Leitsatz
[1] a) Eine Lohngleitklausel in Form einer sogenannten "Pfennigklausel" bedarf als Kostenelementeklausel keiner Genehmigung nach § 3 WährG, wenn sich grundsätzlich nur die entstehenden Lohnkostenveränderungen auf den Werklohn auswirken.
b) Haben die Vertragsparteien eine nicht genehmigungsfreie Lohngleitklausel vereinbart, verhält sich der Auftraggeber nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er über die Anpassung der Änderungssätze hinaus unter Berufung auf eine vereinbarte Bagatell- und Selbstbeteiligungsklausel eine Selbstbeteiligung des Auftragnehmers an den Lohnerhöhungen verlangt.
Gesetze: BGB § 631 Abs. 1; WährG § 3 Satz 2
Instanzenzug: LG Stuttgart 15 O 282/03 vom OLG Stuttgart 2 U 51/04 vom
Tatbestand
Das klagende Land (künftig: Kläger) verlangt von der Beklagten anteilige Rückzahlung von geleistetem Werklohn.
Der Kläger beauftragte die Beklagte 1992 mit Starkstrominstallationsarbeiten sowie 1995 mit Arbeiten im Bereich von Starkstrom- und Nachrichtentechnik in einem Finanzamt. Die Ausschreibung und Vergabe beider Aufträge enthält jeweils eine Lohngleitklausel, deren Regelungen auszugsweise wie folgt lauten:
"3. Bei Änderung des maßgebenden Lohns um jeweils 1 Pfennig/Stunde wird die Vergütung für die nach dem Wirksamwerden der Änderung zu erbringenden Leistungen um den in der Leistungsbeschreibung vereinbarten Änderungssatz erhöht oder vermindert ..."
"6. Von dem nach den Nrn. 3 bis 5 ermittelten Mehr- oder Minderbetrag wird nur der über 0,5 v.H. der Abrechnungssumme (Vergütung für die insgesamt erbrachte Leistung) hinausgehende Teilbetrag erstattet (Bagatell- und Selbstbeteiligungsklausel).
Dabei sind der Mehr- oder Minderbetrag ohne Umsatzsteuer, die Abrechnungssumme ohne die aufgrund von Gleitklauseln zu erstattenden Beträge und ohne Umsatzsteuer anzusetzen.
Ein Mehr- oder Minderbetrag kann erst geltend gemacht werden, wenn der Bagatell- und Selbstbeteiligungsbetrag überschritten ist, bis zur Feststellung der Abrechnungssumme wird 0,5 v.H. der Auftragssumme zugrunde gelegt."
Der für die Lohngleitklausel maßgebliche Lohn sollte die "Lohngruppe 4 - Monteur im zweiten Gesellenjahr" sein.
Beim Auftrag Starkstrominstallation wurde für Akkordarbeiten ein Änderungssatz von 0,45 v.T. und für Stundenlohnarbeiten von 0,92 v.T. vereinbart. Beim Auftrag Starkstrom- und Nachrichtentechnik betrug der Änderungssatz für Akkordarbeiten 0,64 v.T. und für Stundenlohnarbeiten 0,92 v.T. Unter Zugrundelegung dieser Änderungssätze berechnete die Beklagte dem Kläger Lohnmehrkosten in der Schlussrechnung vom Juli 1995 für die Starkstrominstallation in Höhe von netto 59.544,40 DM (= 30.444,36 €) sowie in der Schlussrechnung vom Dezember 1997 für die Arbeiten Starkstrom- und Nachrichtentechnik in Höhe von netto 8.135,55 DM (= 4.159,64 €). Der Kläger legte seinen Schlusszahlungen diese beiden Rechnungsbeträge zugrunde.
Nachträglich fand eine Prüfung des Bauvorhabens durch das Staatliche Rechnungsprüfungsamt S. statt. Dieses stufte in seinem Prüfbericht die vereinbarten Änderungssätze als überhöht ein. Unter Zugrundelegung der nach seiner Ermittlung zutreffenden Änderungssätze errechnete es hinsichtlich des Auftrags Starkstrominstallation einen Überzahlungsbetrag von brutto 36.545,24 DM (= 18.685,28 €) sowie hinsichtlich des Auftrags Starkstrom- und Nachrichtentechnik einen Überzahlungsbetrag von brutto 8.103,05 DM (= 4.143,02 €).
Das Landgericht hat die Klage auf Rückerstattung des sich hieraus ergebenden Gesamtbetrages in Höhe von 22.828,31 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Gründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält den Kläger für berechtigt, gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung von ungerechtfertigt geleistetem Werklohn in der zuerkannten Höhe zu fordern. Die vereinbarten Lohngleitklauseln seien wegen Verstoßes gegen § 3 Satz 2 WährG nach § 134 BGB nichtig. Die Klauseln stellten keine genehmigungsfreien Spannungsklauseln, sondern genehmigungsbedürftige Kostenelementeklauseln dar. Letztere seien nur dann mit dem Währungsgesetz zu vereinbaren, wenn sich der Preis des Wirtschaftsguts lediglich anteilig in gleichem Maße wie die Preise der wichtigsten Kostenelemente dieses Gutes ändere. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, vielmehr enthielten die Lohngleitklauseln überhöhte Änderungssätze, die zu einer überproportionalen Kostenumlage führten. Die Ungültigkeit der Lohngleitklauseln habe jedoch nicht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Vielmehr sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Anpassung der Klauseln vorzunehmen. Der zulässige Änderungssatz führe zu einer Rückzahlung für beide Verträge in Höhe von insgesamt 20.503,78 €. Die Durchsetzung dieses Anspruchs durch den Kläger sei weder rechtsmissbräuchlich noch stehe ihr der Einwand der Verwirkung entgegen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die vereinbarten Lohngleitklauseln sind nach § 3 Satz 2 WährG unwirksam.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Lohngleitklauseln anhand von § 3 Satz 2 WährG geprüft (vgl. OLG Köln, OLGR 2000, 481 f; OLG Nürnberg, BauR 2000, 1867; OLG München, NZBau 2000, 515 f; a.A. Reitz, BauR 2001, 513 f). Beide Verträge wurden in einem Zeitraum abgeschlossen und erfüllt, als noch § 3 Satz 2 WährG galt. Ungeachtet seiner Wirksamkeit, die von Teilen der Literatur in Frage gestellt wird (MünchKommBGB/Grundmann, 4. Aufl., §§ 244, 245 Rdn. 75; Steiner, Wertsicherungsklauseln, S. 133 ff), ergibt sich aus § 8 Satz 3 Preisklauselverordnung (PrKV) nichts anderes. Danach ist über Genehmigungsanträge, die nach dem gestellt wurden, nach neuem Recht zu entscheiden, auch wenn sie sich auf früher geschlossene Verträge beziehen. Daraus folgt, dass das alte Recht auf früher geschlossene Verträge anwendbar bleibt, wenn ein endgültig abgeschlossener Sachverhalt zu beurteilen ist. Das ist der Fall, wenn eine Partei nach dem wegen der Unwirksamkeit einer Preisgleitklausel in einem zuvor geschlossenen und abgewickelten Vertrag über Jahre auf Rückzahlung in Anspruch genommen wird, ohne dass bis zur letzten mündlichen Verhandlung ein Genehmigungsantrag gestellt worden ist.
b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Lohngleitklauseln im Ergebnis als nicht genehmigungsfreie Wertsicherungsklauseln beurteilt.
aa) Die Klauseln stellen keine genehmigungsfreien Spannungsklauseln dar (Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann, VOB, § 15 VOB/A Rdn. 16; a.A.: OLG München, NZBau 2000 aaO). Eine Spannungsklausel liegt vor, wenn die in ein Verhältnis zueinander gesetzten Güter oder Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind (, NJW 1983, 1909, 1910 m.w.Nachw.; vgl. jetzt § 1 Nr. 2 PrKV). Das ist hier nicht der Fall. Die miteinander verbundenen Leistungen, nämlich der ganz überwiegend nach Einheitspreisen berechnete Lohn für Werkleistungen einerseits und der Lohn einer bestimmten Lohngruppe für Arbeitsleistungen andererseits sind weder gleichartig noch miteinander vergleichbar.
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Lohngleitklauseln nicht als genehmigungsfreie Kostenelementeklauseln beurteilt. Solche Klauseln, nach denen der geschuldete Betrag insoweit von der Entwicklung der Preise oder Werte für Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird, als diese die Selbstkosten des Gläubigers bei der Erbringung der Gegenleistung unmittelbar beeinflussen, sind nur dann genehmigungsfrei, wenn lediglich die effektiv entstehenden Kostenveränderungen des Vorprodukts sich anteilig auf den Preis des Endprodukts auswirken sollen (vgl. Dürkes, Wertsicherungsklauseln, 10. Aufl., D, Rdn. 179; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag Bd. 1, 5. Aufl., Rdn. 109; Augustin/Stemmer, BauR 2000, 1802, 1815).
(1) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann das zur Entscheidung berufene Gericht nachträglich prüfen. Dem kann entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegengehalten werden, es könne durch eine nachträglich isolierte Prüfung der Lohngleitklausel unzulässig in das bei Vertragsschluss ausgewogene Leistungsgleichgewicht des Vertrages eingegriffen werden (st. Rspr., vgl. , WM 1979, 1097, 1099; a.A.: Werner, NZBau 2001, 521, 524). Eine mögliche Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses ist Folge einer gesetzlich zwingend angeordneten Nichtigkeit, § 134 BGB. Die gesetzliche Anordnung steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Folglich ist es entgegen der Auffassung der Revision auch ohne Bedeutung, dass die Beklagte trotz möglicher Unwirksamkeit der Lohngleitklauseln gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A den Zuschlag erhalten hat.
(2) Die nach diesen Grundsätzen vorgenommene Prüfung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist zutreffend auf der Grundlage der von der Beklagten bei Angebotsabgabe vorgenommenen Preiskalkulation zu dem Ergebnis gelangt, dass die vereinbarten Änderungssätze zu einer unangemessenen Kostenumlage auf den Kläger führen. Ob in die Berechnung des Änderungssatzes eine etwaige Gewinnspanne des Auftragnehmers mit einbezogen werden darf, kann dahinstehen. Denn das Berufungsgericht hat eine derartige, für die Beklagte günstige Einbeziehung vorgenommen.
Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 ZPO.
cc) Mithin waren die Lohngleitklauseln genehmigungsbedürftig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen keine Genehmigungen, auch keine Sammelgenehmigungen der Deutschen Bundesbank vor.
2. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass nach dem hypothetischen Willen der Parteien im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Anpassung der Änderungssätze vorzunehmen ist. Das ist von Rechts wegen ebenso wenig zu beanstanden wie die sich hieran anschließende Berechnung der Lohnmehrkosten durch das Berufungsgericht.
Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten zu den Änderungssätzen nicht beachtet, hat keinen Erfolg. Der Kläger hat auf den Hinweis des Berufungsgerichts sämtliche Rechnungen für beide Aufträge im Einzelnen geprüft und erklärt, welche Leistungen nach Akkordlohn und welche Arbeiten nach Stundenlohn abzurechnen seien. Die Beklagte, die ihren beiden Schlussrechnungen ausschließlich den für Akkordlohnarbeiten vereinbarten Änderungssatz zugrunde gelegt und zu Prozessbeginn noch zu Lohn- und Akkordarbeiten vorgetragen hatte, hätte zu dem Vortrag des Klägers im Einzelnen Stellung nehmen müssen. Im Rahmen ihrer Darlegungslast reicht die pauschale Behauptung nicht aus, der gültige Tarifvertrag für das Elektrogewerbe sehe Akkordlohnarbeiten nicht vor, Akkordlohn werde bei der Beklagten auch nicht bezahlt, demzufolge sei lediglich eine Vergütung nach Stundenlohnsätzen erfolgt.
3. Das Berufungsurteil hält den weiteren Angriffen der Revision stand.
a) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers ist nicht verwirkt. Insoweit hat die Revision lediglich die Dauer zwischen Schlusszahlung und Aufforderung zur Rückzahlung beanstandet. Dagegen zeigt sie keinen übergangenen Vortrag der Beklagten auf, diese habe darauf vertrauen dürfen und sich darauf eingerichtet, keine Rückzahlungen leisten zu müssen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision kann der Kläger über die Anpassung der Änderungssätze hinaus gemäß Ziffer 6 der vertraglichen Regelungen zur Lohngleitklausel eine Selbstbeteiligung der Beklagten an den Lohnerhöhungen verlangen. Der Kläger handelt insoweit nicht rechtsmissbräuchlich (a.A.: vgl. OLG Nürnberg, BauR 2000, 1867, 1869 f.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstieße eine mit Lohngleitklauseln typischerweise verbundene so genannte Bagatell- und Selbstbeteiligungsklausel nicht gegen § 9 AGBG, falls eine Inhaltskontrolle vorzunehmen wäre. Der Auftraggeber verringert mit der Aufnahme der Lohngleitklausel in den Vertrag das Kalkulationsrisiko des Auftragnehmers bei Bauverträgen mit längerer Laufzeit. Da der Auftragnehmer dieses Kalkulationsrisiko nach der gesetzlichen Regelung allein tragen muss, ist es nicht unangemessen, wenn der Auftraggeber dieses Risiko übernimmt, die Übernahme jedoch auf einen 0,5 % der Auftragsumme überschreitenden Betrag beschränkt (, BauR 2002, 467, 468 = ZfBR 2002, 247 = NZBau 2002, 89).
Diese Überlegungen gelten hier gleichermaßen. Im Hinblick darauf, dass der Auftraggeber mit der Vereinbarung der Lohngleitklausel zum Teil das Kalkulationsrisiko des Auftragnehmers übernimmt, das dieser nach der gesetzlichen Regelung allein zu tragen hätte, ist es nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten, wenn der Auftraggeber eine Anpassung der Änderungssätze auf das währungsrechtlich zulässige Maß fordert und gleichzeitig die Aufrechterhaltung der vertraglich vereinbarten Selbstbehaltsklausel geltend macht.
c) Allein die Tatsache, dass der Kläger die Angebote der Beklagten im Rahmen des Vergabeverfahrens geprüft hat und dabei die Unwirksamkeit der Änderungssätze hätte feststellen können, kann den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Rückforderung nicht begründen. Der Senat hat die hierzu erhobenen Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 ZPO.
d) Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht habe die Nachtragsvereinbarung Nr. 9 vom unbeachtet gelassen, mit der sich die Parteien auf die Höhe der Vergütung geeinigt hätten. Darin liegt keine wirksame Bestätigung der unwirksamen Lohngleitklausel. Ein wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (schwebend) unwirksames Rechtsgeschäft kann nur wirksam bestätigt werden, wenn das Verbot entfallen ist (, BGHZ 104, 18, 24).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2978 Nr. 41
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4045
WM 2006 S. 1502 Nr. 31
ZIP 2007 S. 135 Nr. 3
QAAAC-03266
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja