Leitsatz
[1] Zur Beratungspflicht eines Steuerberaters, der die Lohnbuchführung seines Auftraggebers übernommen hat und Beschäftigte des Auftraggebers als "krankenversicherungsfrei" einschlüsselt.
Zum Beginn der Verjährungsfrist von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater wegen Pflichtverletzungen bei der Prüfung der Beitragspflicht eines Beschäftigten zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Gesetze: BGB § 675; SGB V § 8; StBerG § 68; SGB IV § 28 p Abs. 1
Instanzenzug: LG Berlin
Tatbestand
Die Beklagte war seit 1990 für das im Beitrittsgebiet ansässige Einzelunternehmen des späteren Geschäftsführers der Klägerin (fortan: Einzelunternehmen oder W. ) und ab dem Jahre 1998 für die Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin als steuerliche Beraterin tätig. Mit Vertrag vom übernahm sie rückwirkend zum auch die Lohnbuchführung (Lohnabrechnung und Lohnkontenführung) sowie die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung zu ausgewählten Problemen nach Bedarf. In den Jahren 1992 bis 1997 beschäftigte das Einzelunternehmen unter anderem J. W. , die Ehefrau des Betriebsinhabers, sowie L. E. . Beide Beschäftigte hatten im Jahre 1994 eine private Krankenversicherung abgeschlossen; E. hatte zuvor bis Ende des Jahres 1993 der AOK Berlin als freiwilliges Mitglied angehört. J. W. bezog im Jahre 1995, E. in den Jahren 1995 bis 1997 Einkommen, die unterhalb der für die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht maßgeblichen Entgeltgrenzen lagen. W. entrichtete an beide Arbeiternehmer gleichwohl Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung; an die gesetzliche Krankenversicherung führte er jedenfalls ab dem Jahre 1995 keine Beiträge ab.
Die Beklagte ging bei Übernahme der Lohnbuchführung irrtümlich davon aus, daß beiden Arbeitnehmern eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (Versicherungspflicht wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze) erteilt worden war und gab in den von ihr im Jahre 1995 erstellten Gehaltsabrechnungen sowie in den Jahresmeldungen an die Einzugsstelle gemäß § 28 a Abs. 2 SGB IV unter der Rubrik "Beitragsgruppen Krankenversicherung" als Schlüsselzahl die "0" ein, die nach der Legende für "Krankenvers. (KV)" "kein Beitrag" steht.
Nach einer am von der Landesversicherungsanstalt Berlin (fortan: LVA) bei der Beklagten durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 forderte die LVA mit Leistungsbescheid vom Sozialversicherungsbeiträge für J. W. und E. nach, weil W. im Jahre 1995 und E. in den Jahren 1995 bis 1997 unterhalb der sozialversicherungspflichtigen Entgeltgrenze gelegen hätten und der Allgemeinen Ortskrankenkasse keine Bestätigungen über die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht vorlägen.
Mit der Klage verlangt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens und gestützt auf eine Abtretung vom von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der Hälfte der nachgezahlten Beiträge (Arbeitnehmeranteile) zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Sie meint, die Beklagte habe ihre sich aus der Lohnbuchhaltung ergebenden Pflichten verletzt, weil sie beide Beschäftigte, ohne daß die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten, als von der gesetzlichen Krankenversicherung befreite Mitglieder behandelt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat im übrigen die Einrede der Verjährung erhoben. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Klageabweisung.
Gründe
Die Revision ist begründet. Die Verurteilung der Beklagten kann mit den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bestehen bleiben.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Beklagte habe ihre Pflichten bei der Lohnbuchführung verletzt. Sie habe die Lohnbuchhaltung der Klägerin erstellt und Fragen der Lohnabrechnung bearbeitet. Dabei habe sie für die richtige Erfassung der Stammdaten der einzelnen Arbeitnehmer Sorge tragen müssen. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einstufung des Arbeitnehmers als "versicherungsfrei" oder "versicherungspflichtig" gehöre zu den erlaubnisfreien, nicht dem Rechtsberatungsgesetz unterfallenden Pflichten eines Steuerberaters, weil die Ermittlung der Abzüge vom Lohn noch Teil der steuerlichen Tätigkeit sei. Die von der Beklagten erstellten Gehaltsabrechnungen und die Meldung in den "Versicherungsnachweisen - Sozialversicherung" seien falsch gewesen. Es sei unstreitig, daß beide Arbeitnehmer in dem Jahre 1995 und E. auch 1996 und 1997 die maßgeblichen Einkommensgrenzen für eine automatische Befreiung nicht überschritten hätten. Soweit darüber hinaus nach § 8 Abs. 2 SGB V auf Antrag eine Befreiung hätte erteilt werden können, habe es dazu der konstitutiven Bestätigung der Allgemeinen Ortskrankenkasse bedurft. Entsprechende Belege hätten der Beklagten nicht vorgelegen. Sie habe deshalb nicht darauf vertrauen dürfen, daß die erforderlichen Befreiungen tatsächlich vorgelegen hätten. Zwar habe sie sich auf die Richtigkeit vorgelegter Unterlagen verlassen dürfen, nicht jedoch auf Beurteilungen des Mandanten zu Fragen, deren Prüfung allein ihr als steuerliche Beraterin überlassen geblieben sei. Sie habe ihre Pflicht auch nicht dadurch erfüllt, daß sie - nach ihrem Vortrag - zweimal an die fehlenden Bescheinigungen erinnert habe. Da ihr die Bescheinigungen - auch auf Aufforderung hin - nicht kurzfristig vorgelegt worden seien, hätte sie als sichersten Weg die Arbeitnehmer E. und W. als "versicherungspflichtig" einschlüsseln müssen.
Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Nach § 68 StBerG verjährten die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegenüber dem Steuerberater aus dem Vertragsverhältnis in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden sei. Im Falle der Fehlerentdeckung durch eine Außenprüfung und eine schädigende Nachveranlagung liege der maßgebliche Zeitpunkt im Zugang der Nachforderungsbescheide. Dies sei sachgerecht, weil sich erst dadurch der tatsächliche Eintritt des Schadens konkretisiere. Die gesetzliche Pflicht der beiden Beschäftigten zur Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse und die daraus entstehende Nachzahlungspflicht für die Klägerin seien erstmals durch den Nachforderungsbescheid bekannt geworden, so daß die Vermögenslage nicht schon vor der Fehlerentdeckung verschlechtert gewesen sei. Die zur steuerlichen Außenprüfung entwickelten Grundsätze ließen sich auf die hier zu entscheidende Frage der gesetzlichen Mitgliedschaft in einer Krankenkasse übertragen, weil das Verfahren der Betriebsprüfung und nachträglichen Festsetzung in den wesentlichen Grundlagen gleich sei. Komme es danach auf den Zugang des Haftungsbescheides vom an, sei die Verjährungsfrist mit Eingang und Zustellung der Klage im Jahre 2000 rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 BGB a.F.).
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, sie und ihr Mitarbeiter A. hätten W. ab Februar 1995 mehrfach zur Vorlage der Befreiungen ersucht und dieser habe versichert, die Bescheinigungen lägen ihm vor, nicht hinreichend berücksichtigt.
1. Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten (, WM 1998, 301, 302; v. - IX ZR 180/01, WM 2003, 936, 937). Insbesondere muß der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren; deshalb muß er den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten (BGHZ 129, 386, 396; aaO S. 302).
a) Gegen die vertragliche Schadensverhütungspflicht kann der Steuerberater auch verstoßen, wenn er - wie hier - die Lohnabrechnung und Lohnkontenführung übernommen hat und auf der von ihm erarbeiteten Grundlage Beiträge zur Sozialversicherung irrtümlich nicht abgeführt, sondern an den Beschäftigten ausbezahlt werden. Nach § 33 Satz 2 StBerG kann zum geschuldeten Gegenstand der steuerlichen Beratung auch die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten gemacht werden, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen. Nach der hieran anknüpfenden Gebührenvorschrift des § 34 Abs. 5 StBGebV erhält der Steuerberater für die Hilfeleistung bei sonstigen Tätigkeiten "im Zusammenhang mit dem Lohnsteuerabzug und der Lohnbuchführung" die Zeitgebühr. Aus der Umschreibung dieses Gebührentatbestandes sowie aus § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG, der es mit dem Beruf eines Steuerberaters ausdrücklich für vereinbar erklärt, eine wirtschaftsberatende, gutachterliche oder treuhänderische Tätigkeit vorzunehmen sowie Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften zu erteilen, wird vielfach geschlossen, daß sich die dem Steuerberater übertragene Lohnbuchhaltung nicht auf die steuerliche Lohnabrechnung und die Führung des Lohnkontos zu beschränken braucht, sondern daneben auch die Berechnung der Sozialversicherungsabzüge erfassen kann (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 3. Aufl. Rn. 311; Gehre, Steuerberatungsgesetz 4. Aufl. § 33 Rn. 8, § 57 Rn. 106).
