BGH Beschluss v. - IX ZR 281/03

Leitsatz

[1] Entscheidet das Berufungsgericht durch Zwischenurteil, daß eine Unterbrechung des Verfahrens fortdauere, weil die als Kläger auftretende Partei den Rechtsstreit nicht wirksam aufnehmen könne, so ist eine solche Entscheidung für die davon beschwerte Partei wie ein Endurteil mit der Revision anfechtbar.

Gesetze: ZPO § 525; ZPO § 240; ZPO § 303; ZPO § 542 Abs. 1

Instanzenzug: LG Konstanz

Gründe

I.

Die klagende GmbH und Co. KG hat die Beklagte auf Ersatz eines ihr angeblich durch die Pressemitteilung eines Beamten der Beklagten verursachten Schadens von mehr als 6 Mio. DM sowie auf Feststellung des Bestehens weiterer Schadensersatzansprüche ab Beginn des Geschäftsjahres 2000 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Nach Eingang der Berufungsbegründung wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat gegenüber den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Klägerin die streitbefangenen Ansprüche freigegeben. Darauf hat die Klägerin die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen. Das Berufungsgericht hat nach mündlicher Verhandlung durch "Zwischenurteil" ausgesprochen, daß der Rechtsstreit infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen sei.

Die Klägerin hält dies für unzutreffend und ist der Auffassung, das Urteil sei mit der Revision anfechtbar. Sie hat Beschwerde dagegen eingelegt, daß die Revision nicht zugelassen worden ist.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§ 544 Abs. 1 ZPO). Gegen die vom Berufungsgericht als Zwischenurteil nach § 303 ZPO bezeichnete Entscheidung eröffnet das Gesetz das Rechtsmittel der Revision nach Maßgabe der §§ 542 ff ZPO.

1. Das Urteil, dessen Anfechtung die Klägerin beabsichtigt, bringt nach dem Inhalt der von ihm getroffenen Entscheidung zum Ausdruck, daß der geltend gemachte Anspruch ausschließlich im Insolvenzverfahren abgewickelt werden kann. Das Urteil hat daher die Wirkung, daß es die Klägerin endgültig aus dem Rechtsstreit verweist. Wird die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtskräftig, hat die Klägerin - jedenfalls während der Dauer des Insolvenzverfahrens - keine rechtliche Möglichkeit mehr, den behaupteten eigenen Anspruch einzuklagen.

2. Versagt das Gericht in einem zunächst nach § 240 ZPO unterbrochenen Verfahren derjenigen Person, die die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt, die Befugnis, als Kläger aufzutreten, wird diese also von der Prozeßführung ferngehalten, so ist ein solches Urteil wegen der für die davon betroffene Partei ausgehenden Wirkungen wie ein Endurteil anfechtbar. Dies wird im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 34, 427, 429; 45, 359, 362; 86, 235, 238) im Schrifttum allgemein vertreten (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 239 Rn. 12; MünchKomm-ZPO/Feiber, 2. Aufl. § 239 Rn. 32; Musielak/Stadler, ZPO 3. Aufl. § 239 Rn. 8, 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 16. Aufl. § 124 Rn. 15; Stein/Jonas/Roth, ZPO 21. Aufl. § 239 Rn. 27, 40; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 239 Rn. 7). Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Die Wirkung des hier erlassenen Zwischenurteils ist mit derjenigen vergleichbar, die von einer Zwischenentscheidung in Fällen des gewillkürten Parteiwechsels ausgeht und zur Folge hat, daß eine Partei gegen ihren Willen aus dem Prozeß ausscheidet. Dort hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, daß ein solches Zwischenurteil von der betroffenen Partei wie ein Endurteil angefochten werden kann (, NJW 1981, 989). Dem steht nicht das , ZIP 1982, 1318, 1319) entgegen. Der V. Zivilsenat hat dort in einer Sache, die in der Revisionsinstanz gemäß §§ 246, 241 ZPO ausgesetzt worden und vom Kläger gegen die Ehefrau als Alleinerbin des bisherigen Beklagten gegen deren Widerspruch aufgenommen worden war, "gemäß § 303 ZPO durch Zwischenurteil" ausgesprochen, daß der Rechtsstreit weiterhin ausgesetzt sei. Abgesehen davon, daß durch jenes Zwischenurteil keine Partei gegen deren Willen aus dem Rechtsstreit verwiesen wurde, besagt es nichts darüber, ob die entsprechende Entscheidung eines Oberlandesgerichts mit der Revision angefochtenen werden kann.

3. Ob die Entscheidung, die die Klägerin anfechten will, ihrer Natur nach ein Zwischenurteil darstellt, welches jedoch in betreff der Rechtsmittel wie ein Endurteil anzusehen (in diesem Sinne Stein/Jonas/Roth, aaO; Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl. Rn. 3 vor § 239), also analog § 280 Abs. 2 ZPO zu behandeln ist, oder der Sache nach ein echtes Endurteil darstellt (so RGZ, aaO, sowie das übrige oben zitierte Schrifttum), kann dahingestellt bleiben. Nimmt man letzteres an, ist die Klägerin nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz berechtigt, gegen das verfahrensrechtlich unzulässige Zwischenurteil mit dem Rechtsmittel vorzugehen, welches ihr zustände, wenn die Entscheidung als Endurteil ergangen wäre (vgl. , NJW 1994, 1651, 1652).

III.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hat auch Erfolg. Die Zulassung der Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO geboten.

Wie schon aus den Ausführungen des angefochtenen Urteils hervorgeht, wird die Frage, ob der Verwalter auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft befugt ist, einen zur Masse gehörenden Gegenstand freizugeben mit der Wirkung, daß der Schuldner den Rechtsstreit gemäß § 85 Abs. 2 InsO wirksam aufzunehmen in der Lage ist, im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Sie ist von erheblicher praktischer Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Fundstelle(n):
UAAAC-00677

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein