Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 179; BGB § 179 Abs. 1; BGB § 179 Abs. 3
Instanzenzug: OLG Dresden
Tatbestand
Der Beklagte war zunächst Geschäftsführer der B. GmbH (im folgenden B. ). Deren Liquidation unter Bestellung eines Dr. Z. zum Liquidator wurde am ins Handelsregister eingetragen und am 15., 16. und im Bundesanzeiger bekanntgemacht.
Am unterzeichneten der Kläger und für die B. der Beklagte einen Vertrag, wonach der Kläger für 309.991,30 DM Leichtmetallkisten fertigen sollte. Die Zahlungsklage des Klägers gegen die B. blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Dresden wies sie ab, weil zwischen dem Kläger und der B. kein Vertrag zustande gekommen sei; da der Liquidator den Vertrag nicht genehmigt habe, habe der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt.
Wegen der ihm in diesem Prozeß entstandenen Kosten nimmt der Kläger nunmehr den Beklagten in Anspruch. Das Landgericht hat diese Klage abgewiesen, weil die Haftung des Beklagten gemäß § 179 Abs. 1 BGB nach § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sei und auch eine Haftung des Beklagten aus c.i.c. nicht in Betracht komme. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Der Kläger verfolgt deshalb sein Zahlungsbegehren mit der Revision weiter.
Der Beklagte, der behauptet hat, mit Vertretungsmacht gehandelt zu haben, und außerdem die Einrede der Verjährung erhoben hat, tritt diesem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
Die zugelassene und auch im übrigen zulässige Revision des Klägers hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Beide Vorinstanzen haben die Klage, soweit sie auf § 179 BGB gestützt ist, ohne weitere Sachaufklärung abgewiesen, weil eine Haftung des Beklagten als vollmachtloser Vertreter nach § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sei. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt: Ein Kaufmann handele grundsätzlich fahrlässig, wenn er sich über die im Handelsregister eingetragenen und ordnungsgemäß bekanntgemachten Rechtsverhältnisse des Geschäftspartners nicht erkundige. Hätte der Kläger vor der Unterzeichnung des schriftlichen Vertrags am Einblick in das Handelsregister genommen, hätte er erkannt, daß sich die B. bereits sei geraumer Zeit in Liquidation befunden habe und der Beklagte nicht zum Liquidator bestellt gewesen sei. Dies hätte ihn veranlassen müssen, sich beim Liquidator über den Bestand und den Umfang der Vertretungsmacht des Beklagten zu erkundigen, und zu der Erkenntnis geführt, daß der Beklagte nicht zur Vertretung der B. berechtigt sei.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben nicht, daß der Kläger den Sorgfaltsanforderungen nicht genügt hat, die an ihn beim Abschluß des Vertrags vom zu stellen waren. Dabei kann für die revisionsrechtliche Überprüfung mit den Vorinstanzen davon ausgegangen werden, daß der Kläger sich die Handelsregistereintragung und -bekanntmachung des Liquidationsbeschlusses und der Bestellung einer dritten Person zum Liquidator entgegenhalten lassen muß (vgl. § 15 Abs. 2 HGB).
a) § 179 Abs. 1 BGB ordnet eine Garantiehaftung an, die dem Vertreter ohne nachgewiesene Vertretungsmacht das verschuldensunabhängige Risiko auferlegt, seine - zumindest stillschweigend erfolgte - Erklärung, er habe die für den abgeschlossenen Vertrag erforderliche Vertretungsmacht, sei richtig (z.B. , NJW 2000, 1407). Das hat zur Folge, daß der Vertragsgegner grundsätzlich auf die behauptete Vertretungsmacht vertrauen darf (z.B. BGHZ 147, 381). Der Vorwurf fahrlässiger Unkenntnis des Mangels der Vertretungsmacht, die nach § 179 Abs. 3 BGB die Haftung des vollmachtlosen Vertreters entfallen läßt (BGHZ 147, 381), kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Vertragsgegner beim Vertragsschluß (MünchKomm./Schramm, BGB, 3. Aufl., § 179 Rdn. 36) entweder tatsächlich Zweifel an dem Bestand oder dem notwendigen Umfang der erforderlichen Vertretungsmacht hatte oder es jedenfalls erkennbare Umstände gab, die ihn insoweit hätten zweifeln lassen müssen. Ein Vertrauen des Vertragsgegners auf die behauptete Vertretungsmacht ist dann nicht mehr schutzwürdig (BGHZ 147, 381); erst wenn auch zumutbare Nachforschungen nicht zu einer Aufklärung geführt hätten, kann wieder etwas anderes gelten.
b) Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht herangezogenen Sachverhalts beantwortet sich die Frage des Ausschlusses einer Vertreterhaftung des Beklagten deshalb danach, ob die im Handelsregister ausgewiesenen und bekanntgemachten Umstände der Überführung der B. in eine Abwicklungsgesellschaft und des in der Bestellung einer anderen Person als Liquidator liegenden Wegfalls der Befugnis des Beklagten, als gesetzlicher Vertreter für die B. zu handeln, jeweils für sich oder zusammen Bedenken begründen mußten, ob der Beklagte zum Abschluß des Vertrags vom bevollmächtigt sei.
c) Gründe hierfür gibt das angefochtene Urteil nicht an. Sie ergeben sich auch nicht etwa ohne weiteres. Da nichts dazu festgestellt ist, daß der Beklagte sich bei Unterzeichnung des Vertrags vom als Geschäftsführer der B. geriert habe, kann nicht zugrunde gelegt werden, der Kläger habe davon ausgehen müssen, der Beklagte habe den Vertrag in gesetzlicher Vertretung der Gesellschaft abgeschlossen. Angesichts des eingangs erwähnten Grundsatzes ist deshalb die Annahme einer fallbezogenen rechtsgeschäftlichen Abschlußvollmacht zugunsten des Beklagten nicht ausgeschlossen. Deren Existenz unterliegt nicht bereits deshalb Zweifeln, weil die Befugnis, als gesetzlicher Vertreter zu handeln, zuvor weggefallen ist. Ebenso wie die Tatsache, daß einer bestimmten Person Vertretungsmacht eingeräumt worden ist, die zusätzliche Bevollmächtigung eines Dritten und den Glauben des Vertragspartners hieran nicht ausschließt (vgl. , WM 1985, 1481), hindert der Übergang der gesetzlichen Vertretung auf einen Dritten nicht, dem bisherigen gesetzlichen Vertreter weiterhin Geschäfte im Namen der Gesellschaft zu erlauben. Daran ändert im Streitfall auch der Umstand nichts, daß der Wegfall der gesetzlichen Vertretung durch den Beklagten im Zusammenhang mit dem Beschluß stand, die Gesellschaft zu liquidieren. Auch die Abwicklung einer Gesellschaft kann es angezeigt sein lassen, anderen Personen Abschlußvollmacht zu erteilen. Weder die Liquidation der B. noch der Wechsel in der Geschäftsführung für sich noch beide Umstände zusammen mußten deshalb den Kläger an einer ausreichenden Bevollmächtigung des Beklagten zum Abschluß des am unterzeichneten Vertrags zweifeln lassen.
d) Die für die Anwendung des § 179 Abs. 3 BGB erforderliche fahrlässige Unkenntnis des Beklagten vom Fehlen der erforderlichen Vollmacht kann auch nicht aus der ergänzenden Feststellung des Landgerichts hergeleitet werden, bei dem Vertrag vom habe es sich nicht um ein Alltagsgeschäft, sondern um einen Auftrag mit erheblichem Volumen gehandelt; außerdem sei der Kläger vorher noch nicht Geschäftspartner der B. gewesen.
Denn das Gesetz nimmt von der im Interesse der Verkehrssicherheit in § 179 BGB geregelten Vertrauenshaftung (, NJW 2000, 1407) weder erstmalige Geschäfte noch solche von wirtschaftlichem Gewicht aus. Auch beim Abschluß derartiger Verträge darf grundsätzlich darauf vertraut werden, daß der als Vertreter Handelnde die für die Vornahme des Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht hat. Die für die Anwendung des § 179 Abs. 3 BGB notwendigen Zweifel müssen sich mithin aus anderen Umständen ergeben.
3. Das angefochtene Urteil kann nach allem keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil noch Tatsachenfeststellungen zu treffen sind.
Was § 179 Abs. 3 BGB anbelangt, wird das Berufungsgericht den Sachvortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (MünchKomm./Schramm, BGB, 3. Aufl., § 179 Rdn. 39) und das unstreitige Vorbringen der Parteien daraufhin zu überprüfen haben, welche Umstände sich ihm noch entnehmen lassen und ob diese für sich oder im Zusammenhang mit den erörterten den Kläger hätten veranlassen müssen, sich vor Abschluß des Vertrags vom danach zu erkundigen, ob der Beklagte die erforderliche Vertretungsmacht tatsächlich hatte.
Bei oder als Folge dieser Würdigung wird das Berufungsgericht auch zu erwägen haben, ob es sich wegen des Vorbringens des Klägers, schon seit August 1993, als der Beklagte noch Geschäftsführer der B. war, mit diesem wegen des dann am abgeschlossenen Geschäfts verhandelt zu haben, im Streitfall ausnahmsweise verbietet, auf die erst nach August 1993 erfolgten Handelsregistereintragungen abzustellen. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung, daß das Vorhandensein einer ständigen Geschäftsverbindung in der Regel genügt, um die Berufung auf Veränderungen im Handelsregister als rechtsmißbräuchlich erscheinen zu lassen, wenn der Geschäftspartner auf die veränderten Verhältnisse nicht hingewiesen worden ist (, MDR 1978, 210; Urt. v. - II ZR 211/74, WM 1976, 1084), gibt Veranlassung zu Überlegungen, ob die behaupteten dauernden Vertragsverhandlungen im Streitfall nicht auch eine Situation geschaffen haben, die der einer festen Geschäftsbeziehung vergleichbar ist, und ob es deshalb nicht nach Treu und Glauben Sache des Beklagten gewesen wäre, den Kläger über die Vertretungsverhältnisse aufzuklären.
Sollte der für die Anwendung des § 179 Abs. 3 BGB erforderliche Sachverhalt nicht festgestellt werden können, wird der Behauptung des Beklagten, er habe mit Vertretungsmacht gehandelt, und - bei Nichterweislichkeit dieser Behauptung - der Verjährungseinrede des Beklagten nachzugehen sein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-04846
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein