BGH Urteil v. - IV ZR 293/05

Leitsatz

[1] Die Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten ist dahin zu verstehen, dass der Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt; darin liegt ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den Versicherer wie den Versicherungsnehmer verpflichtendes deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten.

Gesetze: AHaftpflichtVB (AHB) § 5 Nr. 7

Instanzenzug: LG Kiel, 2 O 431/03 vom OLG Schleswig, 7 U 9/05 vom

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Generalagenten der C.

(im Folgenden: C. ), auf Zahlung von 27.435,37 € wegen einer namens dieses Versicherers ohne Vollmacht erteilten Regulierungszusage in Anspruch. Der bei der C. haftpflichtversicherte Bauhandwerker B. hatte im Mai 1999 bei Dachdeckerarbeiten am Bauvorhaben des Klägers einen Wasserschaden verursacht, den er der C. über den Beklagten meldete.

Im Vorprozess nahm der Kläger den Versicherungsnehmer und die C. auf Schadensersatz in Anspruch. Der inzwischen vermögenslose Versicherungsnehmer ist rechtskräftig zur Zahlung von 53.659,99 DM verurteilt worden. Den Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer begründete der Kläger zunächst damit, der Beklagte habe ihm bei einer Baustellenbesichtigung zugesagt, die C. übernehme die Kosten für die Beseitigung des Schadens und das Sachverständigengutachten. Insoweit wurde die Klage wegen nicht nachgewiesener Vertretungsmacht abgewiesen. Die während des Berufungsverfahrens vorgenommene Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers führte ebenfalls nicht zum Erfolg, weil die Betriebshaftpflichtversicherung sich nur auf Anstrich- und Malerarbeiten bezog, nicht aber auf Dachdeckerarbeiten.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen der behaupteten als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebenen Regulierungszusage nach § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung in Anspruch, hilfsweise aus culpa in contrahendo. Im Vertrauen auf die Regulierungszusage habe er den Sachverständigen beauftragt, wodurch Kosten in Höhe von 1.961,50 € entstanden seien, und Werklohnforderungen des Bauhandwerkers B. in Höhe von 19.429,09 € bezahlt, statt dagegen mit seiner Schadensersatzforderung aufzurechnen.

Das Landgericht hat den Beklagten zum Ersatz des Vertrauensschadens in Höhe von 21.390,59 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er den Anspruch in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hat den Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB abgelehnt, weil es sich bei der behaupteten Regulierungszusage um ein selbständiges Schuldversprechen gehandelt hätte, das mangels der nach § 780 Satz 1 BGB erforderlichen Schriftform gemäß § 125 BGB nichtig wäre. Ein lediglich deklaratorisches Schuldanerkenntnis hätte darin nicht gelegen. Dieses hätte vorausgesetzt, das ein direkter Zahlungsanspruch des Klägers gegen den Haftpflichtversicherer dem Grunde nach bestanden hätte, den man nur noch einmal habe bestätigen wollen. Ein solcher Direktanspruch bestehe außerhalb des Kfz-Bereichs nicht. Eine Eigenhaftung des Beklagten aus culpa in contrahendo scheide aus, weil er kein besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen habe.

II. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht (wie schon das Landgericht) die Haftung des Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgelehnt hat, ist rechtsfehlerhaft. Im Ansatz nimmt das Berufungsgericht zwar zutreffend an, dass die Garantiehaftung aus § 179 Abs. 1 BGB nicht eingreift, wenn der Vertrag aus anderen Gründen nichtig ist, hier wegen Formnichtigkeit nach §§ 780, 781 i.V. mit § 125 BGB (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. § 179 BGB Rdn. 2; Erman/Palm, 12. Aufl. § 179 BGB Rdn. 5; Staudinger/Schilken, BGB [2004] § 179 Rdn. 9; RGRK/Steffen, 12. Aufl. § 179 BGB Rdn. 4; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. II, Das Rechtsgeschäft 3. Aufl. § 47 3a S. 804 f.). Das behauptete und revisionsrechtlich zu unterstellende Anerkenntnis wäre aber bei vorhandener Vertretungsmacht aus zwei Gründen formlos wirksam gewesen.

1. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die Formvorschrift der §§ 780, 781 BGB für die C. als Versicherungsverein a.G. nicht gilt (§ 350 HGB i.V. mit § 16 Satz 1 VAG). Entgegen der Revisionserwiderung handelt es sich nicht um nach § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossenes Vorbringen, sondern um schlichte Rechtsanwendung. Es geht auch nicht darum, ob sich der Beklagte selbst nach § 350 HGB mündlich wirksam hätte verpflichten können, sondern darum, dass er bei bestehender Vertretungsmacht die C. wirksam verpflichtet hätte.

2. Davon abgesehen beruht die Annahme des Oberlandesgerichts, es hätte kein - formlos gültiges - deklaratorisches Anerkenntnis vorgelegen, auf einem fehlerhaften Verständnis der rechtlichen Grundlagen der Haftpflichtversicherung. Die Regulierungszusage eines Haftpflichtversicherers gegenüber dem von seinem Versicherungsnehmer geschädigten Dritten ist kein abstraktes (konstitutives) Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis. Ein solches liegt nur vor, wenn die übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll ( - NJW 2008, 1589 Tz. 15). Das ist bei einer Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten nicht der Fall. Sie hat ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Grund zum einen in dem Haftpflichtverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten und zum anderen im Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer. Der Haftpflichtversicherer ist - auch bei fehlendem Direktanspruch - aufgrund der uneingeschränkten Verhandlungsvollmacht des Versicherungsnehmers aus § 5 Nr. 7 AHB in der Praxis regelmäßig der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten; dieser soll sich auf das Wort des Versicherers verlassen können, ohne von sich aus nachforschen zu müssen, ob der Versicherer seinem Versicherungsnehmer, dem Schädiger, gegenüber (teilweise) leistungsfrei ist (BGHZ 169, 232, 237 f; 113, 62, 65 f.; - VersR 2003, 1547 unter 2 b aa, bb). Aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten ist die ihm erteilte Regulierungszusage deshalb dahin zu verstehen, dass der Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt. Darin liegt ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den Versicherer wie den Versicherungsnehmer verpflichtendes deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten (vgl. BGHZ 113 aaO; - VersR 1965, 1153 unter II 1; Späte, Haftpflichtversicherung § 5 AHB Rdn. 65; Littbarski, AHB § 5 Rdn. 143; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 156 VVG Rdn. 12 und § 5 AHB Rdn. 31; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 156 Rdn. 14). Jedenfalls kann sich der Versicherer, der den Haftpflichtanspruch namens des Versicherungsnehmers anerkannt hat, dem Geschädigten gegenüber nicht auf ihm bis dahin bekannte Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis berufen. Entgegen der Ansicht des Beklagten hätte die C. sich nicht darauf berufen können, Dachdeckerarbeiten seien vom Versicherungsschutz nicht umfasst gewesen. Denn der Umfang des Versicherungsschutzes ist dem Versicherer bekannt.

III. Die Sache ist zurückzuverweisen, weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann. Da die Anschlussberufung des Klägers nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der ab geltenden Fassung (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 12/07 - VersR 2008, 375 unter 2 b) wirksam eingelegt worden ist, ist der vom Landgericht abgewiesene Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB nach wie vor Streitgegenstand.

1. Das revisionsrechtlich zu unterstellende deklaratorische Anerkenntnis dem Grunde nach ist ein Vertrag (vgl. - NJW-RR 2007, 530 Tz. 8 und vom - VII ZR 215/93 - NJW 1995, 960 unter II 2 g), durch den die Ungewissheit über die Eintrittspflicht der C. beseitigt werden sollte. Da der Beklagte hierfür keine Vertretungsmacht hatte, würde er aus § 179 Abs. 1 BGB haften. Das Landgericht hat eine Regulierungszusage als bewiesen angesehen, dem Kläger aus - nicht zutreffenden - Rechtsgründen allerdings nur aus culpa in contrahendo den durch die versäumte Aufrechnung und das Sachverständigengutachten entstandenen Vertrauensschaden zugesprochen. Der Beklagte hat die Beweiswürdigung mit der Berufung angegriffen.

2. Der vom Beklagten in den Vorinstanzen und mit der Revisionserwiderung geltend gemachte Haftungsausschluss nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB lässt sich ebenfalls nicht abschließend beurteilen (vgl. dazu - NJW-RR 2005, 268 unter 2 a, d, 3; BGHZ 147, 381; - NJW 2000, 1407 unter II und vom - II ZR 16/89 - NJW 1990, 387 unter I 2; BGHZ 105, 283, 285 f.).

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2009 S. 273
StC 2010 S. 27 Nr. 7
UAAAD-02294

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja