BGH Urteil v. - LwZR 2/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 581 Abs. 2; BGB § 566; BGB § 585a; BGB a.F. § 566; ZPO § 543 Abs. 2; AGBG § 1

Instanzenzug: OLG Naumburg vom

Tatbestand

Mit schriftlichem Vertrag vom 18. November/ pachtete die Beklagte für die Zeit vom bis Acker- und Grünland zur Größe von 5,8198 ha, welches sie bereits vorher - zu einem niedrigeren Pachtzins - auf die Dauer von 6 Jahren gepachtet hatte. In dem Vertragsformular ist als Verpächter die "Erbengemeinschaft S. , G. S. , H. " aufgeführt; "für den Verpächter" wurde das Formular von K. A. S. , L. H. und G. -G. S. unterschrieben. In § 9 des Vertrags heißt es u.a.:

"Beabsichtigt der Verpächter oder ein Familienmitglied 1. Grades (Ehepartner oder Kinder) seine Flächen selbst zu bewirtschaften, wird eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor dem beabsichtigten Pachtende vereinbart".

Die Klausel wurde von der Beklagten auf Wunsch anderer Verpächter, mit denen sie gleichlautende Verträge abgeschlossen hatte, auch in diesen Vertrag aufgenommen, ohne daß die Verpächter das zuvor gewünscht hatten.

Die Kläger haben die Pachtflächen erworben; sie wurden als neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom kündigten sie gegenüber der Beklagten das Pachtverhältnis unter Berufung auf die Klausel in § 9 mit der Begründung, daß sie die Flächen zur Bewirtschaftung ihres landwirtschaftlichen Betriebs benötigten. Die Beklagte hält die Kündigung für unwirksam.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat die auf Herausgabe der Flächen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen sie ihre Klage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht meint, das Sonderkündigungsrecht in § 9 des Pachtvertrags sei auf die Mitglieder der Erbengemeinschaft S. und deren Familienangehörige beschränkt. Die vereinbarte Pachtdauer von 12 Jahren bringe den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, vorher grundsätzlich keine einseitige Lösung von dem Vertrag zu gestatten. Dem liefe es zuwider, wenn jeder Erwerber der Flächen jederzeit das Pachtverhältnis einseitig beenden könnte. Die Beklagte müsse befürchten, daß zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt ein Konkurrent die Flächen kaufe und für die eigene Bewirtschaftung beanspruche. Die Beschränkung des Sonderkündigungsrechts auf einen bestimmten Personenkreis sei weitgehend hinfällig, wenn jeder Erwerber die Absicht der Eigenbewirtschaftung geltend machen könne. Für die Beklagte bleibe das Risiko einer vorzeitigen Vertragsbeendigung nur dann überschaubar, wenn das Sonderkündigungsrecht ausschließlich dem ursprünglichen Verpächter zustehe; denn sie habe keine Möglichkeit, sich eine auch nur einigermaßen gesicherte Erkenntnis darüber zu verschaffen, ob die Flächen während der Laufzeit des Vertrags von einem Dritten erworben würden und dieser die Voraussetzungen für das Sonderkündigungsrecht erfülle. Daß die Beklagte ein solches unkalkulierbares Risiko habe übernehmen wollen, könnten die ursprünglichen Verpächter nicht angenommen haben. Durch den Abschluß langfristiger Pachtverträge erhalte der Pächter die notwendige Sicherheit, um die Bewirtschaftung der Flächen und die Anschaffung der entsprechenden Betriebsmittel planen zu können; auch würden nur langfristige Pachtverträge als ausreichende Beleihungsgrundlage bei der Vergabe von Krediten angesehen. Diese erkennbaren Interessen des Pächters sprächen ebenfalls für eine einschränkende Auslegung der Kündigungsklausel. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, daß die Beklagte mit dem Abschluß des Pachtvertrags einer Erhöhung des Pachtzinses zugestimmt habe. Es sei wenig wahrscheinlich, daß sie den erhöhten Pachtzins auch vereinbart hätte, wenn jeder Landwirt die Flächen während der Vertragslaufzeit habe erwerben und danach herausverlangen können. Alledem stünden die Vorschriften der §§ 581 Abs. 2, 566 BGB, wonach bei der Veräußerung der Pachtsache der neue Eigentümer in sämtliche dem ursprünglichen Verpächter eingeräumten Rechte eintritt, nicht entgegen. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit erlaube den Vertragsparteien, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines von ihnen vereinbarten Kündigungsrechts zu regeln und dieses Recht so zu beschränken, daß es nur zugunsten des ursprünglichen Verpächters gelte.

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

II.

Die Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich ist und von dem Berufungsgericht auch nicht angeführt wird. Das Revisionsgericht ist an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

III.

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

1. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, daß das Sonderkündigungsrecht nur für die Mitglieder der Erbengemeinschaft S. , deren Ehepartner und Kinder gilt. Die dagegen erhobenen Rügen der Kläger bleiben ohne Erfolg.

a) Handelt es sich bei der Kündigungsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 AGBG (jetzt § 305 Abs. 1 BGB), wie es der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten hat, ist die Auslegung des Berufungsgerichts für das Revisionsgericht bindend (§§ 545, 560 ZPO). Denn es ist weder festgestellt noch ersichtlich, daß der Anwendungsbereich der Klausel über den Bezirk des Berufungsgerichts hinausgeht (vgl. BGHZ 7, 365, 368). In diesem Fall ist die Revision von vornherein unbegründet.

b) Ist die Klausel dagegen als Individualvereinbarung anzusehen, unterliegt ihre Auslegung der rechtlichen Überprüfung durch den Senat.

Allerdings ist die Auslegung und Würdigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann sie aber darauf überprüfen, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist und ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind (siehe nur , NJW 2003, 3769 m.w.N.). Gemessen daran ist die Auslegung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

aa) Entgegen der Auffassung der Kläger setzt das Auslegungsergebnis nicht voraus, daß die Vertragsparteien an eine Veräußerung der Pachtflächen gedacht haben. Hätten sie diese Möglichkeit in ihre Überlegungen einbezogen, spräche das eher gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, weil dann nahe läge, daß sie es bei der gesetzlichen Regelung des Eintritts des Erwerbers in die Rechte und Pflichten des Veräußerers als Verpächter (§§ 593b, 566 Abs. 1 BGB) belassen wollten.

bb) Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, dem Auslegungsergebnis stehe der Grundsatz entgegen, daß eine Vertragsurkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der beurkundeten Vereinbarungen begründe (siehe nur , NJW-RR 1998, 1064, 1065 m.w.N.). Darum geht es hier nicht. Der Grundsatz stellt keine Auslegungsregel dar, sondern eine Beweiserleichterung für die Auslegungstatsachen (vgl. , NJW 1999, 1702, 1703; Urt. v. , V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165 m. Anm. Laumen BGHReport 2002, 861). Damit hat die Auslegung des Berufungsgerichts jedoch nichts zu tun, weil sie auf dem Urkundeninhalt selbst beruht und außerhalb der Urkunde liegende Umstände nicht entgegenstehen.

cc) Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen die sogenannte Andeutungsformel verstoßen, wonach bei der Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände zwar berücksichtigt werden dürfen, das Auslegungsergebnis aber in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden haben muß (, NJW 1996, 2792, 2793). Das trifft hier zu, denn es muß sich nicht aus dem Wortlaut der Klausel von selbst erschließen.

c) Die Kläger irren schließlich, wenn sie meinen, das Auslegungsergebnis habe zur Folge, daß die nach § 14 des Vertrags erforderliche Schriftform nicht gewahrt sei. Die Auslegung führt nämlich zu keiner zusätzlichen Vereinbarung und auch keiner Vertragsänderung, die der Schriftform bedürfen.

2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision, daß die Angabe der "Erbengemeinschaft S. " als Verpächter in dem Vertragsformular nicht ausreiche, das Schriftformerfordernis des § 585a BGB zu erfüllen.

a) Ein Landpachtvertrag genügt dann der Schriftform, wenn sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere der Pachtgegenstand, der Pachtzins sowie die Dauer und die Parteien des Pachtverhältnisses aus der Urkunde ergeben. Hierbei sind auch die Vertragsparteien genau zu bezeichnen, da der Beweisfunktion, der das Schriftformerfordernis unter anderem dient, nur dann genügt ist, wenn die genaue Bezeichnung des Verpächters aus der Vertragsurkunde ersichtlich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn auf einer Vertragsseite eine Personenmehrheit beteiligt ist. Für einen Grundstückserwerber, dessen Informationsbedürfnis die in § 585a BGB vorgeschriebene Schriftform vorrangig dient, ist es zudem von wesentlicher Bedeutung, erkennen zu können, wer als Verpächter den Pachtvertrag abgeschlossen hat. Insoweit gilt nichts anderes als für das Schriftformerfordernis des § 566 BGB a.F. bei einem Mietvertrag (siehe dazu , NJW 2002, 3389, 3391 m.w.N.). Denn der Hauptzweck des Formzwangs ist mit dem des § 566 BGB a.F. identisch; dem Grundstückserwerber soll es ermöglicht werden, sich über den Inhalt der auf ihn übergehenden langfristigen Bindungen durch Vertragseinsicht zuverlässig zu unterrichten (Staudinger/Pikalo/v. Jeinsen, BGB [1996], § 585a Rdn. 3).

b) Diesen Anforderungen genügt das Vertragsformular. Zwar ist darin als Verpächter lediglich die Erbengemeinschaft S. aufgeführt. Diese war nicht Vertragspartei, weil der Pachtvertrag mit den einzelnen Erben zustande gekommen ist (vgl. aaO, 3390). Aus der Vertragsurkunde war aber für einen Erwerber der Pachtflächen erkennbar, wer auf der Seite des Verpächters Vertragspartei geworden ist, weil die Anschrift der Erben in der Urkunde angegeben ist und sie den Vertrag mit ihren Vor- und Zunamen unterschrieben haben. Damit bestand für einen Erwerber die Möglichkeit, anhand der Vertragsurkunde die Erben zu ermitteln. Das reicht für die Erfüllung des Schriftformerfordernisses des § 585a BGB aus.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
JAAAC-01417

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein