BGH Beschluss v. - VIII ZB 134/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: LG Frankfurt am Main vom AG Frankfurt am Main vom

Gründe

I.

Gegen das am ihm zugestellte Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main hat der Beklagte mit Schriftsatz vom , der am in der Briefannahmestelle der Justizbehörden Frankfurt am Main eingegangen ist, Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz war von dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten nicht unterschrieben worden. Nach einem Hinweis auf das Fehlen der Unterschrift hat der Beklagte nach Ablauf der Berufungsfrist unter erneuter Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 234 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei fristgerechter Einreichung einer nicht unterzeichneten Berufungs- oder Berufungsbegründungsschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn der Prozeßbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen (Urteil vom - VIII ZR 12/95, NJW 1996, 998 unter II 2 b m.Nachw.; , NJW 1994, 3235 unter II 2 m.Nachw.). Obwohl in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten eine Unterschriftenkontrolle im vorgenannten Sinn bestand, hat das Landgericht dem Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten nicht entsprochen. Es hat die Rechtsprechung zur Unterschriftenkontrolle zwar dargestellt, den von ihr entwickelten Grundsatz aber ausgehöhlt, indem es die an den Rechtsanwalt insoweit zu stellenden Anforderungen um Pflichten erweitert, auf die es im Zusammenhang mit der Unterschriftenkontrolle nicht ankommt, weil eine Nichteinhaltung dieser Pflichten durch eine ordnungsgemäße Unterschriftenkontrolle gerade aufgefangen wird. Diese objektive Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit sich der Rechtsanwalt durch eine ordnungsgemäß organisierte Unterschriftenkontrolle entlasten kann, fällt nach dem Willen des Gesetzgebers unter den Zulassungsgrund der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wenn - wie hier - die Gefahr einer Nachahmung oder Wiederholung besteht (Senatsbeschluß vom - VIII ZB 49/02, zur Veröffentlichung bestimmt).

Da die Begründung der Rechtsbeschwerde die genannte Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausdrücklich rügt, ist die Zulassungsvoraussetzung des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in der erforderlichen Weise dargelegt worden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung hätte das Berufungsgericht dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat eine entsprechende Anweisung an sein Büropersonal glaubhaft gemacht, wie das Berufungsgericht selbst festgestellt hat.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die vom Berufungsgericht als Organisationsmangel beanstandete Anfertigung zweier inhaltsgleicher Berufungsschriften, die auf verschiedene Rechtsanwälte in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ausgestellt worden waren. Wenn die damit verbundene Gefahr der Vertauschung, wie das Berufungsgericht gemeint hat, dazu geführt haben kann, daß nur einer der beiden Schriftsätze unterzeichnet wurde und die Kanzleiangestellte, die das Kuvertieren vornahm, versehentlich die noch nicht unterzeichnete Berufungsschrift versandt hat, so war das Versagen der ordnungsgemäß organisierten Unterschriftenkontrolle entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durchaus ursächlich dafür, daß eine nicht unterzeichnete Berufungsschrift eingereicht wurde. Hätte nämlich die Kanzleiangestellte weisungsgemäß den von ihr abgesandten Schriftsatz vor dem Kuvertieren daraufhin überprüft, ob der Schriftsatz unterschrieben war, dann hätte sie das Fehlen der Unterschrift bemerkt und die nicht unterschriebene Berufungsschrift dem Rechtsanwalt erneut zur Unterschrift vorgelegt. Die Berufung wäre dann nicht ohne die Unterschrift des Rechtsanwalts abgesandt worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
VAAAC-03730

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein