BGH Urteil v. - VII ZR 220/03

Leitsatz

[1] Der Erlaß eines Grundurteils ist unzulässig, wenn nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind.

Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens bei einer Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.

Gesetze: ZPO § 304 Abs. 1; ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4

Instanzenzug: OLG Naumburg vom LG Magdeburg

Tatbestand

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Objektüberwachung im Rahmen eines von ihm behaupteten Architektenvertrages.

Im September 1998 schloß der Kläger mit der T.-GmbH einen Generalunternehmervertrag über die schlüsselfertige Sanierung eines Gebäudes zu einem Pauschalfestpreis von 2.467.840 DM. Die VOB/B wurde einbezogen. Der Vertrag sah Abschlagszahlungen nach einem Zahlungsplan vor. In Ziffer 5 des Vertrages heißt es:

"5.1. Vertreter des AG auf der Baustelle ist das Architekturbüro A. ... (= die Beklagte)

Dieses hat folgende Befugnisse:

bzgl. Leistungsänderungen nur nach Absprache

bzgl. Behinderungsanzeigen Entgegennahme und Beurteilung

bzgl. Entgegennahme/Ausspruch von Kündigungen keine Befugnisse

bzgl. Abnahme - Endabnahme gemeinsam mit AG - Zwischenabnahmen eigenverantwortlich

5.2. Die durch die Überwachung der Baustelle und durch sonstige Tätigkeiten der A. ... entstehenden Kosten sind im Pauschalfestpreis enthalten und werden gegebenenfalls direkt zwischen GU und A. ... verrechnet."

Die Mitglieder des Vorstandes der Beklagten waren identisch mit den Gesellschaftern und Geschäftsführern der T.-GmbH. Diese legte dem Kläger während der Bauarbeiten Abschlagsrechnungen in Höhe von insgesamt 1.609.816,68 DM vor. In den Abschlagsrechnungen vom über 209.755,18 DM und vom über 49.959,83 DM gab die T.-GmbH den Leistungsstand des Baus mit 70 % und 72,5 % an. Beide Rechnungen enthielten jeweils zwei unterschiedlich große Stempelaufdrucke mit dem Text: "Fachtechnisch und rechnerisch geprüft". Einer der Stempelaufdrucke auf den Rechnungen stammte jeweils von der Beklagten. Die Aufdrucke auf den einzelnen Rechnungen wurden jeweils von derselben Person unterschrieben.

Anfang November 2000 wurden die Geschäftsanteile der T.-GmbH an ein Unternehmen in Zypern verkauft. Mitte Dezember 2000 kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis mit der T.-GmbH wegen Verzugs mit der Baufertigstellung fristlos. Seit Ende Februar 2001 hat die T.-GmbH ihren Sitz auf Zypern.

Der Kläger hat Schadensersatz in Höhe von 464.455,64 € und Zinsen geltend gemacht. Er hat vorgetragen, daß er auf die ihm vorgelegten Abschlagsrechnungen entsprechend dem in der letzten Rechnung angegebenen Stand von 72,5 % der Bauleistungen 823.086,15 € gezahlt habe. Tatsächlich seien jedoch nur etwa 30 % der Leistungen erbracht gewesen. Somit habe er 274.221,01 € überzahlt. Ferner seien Baumängel vorhanden, deren Beseitigung 167.705,78 € erfordere. Schließlich seien ihm aufgrund der Vertragsverletzung der Beklagten Gutachterkosten in Höhe von 22.528,85 € entstanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis finden die Gesetze in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Auf das Verfahren der Berufung und der Revision sind die Vorschriften nach Maßgabe des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom anzuwenden (§ 26 Nrn. 5 und 7 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne aus dem zwischen ihm und der T.-GmbH bestehenden Vertragsverhältnis keine Rechte gegen die Beklagte ableiten. Jedoch folge deren Haftung aus einem zwischen ihr und dem Kläger stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrag, weil die Beklagte, dem Klägervortrag zufolge, falsche Auskünfte über den Baufortschritt erteilt habe. In der Rechtsprechung habe sich die Auffassung durchgesetzt, daß ein Architekt der kreditgebenden Bank im Falle einer unrichtigen Baufortschrittsanzeige hafte, wenn er den Zweck der Anzeige kennt. Entsprechendes müsse gelten, wenn der eigentliche Architektenvertrag nicht mit dem Bauherrn, sondern dem Generalunternehmer bestehe und der Architekt dem Bauherrn gegenüber im Zusammenhang mit der Prüfung von Abschlagsrechnungen Auskunft über den Baufortschritt gebe. Der daher dem Grunde nach festzustellende Schadensersatzanspruch des Klägers gehe dahin, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Beklagte ihn zu den Abschlagsrechnungen vom 2. Februar und zutreffend unterrichtet hätte. Ob die Auskunft richtig war, sei durch Beweisaufnahme zu klären. Die Sache sei nach Ausübung des Ermessens gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Der Erlaß eines Grundurteils ist nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen unzulässig. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (, ZfBR 2001, 177 = BauR 2001, 667 = NZBau 2001, 211). Diese Voraussetzungen sind hier nicht sämtlich erfüllt. Zwar ist der Klageanspruch nach Grund und Höhe streitig. Jedoch hat das Berufungsgericht schon nicht alle anspruchsbegründenden Tatsachen festgestellt. Der vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Auskunftsvertrags setzt voraus, daß die erteilte Auskunft unrichtig ist. Ob die Beklagte unzutreffende Angaben über den Baufortschritt sowie über die Mängelfreiheit der Werkleistungen der T.-GmbH gemacht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

2. Ferner hat das Berufungsgericht die Sache verfahrensfehlerhaft gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, daß es nach § 538 Abs. 1 ZPO die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden hat. Die Entscheidung zwischen der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO und der eigenen Sachentscheidung durch das Berufungsgericht gemäß § 538 Abs. 1 ZPO steht, wie das Berufungsgericht im Grundsatz erkennt, in seinem pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat es zu erwägen, daß eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann. Wenn sich das Berufungsgericht gleichwohl für eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO entscheidet, muß es nicht nur im Fall des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. dazu , BauR 2005, 590), sondern auch bei einem Fall des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zur Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens erkennen lassen, daß es den maßgeblichen Gesichtspunkt der Prozeßökonomie in Betracht gezogen hat (vgl. , BauR 2004, 1611, 1612 f = ZfBR 2004, 790 = NZBau 2004, 613). Die bloß formelhafte Erwähnung der Ermessensausübung durch das Berufungsgericht läßt nicht erkennen, daß diese den vorgenannten Anforderungen genügt.

III.

Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben; die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Die getroffenen Feststellungen tragen die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht, zwischen den Parteien sei ein Auskunftsvertrag zustandegekommen, dessen Verletzung die Beklagte zu Schadensersatz verpflichte. Den von der Beklagten auf den Abschlagsrechnungen angebrachten Prüfvermerken ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung auf Abschluß eines derartigen Auskunftsvertrages nicht zu entnehmen. Ausreichende weitere Anhaltspunkte, die aus dem Empfängerhorizont des Klägers auf eine konkludente Willenserklärung der Beklagten zur Begründung einer Auskunftsverpflichtung schließen lassen könnten, hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt.

Das Berufungsgericht wird die Frage, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus dem zwischen dieser und der T.-GmbH bestehenden Vertragsverhältnis unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zusteht, erneut zu prüfen haben. Es wird hierzu insbesondere die im , BauR 2002, 814, das einen vergleichbaren Sachverhalt betraf, angestellten Überlegungen zu berücksichtigen haben. Es wird hierbei auch die Ausgestaltung des am abgeschlossenen Generalunternehmervertrages zu berücksichtigen haben, in dessen Ziffer 5 die Beklagte ausdrücklich im Hinblick auf die Wahrung der Interessen des Klägers einbezogen worden ist. Die Bedeutung dieser Vertragsgestaltung für die möglicherweise gegenüber dem Kläger bestehenden Pflichten der Beklagten aus dem zwischen ihr und der T.-GmbH bestehenden Vertragsverhältnis ist in den Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Problematik des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte, auf die das Berufungsurteil insoweit Bezug nimmt, nicht hinreichend geprüft worden. Die zwischen den drei Beteiligten gewählte Art der Vertragsgestaltung legt nahe, daß es für einen Anspruch des Klägers aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte auf die Frage der Schutzbedürftigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. , BGHZ 70, 327, 329 f) nicht ankommt.

Fundstelle(n):
MAAAC-03383

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein