BGH Beschluss v. - VIII ZB 77/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 520 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 520 Abs. 3; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2; ZPO § 234

Instanzenzug: LG Frankfurt am Main vom

Gründe

I.

Der Beklagte zu 1 ist durch Schlußurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom zur Räumung und Herausgabe seiner Wohnung an die Klägerin verurteilt worden. Nach Zustellung des Urteils am hat der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom , bei Gericht eingegangen am , Prozeßkostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Berufung eingereicht sowie eine Berufungsschrift im Entwurf mit darin enthaltener Begründung beigefügt. Nachdem durch dem Beklagten zu 1 Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt worden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und zugleich wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die ihm durch Beschluß vom gewährt wurde; in dem letztgenannten Beschluß ist der Beklagte zu 1 darauf hingewiesen worden, "daß damit nicht zugleich die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung mitentschieden ist, auch wenn die Berufungsbegründung in der Berufungsschrift enthalten ist". Nach Hinweis des Vorsitzenden vom , daß die Berufungsbegründungsfrist am abgelaufen und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gestellt worden sei, hat das die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen; gleichzeitig hat es den Antrag des Beklagten zu 1 vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, also bis zum begründet worden sei (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dem Beklagten zu 1 sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (gemeint: der Berufungsbegründungsfrist) zu gewähren, da der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden sei. Jedenfalls nachdem dem Beklagten zu 1 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt worden sei, hätte bis zum der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden müssen. Der Schriftsatz vom lasse sich nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auslegen, da zu diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Es habe auch kein Anlaß bestanden, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1, mit der er sein Berufungsbegehren weiterverfolgt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1 ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch sachlich begründet.

a) Zwar hat der Beklagte zu 1 die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Diese Frist begann mit Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils vom und endete damit am (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte zu 1 weder Berufung eingelegt noch eine solche begründet; mit Schriftsatz vom hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten zu 1 lediglich Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt und eine von ihm unterzeichnete "Berufungsschrift im Entwurf" vorgelegt.

b) Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch dem Beklagten zu 1 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.

Nachdem dem Beklagten zu 1 durch unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. Prozeßkostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt worden war, hat dieser mit Schriftsatz vom Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt sowie wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zugleich hat er den Antrag angekündigt, das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise dem Beklagten zu 1 eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren. Zur Begründung dieses Antrags ist auf die Schriftsätze des Beklagten zu 1 vom und im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren verwiesen worden. Damit hat der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom nicht nur Berufung eingelegt, sondern diese auch begründet. Es ist anerkannt, daß eine Berufungsbegründung, die nach § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO entweder bereits in der Berufungsschrift selbst oder in einem weiteren Schriftsatz beim Berufungsgericht einzureichen ist, auch dadurch erfolgen kann, daß auf andere, bereits früher eingereichte Schriftsätze Bezug genommen wird, die von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sind und inhaltlich den Anforderungen einer Berufungsbegründung genügen; dabei kann auch die Bezugnahme auf ein bereits bei den Akten befindliches Prozeßkostenhilfegesuch ausreichen. Da im allgemeinen keine Partei die mit der Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist anzunehmen, daß ein inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechendes Prozeßkostenhilfegesuch auch als Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers zu erkennen ist (vgl. IVb ZB 154/88, NJW-RR 1989, 184 unter II 2; , NJW-RR 1993, 1091 unter 2 b aa). Im gegebenen Fall hat der Beklagte zu 1 seinen Willen, seine Schriftsätze im Prozeßkostenhilfeverfahren in die Berufungsbegründung einzubeziehen, sogar ausdrücklich geäußert.

Hatte somit der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom die eingelegte Berufung zugleich begründet, war ihm entgegen der Ansicht des Landgerichts gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren, da der Grund der unverschuldeten Versäumung auch der Berufungsbegründungsfrist - nämlich seine Mittellosigkeit - offenkundig war (vgl. aaO). Daß der Beklagte zu 1 auf den nicht eindeutig zu verstehenden Hinweis des wonach "nicht zugleich über die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung mitentschieden" sei, insoweit nicht innerhalb der Frist des § 234 ZPO einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, ist daher unschädlich.

c) Auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, innerhalb welcher Frist eine versäumte Berufungsbegründung nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nachzuholen ist (, NJW 2003, 3275 ff.), kommt es daher nicht an.

III.

War danach dem Beklagten zu 1 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, ist der die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom verwerfende Beschluß des Landgerichts gegenstandslos (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 238 Rdnr. 3 m.w.Nachw.).

Fundstelle(n):
DAAAC-03895

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein