BGH Beschluss v. - VI ZB 69/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: AG Mitte 101 C 3014/04 vom LG Berlin 58 S 241/04 vom

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom , beim Landgericht eingegangen am , Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom begründet.

Mit Schreiben des Vorsitzenden vom hat das Berufungsgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet eingelegt und beabsichtigt sei, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verfahren. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 10 Tagen gegeben. Dieses Schreiben ist nur den Beklagten am förmlich zugestellt worden und bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls am formlos eingegangen. Mit Schriftsatz vom , am selben Tage beim Berufungsgericht eingegangen, hat der Kläger um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme bis zum gebeten, da der zuständige Sachbearbeiter erst am aus dem Urlaub zurückgekehrt sei.

Mit Schriftsatz vom , bei Gericht per Telefax und im Original jeweils am eingegangen, hat der Kläger sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen geltend gemacht, ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen zu sein.

Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Es hat hierbei weder den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berücksichtigt noch den Antrag auf Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme.

Mit Schreiben des Vorsitzenden vom hat das Berufungsgericht der Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass auf ihren Antrag auf Wiedereinsetzung nichts mehr habe veranlasst werden können. Als das Fax vom eingegangen sei, habe sich der Beschluss bereits "auf dem Postwege zur Zustellung" befunden. Innerhalb der unter dem gesetzten Frist zur Stellungnahme sei nur der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom erneut übersandt worden.

Gegen den ihm am zugestellten Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich der Kläger mit seiner am eingegangenen und am nach entsprechender Fristverlängerung begründeten Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das Berufungsgericht hat durch die Nichtberücksichtigung des Antrags des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist den Kläger in seinen Rechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und effektiven Rechtsschutzes verletzt.

Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass die im Schreiben des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom mitgeteilte Auffassung, auf den Wiedereinsetzungsantrag habe nichts mehr veranlasst werden können, rechtsfehlerhaft ist.

Nicht zu verkündende Entscheidungen wie der vorliegend angefochtene Beschluss im Sinne des § 522 Abs. 1 ZPO werden erlassen in dem Zeitpunkt, in dem das Gericht sich ihrer in einer der Verkündung vergleichbaren Weise entäußert hat, was voraussetzt, dass der Beschluss die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden (vgl. etwa - NJW-RR 2004, 1575 m.w.N.). Dies ist entgegen der im Vermerk des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom vertretenen Auffassung noch nicht der Fall, wenn sich der Beschluss vom bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrages vom selben Tag in der Kanzlei befunden hat, um die an die Parteien zu versendenden Ausfertigungen mit den Empfangsbekenntnissen vorzubereiten, denn dies alles gehört noch zum inneren Geschäftsbetrieb (vgl. - aaO). Diesen hat der Verwerfungsbeschluss erst verlassen, nachdem er laut Aktenvermerk der Geschäftsstelle am ausgefertigt und an die Parteien abgesandt worden ist.

Da der Verwerfungsbeschluss vom mithin bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrages erst in Vorbereitung, rechtlich jedoch noch nicht existent war, hätte das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist berücksichtigen und bescheiden müssen. Der Wiedereinsetzungsantrag war auch rechtzeitig im Sinne des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt, da die Frist erst mit dem bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers am eingegangenen Hinweis, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei, zu laufen begann (§ 234 Abs. 2 ZPO).

Das Berufungsgericht wird mithin bei seiner neuen Entscheidung den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zu berücksichtigen haben.

Fundstelle(n):
PAAAC-02601

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein