BGH Urteil v. - VIII ZR 192/03

Leitsatz

[1] Übersteigt die in einem Mieterhöhungsverlangen angegebene und der Berechnung zugrunde gelegte Wohnfläche die tatsächliche Wohnfläche, so kann der Mieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung die Rückzahlung der in der Folgezeit aufgrund der fehlerhaften Berechnung überzahlten Miete verlangen, wenn die Abweichung der tatsächlichen von der angegebenen Wohnfläche mehr als 10 % beträgt (im Anschluß an Senatsurteil vom - VIII ZR 295/03, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Gesetze: BGB § 242 Ba; BGB § 812 Abs. 1; MHG § 2

Instanzenzug: AG Hamburg

Tatbestand

Der Beklagte vermietete der Klägerin ab dem eine 3-Zimmer-Wohnung in H. , U. straße . Die Größe der Wohnfläche ist im Mietvertrag nicht angegeben. Die Netto-Kaltmiete betrug ursprünglich 400 DM; sie wurde in der Folgezeit mehrfach erhöht.

Mit Schreiben vom verlangte der Beklagte unter Berufung auf den örtlichen Mietspiegel die Zustimmung der Klägerin zur Erhöhung der monatlichen Miete von 988,65 DM auf 1.081,- DM. Dabei waren die ortsübliche Nettokaltmiete mit 10,81 DM/m2 und die Wohnungsgröße mit 100 m2 aufgeführt. Die Klägerin stimmte dem Verlangen zu und entrichtete ab dem die erhöhte Miete. Mit Schreiben vom forderte der Beklagte - wiederum unter Bezugnahme auf den Mietspiegel und Zugrundelegung einer Wohnungsgröße von 100 m2 - die Zustimmung der Klägerin zu einer Mieterhöhung auf 12,06 DM/m2. Die Klägerin erteilte abermals ihre Zustimmung und zahlte ab dem eine Nettomiete von 1.206,- DM pro Monat.

Entgegen den Angaben in den beiden Mieterhöhungsverlangen ist die von der Klägerin angemietete Wohnung nicht 100 m2, sondern nur 87,63 m2 groß. Dies wurde der Klägerin erst nachträglich bekannt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung des ihrer Ansicht nach zuviel gezahlten Mietzinses für die Zeit vom bis in Höhe von umgerechnet 3.663,02 €; seit Februar 2001 entrichtet sie nur noch eine der tatsächlichen Wohnfläche entsprechende niedrigere Miete. Die Klägerin ist der Auffassung, ausschlaggebend für die Berechnung der geschuldeten Miete sei die geringere tatsächliche Wohnfläche, so daß sich unter Berücksichtigung der ortsüblichen Miete von 10,81 DM/m2 bis Februar 1998 und von 12,06 DM/m2 ab dem sowie unter Anrechnung eines Mietrückstandes von 237,76 DM der eingeklagte Betrag ergebe. Die am bei Gericht eingegangene Klage ist dem Beklagten am zugestellt worden. Der Beklagte macht mit seiner Widerklage unter anderem behauptete weitere Mietrückstände für die Zeit von Februar 2001 bis Mai 2002 geltend. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsansprüche für 1997 hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 3.505,22 € nebst Zinsen stattgegeben und festgestellt, daß der Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrages von 237,76 DM in der Hauptsache erledigt ist. Auf die Widerklage, mit der der Beklagte einen Betrag von 1.130,89 €, im wesentlichen für rückständige Miete für die Monate Februar 2001 bis Mai 2002, begehrt hat, hat das Amtsgericht die Klägerin zur Zahlung von 135,40 € nebst Zinsen verurteilt. Im übrigen hat das Amtsgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren zu Klage und Widerklage weiter.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Die Parteien seien bei der Berechnung der Mieterhöhung einem gemeinschaftlichen Kalkulationsirrtum unterlegen. Aufgrund der Berücksichtigung einer zu großen Wohnfläche seien sie zu einem Ergebnis gekommen, das sie in Kenntnis der wahren Grundlage nicht vereinbart hätten. Die Berechnung sei deshalb nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen und zu berichtigen, da die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sei. Bei der hier gegebenen Abweichung der Wohnfläche von 12,37 m2 sei es gerechtfertigt, die Miete - auch rückwirkend - der tatsächlichen Wohnungsgröße anzupassen. Dies sei für den Beklagten nicht unzumutbar, da er im Ergebnis das behalte, was er bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche verlangt und bekommen hätte.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand, so daß die Revision des Beklagten teilweise Erfolg hat.

Der Klägerin steht zwar gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) ein Anspruch auf Rückzahlung wegen zuviel gezahlter Miete zu; dieser Anspruch ist jedoch nur in Höhe von 2.764,04 € begründet. Der Beklagte kann über die ihm auf die Widerklage zuerkannten Beträge von 135,40 € hinaus keine Ansprüche gegen die Klägerin geltend machen. Die Klägerin hat die Miete rechtsgrundlos gezahlt, soweit die in den Mieterhöhungsverlangen des Beklagten vom und vom angegebene Wohnfläche die tatsächliche Wohnungsgröße übersteigt und die Klägerin die Miete in der Folgezeit aufgrund der fehlerhaften Berechnung der Fläche entrichtet hat.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß bei der Angabe einer zu großen Wohnfläche als Grundlage für die Berechnung der ortsüblichen Miete in einem Mieterhöhungsverlangen gemäß § 2 MHG, der hier noch anwendbar ist (Art. 229 § 3 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB), nicht die im Erhöhungsverlangen zugrunde gelegte Wohnfläche, sondern die tatsächliche, geringere Größe der Wohnung maßgeblich ist, wenn es sich um eine erhebliche, nämlich, wie der Senat entschieden hat, um eine Abweichung von mehr als 10 % handelt (Senatsurteil vom - VIII ZR 295/03, zur Veröffentlichung bestimmt, zur Frage der Mietminderung bei einer im Mietvertrag angegebenen falschen Wohnungsgröße). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die unzutreffende Flächenangabe bereits im Mietvertrag enthalten ist und die fehlerhaften Daten unverändert in einem Mieterhöhungsverlangen verwendet werden (vgl. OLG Hamburg, WuM 2000, 348; Schultz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rdnr. 523; Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 62; Sternel, Mietrecht Aktuell, 5. Aufl., Rdnr. 593; Staudinger/Emmerich (1997) Art. 3 WKSchG II § 2 MHRG Rdnr. 70). Dieselben Grundsätze sind aber auch für den Fall heranzuziehen, daß - wie hier - im Mietvertrag eine bestimmte Wohnfläche nicht aufgeführt ist. § 2 MHG (jetzt: § 558 BGB) soll es dem Vermieter ermöglichen, eine am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Wird der Berechnung eine zu große Wohnfläche zugrunde gelegt, so könnte der Vermieter damit einen Mietzins erzielen, der über der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen läge. Dies soll durch die Vorschrift gerade verhindert werden.

2. Dabei kann dahinstehen, ob ein Mieterhöhungsverlangen, das irrtümlich eine zu große Wohnfläche angibt, bereits formell unwirksam ist.

a) Geht man von einer formellen Wirksamkeit des Verlangens aus (vgl. für den Fall der Überschreitung der im Mietspiegel angegebenen Mietzinsspanne Senatsurteil vom - VIII ZR 52/03, NJW 2004, 1379) und stimmt der Mieter diesem Verlangen in Unkenntnis der wahren Wohnungsgröße zu, so unterliegen die Parteien einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum, der nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu behandeln ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 191/72, WM 1973, 677 unter IV 2; LG Hamburg, NZM 2000, 1121; für die Neufassung des § 557 BGB ebenso Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 557 BGB Rdnr. 68). Eine Anpassung der getroffenen Vereinbarung ist hier geboten, da die angegebene Wohnfläche von 100 m2, nach der die verlangte Miete berechnet wurde, und die tatsächliche Größe von 87,63 m2 um mehr als 10 % voneinander abweichen (vgl. Senatsurteil vom aaO unter II 2). Eine derartige Abweichung ist in aller Regel als Mangel im Sinne des § 537 BGB a.F. (jetzt: § 536 BGB) anzusehen, ohne daß der Mieter darüber hinaus eine Minderung der Tauglichkeit der Wohnung zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch darlegen muß (Senatsurteil vom aaO unter II 2 b). In diesem Fall ist dem Mieter das Festhalten an der Vereinbarung nicht zumutbar, während dem Vermieter ein Abgehen von dem Vereinbarten angesonnen werden kann (, NJW 1995, 1425 unter II 2 e). Zwar kommt bei Dauerschuldverhältnissen eine Anpassung regelmäßig nur für die Zukunft in Betracht (BGHZ 58, 355, 363). Hier ist jedoch ausnahmsweise eine Rückwirkung geboten, da die Geschäftsgrundlage bereits im Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens vom unrichtig war (Senat, Urteil vom - VIII ZR 119/92, NJW 1994, 576 unter II 1). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß schützenswerte Interessen des Beklagten einer rückwirkenden Anpassung nicht entgegenstehen. Die zuverlässige Ermittlung der tatsächlichen Wohnungsgröße ist grundsätzlich Aufgabe des Vermieters. Er hat deshalb das Risiko einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag in einem Mieterhöhungsverlangen oder einer Betriebskostenabrechnung zu tragen. Der Mieter braucht sich daher nicht an einer Mieterhöhungsvereinbarung festhalten zu lassen, die er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Vermieters über die Größe der Wohnung geschlossen hat und die - würde sie nicht korrigiert werden - letztlich zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Vermieters aufgrund einer deutlich überhöhten Miete führen würde.

Eine Anpassung des Mietzinses nach § 242 BGB ist anhand der tatsächlichen Wohnungsgröße und des in dem Mieterhöhungsverlangen des Beklagten angegebenen Mietpreises pro Quadratmeter vorzunehmen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann dies jedoch im vorliegenden Fall nicht dazu führen, daß für die Zeit von Januar 1997 bis einschließlich Februar 1998 die so ermittelte ortsübliche Miete hinter dem bisher vereinbarten und gezahlten Mietzins von 988,65 DM zurückbleibt. Ist ein Mieterhöhungsverlangen wirksam, so widerspricht es in der Regel Treu und Glauben, wenn aufgrund einer Anpassung des Vertrages rückwirkend die zuvor geschuldete und von keiner Vertragspartei angegriffene Miete herabgesetzt werden würde. Der Mietzins ist damit für die Zeit von Januar 1997 bis einschließlich Februar 1998 auf 988,65 DM zu verringern, für den darauffolgenden Zeitraum von März 1998 bis Januar 2001 mit dem Berufungsgericht auf 1.056,82 DM.

b) Ist das Mieterhöhungsverlangen des Beklagten aufgrund der Angabe einer falschen Wohnfläche dagegen schon als formell unwirksam anzusehen, so ist zwischen den Parteien weder im Jahr 1994 noch im Jahr 1997 eine Mieterhöhung nach § 2 MHG wirksam vereinbart worden. Auch in diesem Fall betrug die geschuldete Miete 988,65 DM für die Zeit von Januar 1997 bis einschließlich Februar 1998, für die darauffolgende Zeit jedenfalls nicht mehr als die von der Klägerin zugestandenen 1.056,82 DM. Dies gilt auch dann, wenn man in dem Mieterhöhungsverlangen - dessen formelle Unwirksamkeit unterstellt - und der anschließenden vorbehaltlosen Zustimmung eine nach § 10 Abs. 1 2. Halbs. MHG wirksame Vereinbarung über eine Mieterhöhung sieht (Senat, Urteil vom - VIII ZR 373/96, NJW 1998, 445 unter II 1 c). Eine solche Vereinbarung wäre wiederum aufgrund eines gemeinsamen Kalkulationsirrtums zustande gekommen, so daß der Mietzins gemäß den obigen Ausführungen anzupassen wäre.

3. Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung des Mietzinses für das Jahr 1997 sind jedoch verjährt. Zwar enthält das Berufungsurteil hierzu keine Ausführungen. Da weiterer Sachvortrag der Parteien jedoch nicht zu erwarten ist, kann der Senat die erforderlichen Feststellungen selbst treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung regelmäßig wiederkehrender Leistungen wie der Miete unterliegen der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F., der hier noch anwendbar ist (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB). Danach sind Rückzahlungsansprüche für die im Jahr 1997 gezahlte Miete, da eine Unterbrechung oder Hemmung nicht eingetreten ist, mit Ablauf des verjährt.

Die am eingereichte, aber erst am zugestellte Klage hat den Eintritt der Verjährung mit Ablauf des nicht gehindert. Zwar tritt gemäß § 167 ZPO, § 270 Abs. 1 ZPO a.F. die Hemmung beziehungsweise Unterbrechung bereits mit Eingang der Klage ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Fristüberschreitung von 29 Tagen war aber nicht mehr so geringfügig, daß sie auch bei Verschulden der Klägerin unschädlich gewesen wäre. Als geringfügig in diesem Sinne wird eine Verzögerung von 12 bis 14 Tagen, jedoch nicht von vier Wochen angesehen (Senatsurteil vom - VIII ZR 31/83, NJW 1984, 242 unter 2 a). Im vorliegenden Fall ist die eingetretene Verzögerung von der Klägerin zu vertreten. In der Klageschrift war als Zustellungsadresse des Beklagten fälschlich die Anschrift der Hausverwaltung mit dem Zusatz "c/o" angegeben. Diese Zustellung scheiterte, da der Beklagte dort nicht anzutreffen war. Grundsätzlich muß sich die klagende Partei vergewissern, unter welcher Anschrift der Beklagte erreichbar ist. Reicht sie eine Klageschrift erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ein, muß sie besondere Sorgfalt darauf verwenden, daß die Anschrift auch zutrifft (, NJW 1971, 891 unter 4 b). Dies hat die Klägerin versäumt. Hinzu kommt, daß sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bereits vorprozessual mit Schreiben vom als zustellungsbevollmächtigt für eine eventuelle Klage angegeben hatte, so daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bereits in der Klageschrift hätte benannt werden können.

4. Die Klägerin hat damit Rückzahlungsansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB nur für die im Zeitraum von Januar 1998 bis Januar 2001 überzahlte Miete. Ausgehend von Zahlungen in Höhe von 1.081 DM für die Monate Januar und Februar 1998 sowie einer geschuldeten monatlichen Miete von 988,65 DM errechnet sich eine Rückforderung von 92,35 DM monatlich und von 184,70 DM für zwei Monate. Für die Monate März 1998 bis Januar 2001 beliefen sich die monatlichen Zahlungen auf 1.206 DM, die geschuldete Miete auf nicht mehr als 1.056,82 DM. Damit bestehen Rückzahlungsansprüche von monatlich 149,18 DM, mithin für den Zeitraum von März 1998 bis Januar 2001 von 5.221,30 DM. Insgesamt stehen der Klägerin damit Bereicherungsansprüche in Höhe von 5.406,- DM oder umgerechnet 2.764,04 € zu.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die Widerklage des Beklagten über die zuerkannten Beträge von 50,52 € (Mietrückstände der Klägerin für die Monate Februar 2001 bis Mai 2002) und 84,88 € (Schadensersatz) keinen Erfolg hat, da die Klägerin eine mit der Widerklage verfolgte höhere Miete nicht schuldet.

III.

In dem Umfang, in dem die Revision begründet ist, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf, die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Soweit der Beklagte darüber hinaus Klageabweisung auch im übrigen begehrt und seine Widerklage weiterverfolgt, ist die Revision zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-04293

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein