BGH Urteil v. - RiZ(R) 4/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VGG § 3 Abs. 4; AGGVG § 12 a; WEG § 44 Abs. 3; DRiG § 26 Abs. 2; DRiG § 80 Abs. 1 Satz 1; VwGO § 154 Abs. 1

Instanzenzug: Kammergericht Berlin - Dienstgerichtshof - vom LG Berlin - Dienstgericht - vom

Tatbestand

Der Antragsteller ist Richter am Amtsgericht in B. . In einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz bestimmte er auf einen am eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung Termin zur mündlichen Verhandlung auf den und kündigte am Schluß der Verhandlung eine Entscheidung im Dezernatswege an. Auf eine Erinnerung teilte er den Verfahrensbeteiligten am mit, daß die Entscheidung wegen Überlastung der Abteilung bisher nicht abgesetzt werden konnte und nach Bearbeitung älterer Verfahren im September vorliegen dürfte. Am wies er den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurück. Die Entscheidung in der Hauptsache traf er am .

Bereits am hatten die Prozeßbevollmächtigten der antragstellenden Partei des WEG-Verfahrens Dienstaufsichtsbeschwerde wegen verzögerter Sachbearbeitung erhoben. Der Präsident des Amtsgerichts wies diese Beschwerde nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des Antragstellers mit Rücksicht auf Art. 97 Abs. 1 GG zurück. Auf eine weitere Beschwerde holte die Präsidentin des Kammergerichts eine ergänzende Stellungnahme des Antragstellers ein und teilte den beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten am folgendes mit:

"Der amtierende Richter hat sich zu Ihrer Eingabe nunmehr ergänzend geäußert. Er vertritt die Ansicht, daß seine Erwägungen zur Eilbedürftigkeit der Angelegenheit der richterlichen Unabhängigkeit unterlägen, er dazu habe übergehen können, entscheidungsreife Sachen in der Reihenfolge ihres Eingangs abarbeiten zu können und nicht die Beteiligten bevorzugen zu müssen, die sich beim Gerichtsvorstand beschwerten.

Diesen Ausführungen kann ich zwar im allgemeinen, nicht aber in jeder Hinsicht für den konkreten Fall zustimmen. Zutreffend hebt der Richter hervor, daß er bei seiner Entscheidung, welche Sachen eilbedürftig sind und daher bevorzugt verhandelt werden müssen, nur dem Gesetz und dem Recht unterworfen ist. Ein Gerichtsvorstand ist daher grundsätzlich nicht befugt, dem Richter vorzugeben, welche Sache er wann zu verhandeln und zu entscheiden hat. Dies wird selbst dann gelten, wenn - wie hier - ein Richter die Ansicht vertritt, in Wohnungseigentumssachen werde schon routinemäßig eine einstweilige Anordnung beantragt, so daß die Sache allein durch deren Beantragung noch nicht besonders noch nicht eilbedürftig werde. Hieran kann auch die weitere Erwägung, der Antragstellerseite werde durch eine Nicht-Entscheidung der Weg in die Rechtsmittelinstanz versperrt, nichts ändern: Der Richter hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, daß einstweilige Anordnungen nach § 44 Abs. 3 WEG keinem förmlichen Rechtsmittel unterliegen.

Der amtierende Richter hat das konkrete Verfahren jedoch nicht in der gebotenen Weise gefördert. Er hat zwar auf den am bei Gericht eingegangenen Antrag als erstes Termin zur mündlichen Verhandlung auf den bestimmt und im Termin eine Entscheidung im Dezernatswege angekündigt. Auf Erinnerung hat er mit Verfügung vom unter Hinweis auf vorrangig zu bearbeitende Verfahren mitgeteilt, daß eine Entscheidung im September 2000 vorliegen dürfte, und eine Wiedervorlage der Sache auf den 28. August verfügt. Damit hat der Richter die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen der seinerzeitigen Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. Nach Fristablauf ist er indes nicht mehr tätig geworden. Insbesondere hat er die Beteiligten nicht von etwa unvorhergesehenen weiteren Hindernissen unterrichtet, die der Entscheidungsfindung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit zwingend entgegenstehen. Ihre Mandanten hätten deshalb die angekündigte Entscheidung, zumindest aber einen Zwischenbescheid, der die Hinderungsgründe erläutert hätte, erwarten dürfen.

Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft."

Eine Ablichtung dieses Schreibens übersandte die Präsidentin des Kammergerichts dem Antragsteller mit folgendem Anschreiben:

"Mit der Bitte um Kenntnisnahme übersende ich eine Ablichtung meines dem Einsender erteilten Bescheides vom heutigen Tage.

Ihrer Einschätzung, daß die Bewertung der Eilbedürftigkeit des Verfahrens, insbesondere im Verhältnis zu der anderer Verfahren, Ihrer Beurteilung in richterlicher Unabhängigkeit unterliegt, bin ich beigetreten. Angesichts der objektiv beträchtlichen Länge des Verfahrens und Ihrer mitgeteilten Einschätzung, im September 2000 zu entscheiden, durften die Beteiligten dann aber die Entscheidung erwarten. Daß im übrigen jedenfalls ein Zwischenbescheid geboten gewesen wäre, wenn - was für mich nicht ersichtlich ist - unerwartete Hinderungsgründe eingetreten wären, ergibt sich aus dem Rechtsgedanken von § 3 Abs. 4 Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG), das gemäß § 12 a AGGVG entsprechend auch auf die Berliner Gerichte Anwendung findet."

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers vom wies der Antragsgegner am zurück. Hiergegen hat der Antragsteller das Dienstgericht bei dem Landgericht Berlin mit dem Antrag angerufen festzustellen, daß der Bescheid der Präsidentin des in Verbindung mit dem Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten vom selben Tag in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom einen unzulässigen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit darstelle. Das Dienstgericht hat diesen Antrag durch Urteil vom zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Antragstellers hat der Dienstgerichtshof bei dem das Urteil des Dienstgerichts bei dem Landgericht Berlin teilweise abgeändert und festgestellt, daß der Bescheid der Präsidentin des an den Antragsteller und ihr Schreiben vom selben Tag an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten mit dem Hinweis auf das Gebot eines Zwischenbescheides in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers eingriffen. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof ausgeführt, dieser Hinweis überschreite die Grenzen der nach § 26 Abs. 2 DRiG zulässigen Maßnahmen. Es sei mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar, einen Richter zu einer bestimmten Maßnahme aufzufordern. Die Berufung des Antragstellers habe hingegen keinen Erfolg, soweit er rüge, das Dienstgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob ihm eine verzögerliche Arbeitsweise vorgeworfen werden könne. Dieser Vorhalt sei im Rahmen der Dienstaufsicht zulässig, ohne daß dadurch die richterliche Unabhängigkeit tangiert werde. Ob der Vorhalt sachlich richtig sei, habe das Dienstgericht nicht zu prüfen. Soweit die Präsidentin des Kammergerichts den beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten mitgeteilt habe, der Antragsteller habe zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen seiner Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen, sei die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht verletzt. Darin liege nur eine Ermahnung zur beschleunigten Bearbeitung, aber kein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Antragstellers.

Gegen diese Entscheidung richten sich die zugelassenen Revisionen beider Parteien.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, der Dienstgerichtshof habe nicht ausreichend gewürdigt, daß die angefochtenen Bescheide ihn dazu hätten veranlassen sollen, das konkrete WEG-Verfahren, abweichend von seinen eigenen Prioritäten, bevorzugt zu bearbeiten. Die Bescheide enthielten zudem eine ausdrückliche Mißbilligung, weil das Verfahren nicht bearbeitet worden sei. Der Dienstgerichtshof habe zu Unrecht nicht geprüft, ob der Vorhalt einer verzögerten Sachbehandlung angesichts der gesamten Geschäftsbelastung unbegründet sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers wird auf seine Revisionsbegründungsschrift vom Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des Dienstgerichtshofes bei dem abzuändern und festzustellen, daß der Bescheid der Präsidentin des in Verbindung mit ihrem Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten vom selben Tag in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners vom im Ganzen einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit darstellen, insbesondere auch insoweit als in dem an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten gerichteten Schreiben ausgeführt wird: "Der amtierende Richter hat das konkrete Verfahren jedoch nicht in der gebotenen Weise gefördert. ... Damit hat der Richter die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen der seinerzeitigen Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. ... Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft."

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.

Mit seiner Revision beantragt der Antragsgegner,

unter Abänderung des Urteils des Dienstgerichtshofes bei dem den Antrag des Antragstellers vom im Ganzen zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Dienstgerichtshof habe zu Unrecht einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit darin gesehen, daß dem Antragsteller sein Schweigen auf das Verstreichen des avisierten Entscheidungstermins vorgehalten worden sei. Der in dem Vorhalt zum Ausdruck kommende Wunsch nach Selbstverständlichem, nämlich einem Zwischenbescheid, sei nicht zu beanstanden. Die Verfahrensweise des Antragstellers verletze elementare Rechte der Verfahrensbeteiligten, die Anspruch darauf hätten zu wissen, wie es um das Verfahren bestellt sei. Ein angemessenes Verhalten im Umgang mit den Verfahrensbeteiligten gehöre zum Bereich der äußeren Ordnung und könne zum Gegenstand von Maßnahmen der Dienstaufsicht gemacht werden.

Der Antragsteller beantragt,

die Revision des Antragsgegners zurückzuweisen.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Gründe

Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG, § 56 Satz 2 BlnRiG) des Antragstellers ist begründet. Die Revision des Antragsgegners ist unbegründet.

I. Revision des Antragstellers

1. Das Urteil des Dienstgerichtshofes hält, soweit die Berufung des Antragstellers zurückgewiesen worden ist, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Bescheid der Präsidentin des an den Antragsteller in Verbindung mit ihrem Schreiben vom selben Tag an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten stellt im Ganzen eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar. Gegenstand des dienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens ist nicht nur der Bescheid an den Antragsteller, sondern auch das Schreiben an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten. Auch dieses stellt eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar (vgl. RiZ(R) 6/68, BGHZ 51, 280, 284). Die Präsidentin des Kammergerichts hat es dem Antragsteller in Ablichtung mit der ausdrücklichen Bitte um Kenntnisnahme übersandt.

2. a) Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit liegt zunächst darin, daß in dem Schreiben vom an die beschwerdeführenden Prozeßbevollmächtigten die Auffassung geäußert wird, der Antragsteller habe das konkrete, noch anhängige Verfahren, in dem die Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben worden war, nicht in der gebotenen Weise gefördert. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Äußerung einen Vorhalt im Sinne des § 26 Abs. 2 DRiG oder nur eine schwächere Maßnahme der Dienstaufsicht (vgl. RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285 und vom - RiZ(R) 7/86, BGHZ 100, 271, 276), etwa einen Hinweis (Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 52), darstellt. Die Dienstaufsicht darf sich auch in laufenden Verfahren darüber vergewissern, daß keine Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse auftreten ( RiZ (R) 1/86, DRiZ 1987, 57), und ggf. auch einen Einzelfall zum Anlaß nehmen, dem Richter die ordnungswidrige Ausübung seiner Tätigkeit vorzuhalten (vgl. RiZ(R) 6/68, BGHZ 51, 280, 286). Damit ist eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit nicht verbunden, solange das noch anhängige Verfahren als Beleg und Beispiel für den Vorhalt ungenügender Beschleunigung dient und der Vorhalt sich auf "Fälle dieser Art" bezieht ( RiZ(R) 3/75, BGHZ 67, 184, 190 und vom - RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422). Hingegen ist ein solcher Vorhalt aus Anlaß eines anhängigen Einzelfalles unzulässig, wenn der Richter veranlaßt werden soll, das noch nicht abgeschlossene Verfahren anderen gleich bearbeitungsbedürftigen Verfahren vorzuziehen ( RiZ(R) 5/87, NJW 1988, 421, 422). Da nur der Richter in richterlicher Unabhängigkeit über die Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte entscheidet, darf die Dienstaufsicht ihn selbst dann nicht um die umgehende Bearbeitung eines ganz bestimmten Verfahrens aus seinem Dezernat ersuchen, wenn sie insoweit ein pflichtwidriges Verhalten des Richters für gegeben erachtet ( RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197, 1198). Auch einer psychologischen Einflußnahme hat sich die Dienstaufsicht zu enthalten ( RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 43 f.).

Gemessen hieran war die Äußerung der Auffassung, der Antragsteller habe ein konkretes, noch anhängiges WEG-Verfahren nicht in der gebotenen Weise gefördert, unzulässig. Sie steht in einem untrennbaren Sinnzusammenhang mit der weiteren Äußerung, der Beschwerdeführer habe die angekündigte Entscheidung, zumindest einen Zwischenbescheid, erwarten dürfen, und mit dem Schlußsatz: "Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft." Aus diesem Kontext geht hervor, daß der Antragsteller auch durch die Äußerung der Auffassung, er habe das konkrete, noch anhängige Verfahren nicht in der gebotenen Weise gefördert, zu einer alsbaldigen Entscheidung dieses Verfahrens, unabhängig von der von ihm selbst für richtig befundenen Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte, veranlaßt werden sollte. An dieser Bedeutung der Äußerung ändert auch die vorangehende Bemerkung nichts, dem Richter könne nicht vorgegeben werden, welche Sache er wann zu verhandeln habe. Der darin liegende Widerspruch nimmt der Äußerung bei objektivem Verständnis nicht den Charakter einer zumindest psychologischen Einflußnahme auf die Entscheidung des Antragstellers über die Reihenfolge der Bearbeitung seiner Dienstgeschäfte.

b) Dieselbe Wirkung geht von der weiteren Bemerkung in dem Schreiben vom aus, der Antragsteller habe durch seine Verfügung vom und die Verfügung der Wiedervorlage auf den die Eilbedürftigkeit der Sache anerkannt und zum Ausdruck gebracht, sich im Rahmen seiner Arbeitsbelastung alsbald der Angelegenheit zuwenden zu wollen und zu sollen. Dieses Verständnis der Verfügung des Antragstellers vom ist sachlich nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller hat in dieser Verfügung lediglich ausgeführt, daß die Entscheidung wegen Überlastung der Abteilung bisher nicht abgesetzt werden konnte und nach Bearbeitung älterer Verfahren im September vorliegen dürfte. Von einer Eilbedürftigkeit der Sache ist hier ebensowenig die Rede, wie davon, sich der Sache alsbald zuwenden zu sollen. Daß der Antragsteller das Verfahren tatsächlich nicht als eilbedürftig ansah, ging aus seiner zu der Dienstaufsichtsbeschwerde eingeholten dienstlichen Äußerung vom hervor. Darin führt der Antragsteller aus, eine Sache sei nicht allein deshalb eilbedürftig, weil, wie in WEG-Verfahren schon routinemäßig, eine einstweilige Anordnung beantragt worden sei. Falls er diesen Antrag für begründet gehalten hätte, hätte er schon längst eine solche erlassen. Ergänzend hat der Antragsteller am in einer weiteren von der Dienstaufsicht eingeholten Äußerung ausgeführt, soweit nicht während der Bearbeitung weitere ältere entscheidungsreife Verfahrensakten vorgelegt würden, hoffe er, die Entscheidung binnen eines Monats nach Rückkehr der Akten absetzen zu können. Das gelte jedoch nur vorbehaltlich der weiteren Geschäftsentwicklung. Im November und Dezember sollten die WEG-Verfahren wegen der Personalknappheit nur von zwei Richtern bearbeitet werden, da der Direktor des Amtsgerichts den Ausfall im Nachlaßdezernat vertreten werde. Im November werde er daher das gesamte WEG-Dezernat für drei Wochen zu bearbeiten haben, da sein Vertreter Urlaub habe. Aus diesen Äußerungen, die der Präsidentin des Kammergerichts im Zeitpunkt ihres Schreibens vom vorlagen, ging eindeutig hervor, daß der Antragsteller die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hielt und deshalb auch nicht meinte, sich ihr alsbald zuwenden zu sollen. Die gegenteilige Äußerung in dem Schreiben vom konnte deshalb bei objektiver Auslegung als psychologische Einflußnahme verstanden werden, die den Antragsteller, unabhängig von seiner eigenen Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung, zu einer alsbaldigen Entscheidung in dem noch anhängigen WEG-Verfahren veranlassen sollte.

Dies gilt auch für die weitere Bemerkung, die Beschwerdeführer hätten die angekündigte Entscheidung, zumindest einen Zwischenbescheid, erwarten dürfen, für den Schlußsatz: "Ich hoffe, daß der Richter nunmehr alsbald die noch ausstehende Entscheidung trifft." und für die Bemerkung in dem an den Antragsteller gerichteten Schreiben, die Beteiligten hätten angesichts der objektiv beträchtlichen Länge des Verfahrens und der mitgeteilten Einschätzung des Antragstellers, im September 2000 zu entscheiden, die Entscheidung erwarten dürfen.

II. Revision des Antragsgegners

Das Urteil des Dienstgerichtshofes ist rechtsfehlerfrei, soweit dieser in dem Hinweis der Präsidentin des Kammergerichts auf das Gebot eines Zwischenbescheides einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen hat.

1. Der Bereich der richterlichen Unabhängigkeit umfaßt nicht nur die eigentliche Rechtsfindung und die ihr unmittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen ( RiZ(R) 6/88, NJW 1991, 426, 427 m.w.Nachw.), sondern auch nicht ausdrücklich vorgeschriebene, dem Interesse der Rechtsuchenden dienende richterliche Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen ( RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469).

Zu diesen Handlungen gehört, ebenso wie sonstige Terminbestimmungen (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 25 Rdn. 8), auch ein Zwischenbescheid über den voraussichtlichen Termin, zu dem in einem bestimmten Verfahren eine Entscheidung ergeht. Ein solcher Bescheid steht mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden, schon deshalb in engem sachlichen Zusammenhang, weil die Verfahrensbeteiligten ihm entnehmen können, bis wann sie Schriftsätze einreichen können, um dadurch auf die Entscheidung Einfluß zu nehmen. Der Antragsgegner macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, der Zwischenbescheid betreffe nicht die Rechtsprechungstätigkeit in dem anhängigen WEG-Verfahren, sondern nur die hinausgezögerte Bearbeitung der Sache wegen vermeintlicher Überlastung, die zum äußeren Ordnungsbereich der richterlichen Tätigkeit gehöre und der Dienstaufsicht unterliege. Diese Auffassung ist unzutreffend, weil ein Zwischenbescheid über den voraussichtlichen Entscheidungstermin in untrennbarem Zusammenhang mit der Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung der einzelnen Dienstgeschäfte steht, die, wie dargelegt, allein der Richter in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen hat.

2. Das Unterlassen eines Zwischenbescheides war kein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff, der auch im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit zum Gegenstand dienstaufsichtlicher Maßnahmen gemacht werden darf (vgl. RiZ(R) 1/66, BGHZ 46, 147, 150, vom - RiZ(R) 3/75, BGHZ 67, 184, 187, vom - RiZ(R) 2/77, BGHZ 70, 1, 4, vom - RiZ(R) 2/79, BGHZ 76, 288, 291 und vom - RiZ(R) 2/95, DRiZ 1996, 371, 372). Die gegenteilige Ansicht des Antragsgegners ist nicht haltbar. Der Hinweis der Präsidentin des Kammergerichts auf § 3 Abs. 4 BlnVGG, der nach § 12 a BlnAGGVG "entsprechend auch auf die Berliner Gerichte Anwendung" finden soll, ist, wie der Dienstgerichtshof näher ausgeführt hat, schon sachlich unzutreffend. Das für das Ausgangsverfahren maßgebliche Wohnungseigentumsgesetz schreibt die Erteilung eines Zwischenbescheids nicht vor. Angesichts dieser Rechtslage war das Unterlassen eines Zwischenbescheids keinesfalls ein offensichtlicher Fehlgriff, zumal der Antragsteller am nur mitgeteilt hatte, daß die Entscheidung im September vorliegen "dürfte", und die Verfahrensbeteiligten anschließend keine weitere Sachstandsanfrage an ihn gerichtet, sondern Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben hatten, zu denen der Antragsteller sich wiederholt dienstlich geäußert hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V. mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Revisionsinstanz auf 4.000 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Fundstelle(n):
BAAAC-01638

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein