänzung unterliegende Schenkung trägt, hat die an dem Rechtsgeschäft unmittelbar beteiligte Beklagte zunächst die seinerzeit für die Bewertung maßgebenden Vorstellungen der Beteiligten vorzutragen (vgl. - ZEV 1996, 186 unter 2 b bb m.w.N.).

d) Falls das Geschäft schon damals jedenfalls zum Teil unentgeltlich war, weil der Beklagten voraussichtlich auch nach dem Tod der Mutter noch etwas von dem zugewandten Wert übrig blieb, kommt es für § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB nur auf diesen, aus der Sicht des Jahres 1985 und nach den damals in der DDR maßgebenden Verhältnissen zu bewertenden Anteil an (vgl. BGHZ 118, 49 ff.; 125, 395, 397).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
YAAAB-99229

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein