Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 162 Abs. 1; BGB § 326 a.F.; ZPO § 900
Instanzenzug:
Gründe
I.
Der Kläger war Eigentümer eines unbebauten, aus mehreren Parzellen bestehenden Grundstücks in S. (Nähe Berlin). Mit notariellem Vertrag vom veräußerte er die Immobilie für 710.000 DM an die Brüder M. und F. (im folgenden: Käufer), die das Grundstück bebauen sollten. Für den nach Anrechnung verschiedener Beträge verbleibenden, gemäß § 9 des Vertrags vollstreckbaren Restkaufpreis wurde Ratenzahlung vereinbart. Dessen Fälligkeit hing u.a. davon ab, daß der Kaufpreis von vier verkauften Wohneinheiten gezahlt wurde. Die Vertragsbeteiligten erklärten die Auflassung; die vom Kläger bewilligte Auflassungsvormerkung zugunsten der Käufer wurde am im Grundbuch eingetragen. Eine Sicherheit für den vorleistungspflichtigen Kläger war nicht vorgesehen.
Die Käufer veräußerten das Grundstück am an eine H. GmbH für 900.000 DM und traten ihren Eigentumsübertragungsanspruch an diese ab; die Abtretung wurde am im Grundbuch eingetragen.
Am beauftragte der Kläger den Beklagten, seinen Zahlungsanspruch gegen die Käufer zwangsweise durchzusetzen, wobei er ihn über die Weiterveräußerung des Grundstücks in Kenntnis setzte. Auch teilte er ihm seine Befürchtung mit, die Käufer seien in Zahlungsschwierigkeiten. Der Beklagte betrieb die Mobiliarzwangsvollstreckung; am erhielt er ein Pfändungsprotokoll, aus dem sich ergab, daß die Käufer pfandlos waren. Daraufhin beantragte der Beklagte, einen der Käufer zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laden. Eine von den Käufern beauftragte Rechtsanwältin teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom mit, daß die H. GmbH nicht in der Lage sei, den Kaufpreis zu erfüllen, allenfalls in äußerst unregelmäßigen und kleinen Raten. Eine von den Käufern erhobene Vollstreckungsabwehrklage wurde durch außergerichtlichen Ratenzahlungsvergleich erledigt. Der Kläger erhielt von den Käufern insgesamt 113.971 DM, auf den Vergleich hin zumindest 75.000 DM.
Der Kaufvertrag zwischen den Käufern und der H. GmbH wurde rückabgewickelt; die Käufer wurden am als Eigentümer eingetragen. Am bestellten die Käufer eine Eigentümergrundschuld über 1 Mio. DM, die am eingetragen und später abgetreten wurde. Mit notariellem Vertrag vom verkauften sie das Grundstück für 650.000 DM an K. , für den am eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde.
Weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen führten zu keiner Befriedigung des Klägers, weil die Käufer nach wie vor zahlungsunfähig sind.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 500.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung des entsprechenden ersten Teils der Kaufpreisforderung gegen die Käufer zu zahlen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die vorliegende Beschwerde des Beklagten.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Ob das Berufungsgericht durch die Annahme, die H. GmbH habe Eigentum erworben, den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat, kann dahinstehen. Denn das angefochtene Urteil stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. , NJW 2003, 3205, 3206).
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgegangen. Er hätte den Kläger spätestens unmittelbar nach Eingang des Pfändungsprotokolls des Gerichtsvollziehers am umfassend über die Gefahren für seinen ungesicherten Kaufpreisanspruch informieren und ihm ein Vorgehen nach § 326 BGB a.F. nahelegen müssen.
aa) Freilich hat der Kläger den Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am nur beauftragt, seinen Zahlungsanspruch gegen die Käufer zwangsweise durchzusetzen. Die Pflicht des Anwalts, die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen und sich so zu verhalten, daß Schädigungen des Mandanten möglichst vermieden werden, besteht grundsätzlich nur in den Grenzen des erteilten Mandats (, NJW 1993, 2045; v. - IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2649; v. - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247 f; zur Steuerberaterhaftung vgl. auch BGHZ 128, 358, 361). Indes muß der Rechtsanwalt vor Gefahren, die ihm bekannt oder für ihn offenkundig sind, den Mandanten auch bei einem eingeschränkten Mandat warnen, wenn er Grund zu der Annahme hat, daß sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewußt ist (, NJW 1997, 2168, 2169; v. - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247).
Auf der Grundlage des in den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalts wurde für den Beklagten bei der Bearbeitung des Mandats offenkundig, daß dem Kläger bei einer Fortsetzung der von ihm gewünschten Mobiliarvollstreckung zur Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs großer Schaden drohte. Der Kläger hatte den Beklagten bereits bei Mandatserteilung von seiner Befürchtung berichtet, die Käufer steckten in Zahlungsschwierigkeiten. Am ging bei dem Beklagten das Pfandabstandsprotokoll des zuständigen Gerichtsvollziehers ein. Der Beklagte durfte nun nicht einfach mit einem Antrag nach § 900 ZPO die Beitreibung des Kaufpreisanspruchs fortsetzen. Der Zahlungsanspruch des Klägers war nicht gesichert. Die Schuldner waren nach Mitteilung des Gerichtsvollziehers pfandlos. Mit einer alsbaldigen Beitreibung des Kaufpreisanspruchs war somit nicht zu rechnen. Andererseits drohte der Verlust des Grundstücks durch die allein noch ausstehende Umschreibung im Grundbuch. Diese naheliegende Gefahr mußte der Beklagte dem Kläger deutlich vor Augen führen und ihn auf eine Alternative hinweisen, die ihm einerseits den Erhalt des Grundstücks sicherte, ihm andererseits aber die Möglichkeit gab, erlittene Schäden gegebenenfalls doch noch gegenüber den Käufern geltend zu machen.
bb) Hierzu bot sich ein Vorgehen nach § 326 BGB a.F. an. Die Voraussetzungen für die Begründung eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung, der regelmäßig und auch hier gegenüber dem ebenfalls vorgesehenen Rücktrittsrecht günstiger ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 326 Rn. 27), lagen vor.
Der aus dem notariellen Kaufvertrag vom folgende Zahlungsanspruch war fällig. Dem stand die in § 2 des Vertrages vereinbarte Fälligkeitsregelung nicht entgegen. Zwar hing die Fälligkeit danach u.a. davon ab, daß die Käufer vier der von ihnen zu errichtende Wohneinheiten verkauft haben. Diese Fälligkeitsbedingung gilt jedoch gemäß § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten. Denn die Käufer haben durch den Weiterverkauf des Grundstücks den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert. Nunmehr war es völlig offen, ob überhaupt und gegebenenfalls wann die Grundstücke bebaut wurden. Dies hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung zutreffend ausgeführt. So hat dies der Beklagte bei seinem Vorgehen gegen die Käufer auch selbst nachdrücklich vertreten. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf die im notariellen Vertrag erteilte Belastungsvollmacht hinweist, vermag sie damit eine Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB nicht in Frage zu stellen. Denn diese sollte im Rahmen der vertraglich vorgesehenen Abwicklung dazu dienen, daß die Käufer sich die zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen erforderlichen Mittel verschaffen. Die Veräußerung an einen finanziell nicht leistungsfähigen Abkäufer stellt hierzu kein nach dem Vertragszweck gleichwertiges Äquivalent dar.
cc) Der Beklagte ist seiner Pflicht zur Beratung des Klägers nicht nachgekommen. Zwar muß der Mandant die anwaltliche Pflichtverletzung als Voraussetzung seines Regreßanspruchs darlegen und gegebenenfalls beweisen (, NJW 1985, 264, 265; v. - IX ZR 246/95, NJW 1996, 2571 f). Das gilt auch in dem hier vorliegenden Fall einer Unterlassung (vgl. BGHZ 126, 217, 225; aaO; v. - IX ZR 49/97, NJW 1998, 136, 137). Das berechtigte Interesse des Auftraggebers, mit seiner Klage nicht infolge unerfüllbarer Beweisanforderungen zu scheitern, wird in einem solchen Fall dadurch gewahrt, daß das Bestreiten des Anwalts nur erheblich ist, wenn er konkret darlegt, wie die Beratung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Der Anwalt kann sich nicht damit begnügen, den erhobenen Vorwurf allgemein in Abrede zu stellen. Vielmehr muß er den Gang der Besprechung schildern, insbesondere konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat (BGHZ 126, 217, 225; aaO S. 2572; Fischer in Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1005). Der Beklagte hat jedoch nur ganz allgemein behauptet, daß auch über § 326 BGB a.F. gesprochen worden sei; dies genügt nicht.
b) Die haftungsausfüllende Kausalität ist zu bejahen (§ 287 ZPO). Denn es greift die Vermutung ein, daß der Kläger bei pflichtgemäßer Beratung des Beklagten dessen Hinweisen gefolgt wäre. Bei vernünftiger Betrachtungsweise lag aus damaliger Sicht im Blick auf die ungesicherte Vorleistung, die der Kläger zu erbringen hatte, und die Pfandlosigkeit der Käufer nur die Entscheidung nahe, im Wege des § 326 BGB a.F. vorzugehen (vgl. BGHZ 123, 311, 318). Der Beklagte hat keine erheblichen Tatsachen vorgetragen, die für ein atypisches Verhalten des Klägers sprechen könnten (vgl. , NJW 1996, 2648, 2651; v. - IX ZR 299/95, NJW 1996, 3009). Die von ihm behaupteten "Geldnöte" des Klägers genügen hierfür nicht.
c) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß dem Kläger jedenfalls ein Schaden in Höhe von 500.000 DM entstanden ist.
aa) Der Kläger konnte im Juli 1997 nach § 326 BGB a.F. vorgehen. Im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann der Gläubiger nach der sogenannten Differenztheorie verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (BGHZ 2, 310, 313 f; 20, 338, 343). Ihm ist die Wertdifferenz zwischen der Vermögenslage, die sich bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung ergeben hätte, und derjenigen zu ersetzen, die sich infolge der Nichterfüllung tatsächlich ergeben hat. Dabei wird das Vertragsverhältnis in der Weise umgestaltet, daß an die Stelle der beiderseitigen Leistungspflichten ein einseitiges - am Erfüllungsinteresse ausgerichtetes - Abrechnungsverhältnis tritt, innerhalb dessen die einzelnen Ansprüche nur noch (unselbständige) Rechnungsposten sind (RGZ 141, 259, 262). Zwar kann der Gläubiger die von ihm geschuldete Leistung im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung grundsätzlich nicht zurückverlangen, wenn er sie bereits erbracht hat; einen Anspruch auf Rückabwicklung hat er vielmehr in der Regel nur, wenn er vom Vertrag zurücktritt (RG JW 1931, 1183, 1184; 1932, 1204, 1206). Eine Einschränkung erfährt die Differenztheorie nach der Rechtsprechung aber insoweit, als der Gläubiger, der Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrt, hierdurch nicht gehindert wird, die bereits übergebene, aber noch nicht übereignete Sache aufgrund seines Eigentums herauszuverlangen (§ 985 BGB), weil mit dem Erfüllungsanspruch auch das Recht des Schuldners zum Besitz der Sache (§ 986 BGB) entfallen ist (RGZ 141, 259, 261; , WM 1966, 575, 576). Er muß sich dann freilich den Wert des Grundstücks auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen (RG, aaO; RGZ 144, 62, 65). Da mit dem Erlöschen des Erfüllungsanspruchs (vgl. hierzu BGHZ 20, 338, 343 f; , NJW 1994, 3351) auch der Auflassungsanspruch des Schuldners (Käufer) erlischt, kann der Gläubiger (Verkäufer) außer der Herausgabe des Grundstücks auch die Löschung einer bereits eingetragenen Auflassungsvormerkung sowie die Einwilligung in die Aufhebung der Auflassungserklärung und den Verzicht auf die Rechte aus der Eintragungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung verlangen (§ 812 BGB; vgl. BGHZ 87, 156, 159 f).
Auf diese Weise hätte der Beklagte die Rechte des Klägers an dem nach § 6 des notariellen Vertrages am übergebenen Grundstück verfolgen müssen. Sofern die Käufer zur Erfüllung der bezeichneten Ansprüche nicht freiwillig bereit gewesen wären, hätte der Beklagte die Rechte des Klägers im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes sichern müssen. Dies konnte insbesondere durch ein im Wege der Sicherungsverfügung (§ 938 Abs. 2 ZPO) zu erwirkendes Erwerbsverbot geschehen (, NJW 1983, 565; vgl. näher Raebel, in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl. Teil 5 Rn. 316 ff).
bb) Zwar hat das Berufungsgericht den Zeitpunkt, auf den für die Schadensberechnung abzustellen ist, nicht näher bezeichnet. Maßgeblich ist insbesondere nicht der Zeitpunkt des Erlöschens der primären Leistungspflichten nach Ablauf der vom Gläubiger gesetzten Nachfrist; vielmehr ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Kaufpreis fällig geworden ist (BGHZ 126, 131, 134). Die vom Berufungsgericht für seine Schadensschätzung (§ 287 ZPO) herangezogenen Vergleichsverkäufe sind jedoch in dieser Zeit und noch etwas später abgeschlossen worden; hierauf durfte es rechtsfehlerfrei die Annahme stützen, dem Kläger sei ein Schaden in Höhe von jedenfalls 500.000 DM entstanden.
2. Auf die, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, rechtsfehlerhafte Annahme des Berufungsgerichts, die Abtretung des Auflassungsanspruchs sei unwirksam, kommt es, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht an (vgl. , NJW 2003, 831). Dahinstehen kann daher, ob der von ihr erhobene Vorwurf objektiv willkürlicher Rechtsanwendung gerechtfertigt ist.
3. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage zu den Hinweispflichten bei einem beschränkten Mandat ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt; unter welchen Voraussetzungen hieraus eine Pflicht zu einem Hinweis auf ein Vorgehen nach § 326 BGB a.F. folgt, ist eine Frage des Einzelfalls. Denn der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles ( aaO S. 2649).
Fundstelle(n):
RAAAC-00600
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein