BGH Beschluss v. - NotZ 27/03

Leitsatz

[1] a) Wird gegen einen Notar die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO wegen des Verdachts einer geistigen Erkrankung betrieben, so gilt er für das gesamte Verfahren unabhängig davon als verfahrensfähig, ob ihm aufgrund der Erkrankung gegebenenfalls die Geschäftsfähigkeit ermangelt. Er kann daher die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe selbst wirksam erheben, auch wenn für ihn ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Vertretung im Amtsenthebungsverfahren" bestellt worden ist.

b) Ist dem Notar in einem derartigen Fall ein Betreuer bestellt worden, so werden die Fristen für die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe allein durch die Eröffnung (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BNotO) bzw. Bekanntmachung (§ 111 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO) der anfechtbaren Entscheidung an den Betreuer in Gang gesetzt. Dies gilt auch für den Rechtsbehelf, den der Notar selbst einlegt.

Gesetze: BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 7; BNotO § 50 Abs. 4

Instanzenzug: OLG Celle vom

Gründe

I.

Der 1947 geborene Antragsteller ist seit 1977 als Rechtsanwalt bei dem Landgericht H. zugelassen. 1987 wurde er zum Notar mit Amtssitz in H. bestellt.

Mit Bescheid vom enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller vorläufig seines Amtes als Notar, weil dringende Gründe für die Annahme sprächen, daß er infolge einer Schwäche seiner geistigen Kräfte nicht nur vorübergehend unfähig sei, dieses Amt ordnungsgemäß auszuüben (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO). Gleichzeitig ordnete die Antragsgegnerin an, daß sich der Antragsteller zur Überprüfung, ob er wegen Geistesschwäche das Amt eines Notars nicht ausüben könne, unverzüglich amtsärztlich untersuchen lasse. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am zugestellt. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte er hiergegen nicht. Der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung kam er indessen in der Folge nicht nach, obwohl ihm mehrfach Termine zur Vorstellung bei dem zuständigen Amtsarzt genannt wurden.

Auf Veranlassung der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller vom Amtsgericht H. am gemäß § 50 Abs. 4 BNotO der Rechtsanwalt und Notar T. als Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in dem auf die Amtsenthebung gerichteten Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO".

Da alle Bemühungen scheiterten, den Antragsteller zu einer amtsärztlichen Untersuchung zu bewegen, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Verfügung vom gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO mit, daß sie nunmehr beabsichtige, ihn auf der Grundlage der ihr vorliegenden anderen Erkenntnisquellen endgültig seines Amts zu entheben, da diese Quellen belegten, daß er wegen einer psychischen Erkrankung dauerhaft nicht in der Lage sei, das Amt des Notars auszuüben. Diese Verfügung ließ die Antragsgegnerin dem Betreuer des Antragstellers am zustellen. Dem Antragsteller persönlich wurde sie nicht bekannt gemacht. Der Betreuer übermittelte sie ihm erst mit Schreiben vom , das am beim Antragsteller einging.

Nachdem innerhalb eines Monats nach Zustellung an den Betreuer gegen die Verfügung vom ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BNotO) nicht gestellt wurde, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom mit, daß sie nunmehr beabsichtige, ihn endgültig seines Amtes zu entheben, da aufgrund des nicht angefochtenen Bescheides vom rechtskräftig feststehe, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO vorlägen. Gleichzeitig räumte sie dem Antragsteller eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ein. Auch dieses Schreiben wurde allein dem Betreuer des Antragstellers am zugestellt. Dieser leitete es noch am selben Tag per Telefax an den Antragsteller weiter. Eine Stellungnahme wurde innerhalb der gesetzten Frist weder vom Antragsteller noch von seinem Betreuer abgegeben.

Daraufhin enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom endgültig seines Amtes als Notar und bezog sich zur näheren Begründung auf ihre Verfügung vom . Dieser Bescheid wurde dem Betreuer des Antragstellers am zugestellt. Hiergegen hat der Antragsteller mit persönlichem Schreiben vom , per Telefax eingegangen am selben Tag, beim Oberlandesgericht Celle gerichtliche Entscheidung beantragt. In einer nachgereichten Begründung zu diesem Antrag hat er sich unter anderem auch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom gewandt und beantragt, diesen Bescheid - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - ebenfalls aufzuheben.

Der Senat für Notarsachen beim Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluß vom zurückgewiesen.

Dieser Beschluß ist dem Antragsteller persönlich am und seinem Betreuer am zugestellt worden. Am hat der Antragsteller mit Telefax-Schreiben zum Oberlandesgericht sofortige Beschwerde gegen den Beschluß eingelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO). Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, daß der Antragsteller nach den vorliegenden Erkenntnissen aufgrund einer geistigen Erkrankung möglicherweise nicht geschäftsfähig (§ 104 Nr. 2 BGB) ist mit der Folge, daß ihm grundsätzlich die Fähigkeit ermangelt, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 40 Abs. 4 BRAO) selbständig als Beteiligter aufzutreten und Verfahrenshandlungen wirksam vorzunehmen (Verfahrensfähigkeit; vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 13 Rn. 32 und 44). Denn die Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, daß derjenige, der an einer geistigen Erkrankung leidet, für die Verfahren, in denen darüber entschieden wird, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Konsequenzen aus einer derartigen Erkrankung zu ziehen sind, als verfahrensfähig gilt (vgl. BVerfGE 10, 302, 306; BGHZ 35, 1, 8 ff.; 70, 252, 255 f.). Dies ist auch für das anwaltsgerichtliche Verfahren über die Rücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 BRAO allgemein anerkannt (s. AnwZ (B) 60/91 - BRAK-Mitt. 1992, 171; BGHZ 52, 1). Für das Verfahren über die Amtsenthebung eines Notars gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO kann nichts anderes gelten (Lerch, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 50 Rn. 41).

2. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht angenommen, daß im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen ist, ob der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, sein Amt ordnungsgemäß auszuüben.

a) Durch die Verfügung der Antragsgegnerin vom ist das Amtsenthebungsverfahren (Vorschaltverfahren) eingeleitet worden. Wird gegen eine derartige Verfügung nicht von dem nach § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO eingeräumten Antragsrecht Gebrauch gemacht, so hat das zur Folge, daß es dem Betroffenen verwehrt ist, die nach Eröffnung der Amtsenthebungsgründe folgende Amtsenthebung mit der Begründung anzufechten, die Amtsenthebungsgründe lägen nicht vor. Die dem Notar eröffnete Möglichkeit, die Feststellung, ob in den Fällen des § 50 Abs. 1 Nr. 5 bis 9 BNotO die Voraussetzung der Amtsenthebung vorliegen, in einem gesonderten Verfahren vorweg überprüfen zu lassen, führt nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsschutzes. Die dort festgestellten Amtsenthebungsgründe sind im anschließenden Streit um die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung grundsätzlich bindend (Senat BGHZ 44, 65, 72; 78, 229, 230 f.; 78, 232, 233; 149, 230, 232). Entsprechendes gilt für den Fall, daß eine gerichtliche Prüfung des Amtsenthebungsgrundes infolge des Umstands, daß von dem nach § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO eingeräumten Antragsrecht kein oder nicht fristgerecht Gebrauch gemacht worden ist, unterblieben ist. Das Unterlassen oder Versäumen des rechtzeitigen Antrags steht rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung des Amtsenthebungsgrundes gleich (Senat BGHZ 78, 232, 233 f.; 149, 230, 232).

Nach der Rechtsprechung des Senats sind allerdings Umstände, die seit Abschluß des Feststellungsverfahrens bis zum Ausspruch der Amtsenthebung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 BNotO eintreten, in die Prüfung, ob ein Amtsenthebungsgrund vorliegt, mit einzubeziehen (Senat BGHZ 149, 230, 233 ff.). Derartige Umstände sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich und werden vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.

b) Die Verfügung vom ist bestandskräftig geworden, weil weder der Antragsteller noch der für ihn bestellte Betreuer rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt haben. Dabei steht dem Eintritt der Bestandskraft der Verfügung insbesondere nicht entgegen, daß diese nur dem Betreuer und nicht (auch) dem Antragsteller gegenüber bekanntgemacht bzw. zugestellt worden ist.

aa) Gemäß § 1902 BGB vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich. Daraus folgt, daß der Betreuer, auch wenn seine Bestellung für sich betrachtet die Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit des Betreuten unberührt läßt, grundsätzlich mit Wirkung für und gegen den Betreuten Willenserklärungen oder Verfahrenshandlungen abgeben oder vornehmen sowie empfangen oder entgegennehmen kann.

bb) Soweit für besondere Verfahrensarten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Betreuungssachen, Unterbringungssachen) vorgeschrieben ist, daß Entscheidungen dem Betroffenen selbst bekanntzumachen sind (§ 69a Abs. 1 Satz 1 und § 70g Abs. 1 Satz 1 FGG), sind diese Bestimmungen vorliegend nicht einschlägig. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht:

Gemäß § 50 Abs. 4 BNotO sind in den auf die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO gerichteten Verfahren für die Bestellung eines Pflegers für den Notar, der zur Wahrnehmung seiner Rechte in dem Verfahren nicht in der Lage ist, für die Pflicht des Notars, sich ärztlich untersuchen zu lassen, und für die Folgen einer Verweigerung seiner Mitwirkung die Vorschriften entsprechend anzuwenden, die für Landesjustizbeamte gelten. § 56 des Niedersächsischen Beamtengesetzes sieht wiederum vor, daß bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gegen den Willen des Beamten die Absicht, den Beamten in den Ruhestand zu versetzen, dem Beamten oder seinem Vertreter bekanntzugeben ist (s. dazu auch Kümmel, Niedersächsisches Beamtengesetz, § 56 Rn. 10).

Diese Bestimmungen, die das Verfahren der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens erleichtern sollen (vgl. Lerch aaO § 50 Rn. 42; siehe auch BT-Drucks. 11/3253 zu § 16 BRAO), sprechen, auch wenn sie nicht unmittelbar einschlägig sind, dafür, daß dann, wenn - wie hier - dem Notar auf Betreiben der Aufsichtsbehörde zur Wahrnehmung seiner Rechte im Amtsenthebungsverfahren ein Betreuer bestellt worden ist, die Bekanntgabe der in dem Verfahren getroffenen Verfügungen (nur) an den Betreuer ausreicht.

cc) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist dann, wenn - wie hier - für den Notar ein Betreuer bestellt ist, der in der Lage ist, die "Verfahrensrechte" des Notars - insbesondere durch rechtzeitige Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung - wahrzunehmen, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus in der Person des Betreuten liegenden Gründen nicht möglich. Ob dem so uneingeschränkt gefolgt werden kann, erscheint fraglich.

Nach Bekanntgabe der Verfügung vom an den Betreuer oblag es diesem, soweit dem keine triftigen Gründe entgegenstanden, den Antragsteller hierüber unverzüglich zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise mit ihm zu besprechen (vgl. § 1901 Abs. 3 BGB). Vorliegend hat indes der Betreuer erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Antragsteller diese Information erteilt. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts war somit dem Antragsteller die - auch nach Meinung des Oberlandesgerichts grundsätzlich eröffnete - Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung ungeachtet seiner etwaigen Geschäfts- und Verfahrensunfähigkeit und ohne Mitwirkung seines Betreuers überprüfen zu lassen, von vornherein genommen.

Die Frage braucht indes nicht vertieft zu werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil jedenfalls die Antragsfrist versäumt worden ist. Der Antragsteller hat nach eigenem Bekunden am erfahren, daß die Verfügung vom gegen ihn ergangen ist (Schreiben des Antragstellers vom an die Präsidentin des Oberlandesgerichts). Aufgrund dessen hätte der Antragsteller spätestens zwei Wochen danach Antrag auf gerichtliche Entscheidung, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, stellen müssen (§ 114 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 40 Abs. 4 BRAO, § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG entsprechend). Dies ist nicht geschehen.

Fundstelle(n):
AAAAC-01540

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja