Leitsatz
[1] Wird eine Amtshaftungsklage (hier gegen einen beamteten Chefarzt einer Universitätsklinik) wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten (hier: die Universitätsklinik) verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 120, 376, 380).
Gesetze: BGB § 839 Abs. 2 E; BGB § 839 Abs. 2 I
Instanzenzug: OLG Braunschweig vom LG Göttingen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1, eine Universitätsklinik, den Beklagten zu 2, einen beamteten Chefarzt, und den Beklagten zu 3, einen hinzugezogenen Konsiliararzt, auf Schadensersatz in Anspruch, weil bei einem bestehenden Sturge-Weber-Syndrom mit epileptischen Anfällen eine funktionelle Hemisphärektomie (Entfernung der linken Großhirnhälfte) wegen eines fehlerhaften EEG-Langzeit-Monitorings nicht bereits im Jahre 1995, sondern erst im Jahre 1998 vorgenommen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 3 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 DM, der Hälfte des vom Kläger genannten Mindestbetrages, verurteilt und die Klage im übrigen, auch soweit sie gegen den Beklagten zu 2 gerichtet war, abgewiesen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten zu 1 und 3 Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Teilurteil die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil betreffend den Beklagten zu 2 zurückgewiesen und hat auf die Berufung des Beklagten zu 3 das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und auch die gegen diesen gerichtete Klage (in vollem Umfang) abgewiesen. Der erkennende Senat hat die Revision des Klägers gegen das Teilurteil, mit der er sein Klagebegehren gegen die Beklagten zu 2 und 3 weiterverfolgt, lediglich bezüglich des Beklagten zu 2 zugelassen.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Teilurteils betreffend den Beklagten zu 2 ausgeführt, dessen deliktische Haftung richte sich, da er beamteter Chefarzt bei der Beklagten zu 1 gewesen sei, allein nach § 839 BGB. Nach Art. 34 GG treffe die Verantwortlichkeit jedoch zunächst die Körperschaft, in deren Dienst der Beklagte zu 2 stehe, hier also die Universität als Beklagte zu 1. Der Beamte selbst könne hingegen nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB im Falle fahrlässiger Amtspflichtverletzung den Geschädigten auf die Staatshaftung verweisen und sei selbst von der Haftung frei. Für eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung durch den Beklagten zu 2, die allein seine persönliche Haftung auslösen könne, bestünden keinerlei Anhaltspunkte.
II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das angefochtene Urteil ist auf die Rüge der Revision bereits deshalb aufzuheben, weil die Zurückweisung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts betreffend den Beklagten zu 2 im Wege eines Teilurteils unzulässig ist.
1. Ein Teilurteil darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Senatsurteil vom - VI ZR 8/03 - zur Veröffentlichung bestimmt) nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. Senatsurteile BGHZ 120, 376, 380; vom - VI ZR 387/94 - VersR 1996, 779, 780 und vom - VI ZR 77/98 - VersR 1999, 734, jeweils m.w.N.; BGHZ 107, 236, 242; - FamRZ 2002, 1097). Dies gilt auch bei Klagen gegen mehrere einfache Streitgenossen (vgl. - und vom - VI ZR 77/98 - aaO; - ZIP 2003, 594; vgl. auch OLG München, NJW-RR 1994, 1278 f.; LG Köln, MDR 2001, 232 mit Anmerkung von E. Schneider; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 301 Rdn. 4, 7).
2. Im vorliegenden Fall ist die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht auszuschließen.
a) Verfehlt ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, indem es einerseits eine Verantwortlichkeit der beklagten Universitätsklinik für das Verschulden ihres beamteten Chefarztes nach Art. 34 GG angenommen hat, andererseits aber im Folgesatz von einem Verweisungsprivileg des Beklagten zu 2 nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB spricht, was bei einer Haftungsüberleitung im Sinne des Art. 34 GG gerade nicht erforderlich wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ 85, 393, 395 ff.; 89, 263, 273).
Die Revision weist insoweit mit Recht darauf hin, daß Art. 34 GG nur eingreift, wenn jemand die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht "in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes" verletzt, mithin hoheitlich tätig wird. Demgegenüber kommt eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 nach § 839 BGB mit der Verweisungsmöglichkeit des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn es sich nicht um eine hoheitliche, sondern um eine Tätigkeit im privatrechtlichen Bereich handelt (vgl. - NJW 2001, 2626, 2629). Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, daß das Behandlungsverhältnis mit dem Kläger (ausnahmsweise) öffentlich-rechtlich ausgestaltet war, ist revisionsrechtlich zu Gunsten des Klägers zu unterstellen, daß es - wie dies regelmäßig der Fall ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 85, 393, 395; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., A Rdn. 22) - dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen ist.
b) Greift unter diesen Umständen eine Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG nicht ein, so durfte das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Berufung des Klägers gegen das seine Klage gegen den Beklagten zu 2 abweisende Urteil nicht durch Teilurteil zurückweisen, bevor die Haftung der Beklagten zu 1 als unter den Umständen des Streitfalls allein in Betracht kommende anderweitige Ersatzmöglichkeit endgültig geklärt ist. Das ist noch nicht der Fall, da das Berufungsgericht hierzu ein neues Gutachten einholen will. Sollte das Berufungsgericht nach weiterer Beweisaufnahme eine Haftung der Beklagten zu 1 verneinen, bestünde keine anderweitige Ersatzmöglichkeit, so daß eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2 auch vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus, daß ihm kein Vorsatz angelastet werden könne, nicht auszuschließen ist. Das reicht aus, um ein Teilurteil unzulässig zu machen.
Ist ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB auf Leistung von Schadensersatz allein verklagt, so kann zwar, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen ist, die Klage als (derzeit) unbegründet abgewiesen werden. Wird aber die Amtshaftungsklage wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten verbunden, und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann darf die Amtshaftungsklage nicht mit dem Hinweis auf die noch nicht geklärte Ersatzpflicht des (einfachen) Streitgenossen durch Teilurteil abgewiesen werden, weil die Entscheidung hierüber für den durch Teilurteil entschiedenen Amtshaftungsanspruch präjudiziell ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 120, 376, 380 m.w.N.).
Fundstelle(n):
RAAAC-03017
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja