BGH Beschluss v. - VIII ZB 35/01

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 511 a Abs. 1; ZPO § 294; ZPO § 511 a; ZPO a.F. § 519 b Abs. 2; ZPO a.F. § 139; ZPO a.F. § 278 Abs. 3; HGB § 87 c Abs. 2; HGB § 87 a Abs. 3; HGB § 238 f; HGB § 87 c

Instanzenzug: OLG Karlsruhe

Gründe

I. Der Kläger, der für die Beklagte zu 1 aufgrund des Handelsvertretervertrages vom in Gebieten mit näher bezeichneten Postleitzahlen als Handelsvertreter tätig war, nimmt diese nach Beendigung des Vertragsverhältnisses im Wege der Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszuges, Zahlung sich daraus noch ergebender Provision sowie auf Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit des erstellten Buchauszuges an Eides Statt in Anspruch. Das Landgericht hat durch Teilurteil vom die Beklagte zu 1 verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte zu erteilen, die sie mit Kunden, die in den Postleitzahlgebieten 6, 7, 8, 9, 55 und 35300 bis 36999 ansässig sind, in der Zeit vom bis abgeschlossen hat; dabei soll der Buchauszug in Form einer übersichtlichen Aufstellung erteilt werden, die Namen und Anschrift des Kunden, Datum und Inhalt der Bestellung des Kunden, Datum, Nummer und Inhalt der Lieferung/Rechnung, Datum und Umfang der Zahlung des Kunden, Warenretouren und die Gründe, Provisionssatz sowie Provisionsbetrag in DM ohne Mehrwertsteuer enthalten soll.

Hiergegen hat die Beklagte zu 1 fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom begründet. Durch Beschluß vom hat das Oberlandesgericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet, eine Frist zum Eingang der Berufungsantwort bestimmt sowie der Beklagten zu 1 aufgegeben, die Beschwer "in Höhe der Berufungssumme glaubhaft zu machen (§ 511 a)". Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zu 1 laut Aktenvermerk vom telefonisch darauf hingewiesen worden war, daß eine Glaubhaftmachung nach §§ 511 a Abs. 1, 294 ZPO bisher nicht erfolgt sei, hat das die Berufung der Beklagten zu 1 als unzulässig verworfen und den Wert der Beschwer auf 1.000 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht, daß die in § 511 a ZPO bestimmte Berufungssumme überschritten sei. Substantiierter Vortrag zu dem Aufwand an Zeit und Kosten, der durch die Auskunftserteilung verursacht werde, fehle. Die pauschale Behauptung eines erheblichen Aufwands aufgrund der Notwendigkeit der Auswertung von 20.000 Rechnungen, der vom Kläger bestritten worden sei, genüge zur Darlegung nicht; zudem sei dieser Vortrag nicht glaubhaft gemacht worden. Im Hinblick auf die Buchführungspflichten der Beklagten zu 1 könne auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Erteilung des Buchauszuges auf jeden Fall einen die Berufungssumme übersteigenden Aufwand verursachen werde, da sich die zur Erteilung der Auskunft erforderlichen Daten den Büchern in der Regel unschwer entnehmen lassen müßten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1.

II. Das zulässige Rechtsmittel (§ 519 b Abs. 2 ZPO a.F.) hatte in der Sache Erfolg.

1. Der Wert der Beschwer im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges nach § 87 c Abs. 2 HGB bemißt sich, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert (Senat, Beschluß vom - VIII ZB 27/94, NJW-RR 1994, 1271 unter II 1; Senat, Beschluß vom - VIII ZR 232/97, WM 1998, 1463 unter II).

2. Zwar kann die Entscheidung des Berufungsgerichts nur darauf überprüft werden, ob es bei der Schätzung des Werts des Beschwerdegegenstandes von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat; ist dies nicht der Fall, so kann die sofortige Beschwerde nach § 519 b Abs. 2 ZPO a.F. auf neue Tatsachen gestützt werden, die für die Festsetzung des Beschwerdewerts von Bedeutung sind (, NJW 2001, 1652 unter II 2 a). Ein solcher Ermessensfehler des Berufungsgerichts liegt hier jedoch vor, da dieses bei der Ermessensausübung ersichtlich wesentliche Teile des Streitstoffes unberücksichtigt gelassen hat.

a) Die Beklagte zu 1 hatte - allerdings im Rahmen einer geltend gemachten Verwirkung des Anspruchs des Klägers auf Buchauszug - vorgetragen, für die Erstellung des Buchauszuges müßten mehr als 20.000 Einzelrechnungen durchgesehen werden, wobei jeder einzelne Vertrag auf provisionspflichtige Vertragsbestandteile zu überprüfen sei. Zusätzlich müßte die gleiche Anzahl von Lieferscheinen dahingehend untersucht werden, ob die Ware tatsächlich ausgeliefert worden sei oder Stornierungen vorgelegen hätten. Ferner habe sie, die Beklagte zu 1, die Debitorenbuchhaltung für den gesamten Zeitraum daraufhin zu überprüfen, ob Ausbuchungen aufgrund uneinbringlicher Forderungen vorgenommen werden müßten. Sie könne diese Maßnahmen mit ihrem Personal nicht erledigen, ohne den normalen Geschäftsbetrieb zum Erliegen zu bringen. Ein Gutachter wäre mit dieser Tätigkeit über mehrere Monate beschäftigt, wobei der Kostenaufwand nahezu einen sechsstelligen Betrag erreichen würde. Dieser hinreichend konkretisierte Vortrag ist vom Kläger nicht substantiiert bestritten worden und bedurfte deshalb keiner Glaubhaftmachung.

b) Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, die zur Erteilung der Auskunft erforderlichen Daten müßten sich im Hinblick auf die Buchführungspflichten der Beklagten zu 1 (§§ 238 f HGB) "in der Regel unschwer" den Büchern entnehmen lassen, wird verkannt, daß der nach dem zu erstellende Buchauszug die Beklagte zu 1 zu einer detaillierten Angabe ihrer Kundenbeziehungen in der Zeit vom bis verpflichtet; die hierfür erforderlichen Angaben - einschließlich zu etwaigen Retouren sowie nach § 87 a Abs. 3 HGB provisionspflichtigen oder noch schwebenden Geschäften - lassen sich regelmäßig nicht den Handelsbüchern im Sinne der §§ 238 f HGB entnehmen, die eine von den Kontrollrechten des Handelsvertreters nach § 87 c HGB verschiedene Funktion haben (Senatsurteil vom - VIII ZR 149/99, WM 2001, 1258 unter II 2 a). Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht daher nicht annehmen, daß sich die im Buchauszug geforderten Angaben bereits aus den geführten Handelsbüchern ergeben würden. Demnach sind die vom Berufungsgericht mit einem Betrag von 1.000 DM geschätzten Kosten der Auskunftserteilung ohne ausreichende Grundlage.

c) Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1, was aufgrund der vom Berufungsgericht ermessensfehlerhaft vorgenommenen Schätzung der Berufungssumme weiter zu berücksichtigen ist ( aaO), in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen und durch Fotokopien von Auszügen des Haupterlöskontos für das Geschäftsjahr 1997 glaubhaft gemacht, daß für dieses Jahr ca. 5000 bis 6000 Geschäftsvorgänge zu überprüfen sind, wobei das Haupterlöskonto nicht alle der geforderten Auskünfte, insbesondere keine Angaben zu dem Postleitzahlengebiet des Kunden enthält. Nach dem vorgelegten Schreiben des Steuerberaters L. vom hat dieser den Kostenaufwand für die Erstellung des Buchauszuges für das Jahr 1997 mit einem Betrag von rund 25.000 DM bis 48.000 DM sowie für das Jahr 1996 in Höhe des hälftigen Betrages geschätzt. Damit ist aber hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Berufungsverfahren der Beklagten zu 1 einen Betrag von 1.500 DM weit übersteigt.

3. Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben, ohne daß es auf die von der Beklagten zu 1 weiter gerügte Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und der Aufklärungspflicht gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO a.F. ankommt.

Fundstelle(n):
XAAAC-03790

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