b) Wie weit die Pflichten des Steuerberaters aus einem solchen Mandat gehen, kann auf sich beruhen. Es spricht viel dafür, daß der Steuerberater, der bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf, sondern seinem Mandanten anheimgeben muß, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen. Zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen dürfte ein Steuerberater weder berechtigt noch verpflichtet sein (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, aaO Rn. 311). Im Streitfall hat die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin nicht einmal die Empfehlung ausgesprochen, wegen der sich aufdrängenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen den Rat eines Rechtsanwalts einzuholen. Die behauptete vollständige Untätigkeit war mit den von der Beklagten übernommenen Pflichten der Lohnabrechnung und Lohnkontenführung nicht zu vereinbaren.
2. Auf der Grundlage des teils festgestellten, teils vom Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellten Sachverhalts kann eine schuldhafte Schlechterfüllung des Steuerberatervertrags indes nicht angenommen werden.
a) Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe ihre Pflichten bei der Lohnbuchhaltung verletzt, weil sie die Beschäftigten W. und E. , ohne daß die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten, als von der gesetzlichen Krankenversicherung befreite Mitglieder behandelt habe. Angesichts der deutlichen Unterschreitung der Einkommensgrenzen hätte die Beklagte die Voraussetzungen der Beitragspflicht zwingend anhand von Belegen prüfen müssen, um die Klägerin vor Schaden zu bewahren. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Beklagte die Klägerin durch ihren als Zeugen benannten Mitarbeiter A. entsprechend dem von ihm unter dem Datum des gefertigten Vermerk mehrfach zur Vorlage der angeblich der Klägerin vorliegenden Bescheide über die Befreiungen der Beschäftigten W. und E. ersucht und ob die Beklagte persönlich die Eheleute W. nochmals am anläßlich eines Mandantengesprächs an die Vorlage erinnert hat. Zu der von ihr hierzu gefertigten Gesprächsnotiz, in der zu Tagesordnungspunkt 04 festgehalten ist, "Die Bestätigungen der Befreiung von der gesetzl. KV für Hr. E. u. Fr. W. sind endlich vorzulegen", hat die Beklagte bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am erläutert, ihr sei immer wieder bei den Gesprächen versichert worden, daß die Befreiungen vorlägen. Sie habe diesen Aussagen, vor allem der von Frau W. , vertraut.
Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist daher davon auszugehen, daß zwischen den Parteien nicht nur beiläufig über eine etwaige Befreiung der Beschäftigten W. und E. gesprochen, sondern der Klägerin schon im Jahre 1995 die sozialversicherungsrechtliche Bedeutung der Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung und die Folgen der unterlassenen Abführung von Beiträgen krankenversicherungspflichtiger Beschäftigter nachdrücklich vor Augen geführt worden sind und die Eheleute W. die Beklagte mit dem Hinweis auf die erteilten, ihnen vorliegenden Befreiungen beruhigt haben.
b) Trifft dieses Vorbringen zu, scheidet eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten aus. Auf die Erklärungen des zuvor über die Bedeutung der Befreiung gemäß § 8 SGB V belehrten W. durfte sich die Beklagte verlassen. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, den Steuerberater wahrheitsgemäß und vollständig über den wesentlichen Sachverhalt zu unterrichten (vgl. , WM 1997, 328, 330; Zugehör, WM Sonderbeilage Nr. 4 zu Heft 42/2000, 1, 8, 22). Trafen die tatsächlichen Angaben der Eheleute W. zu, war die von der Beklagten nach Übernahme der Lohnbuchführung fortgeführte Einschlüsselung als "krankenversicherungsfrei" zutreffend; es bestand dann für die Beklagte kein Handlungsbedarf mehr, weil eine - auch zu Unrecht - erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB V nicht widerrufen und nicht für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann (BSGE 85, 208, 213 f; Peters in Kasseler Kommentar, aaO § 8 SGB V Rn. 38). Deshalb ist auch der Hinweis der Klägerin nicht durchgreifend, für die Beklagte sei aufgrund der durchgeführten Lohnbuchhaltung klar ersichtlich gewesen, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vorgelegen hätten. Unter diesen Umständen hätte beiden Beschäftigten der Teil des Lohns, welcher der Höhe der von ihnen zu tragenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Krankenversicherung entsprach, nicht vorenthalten werden dürfen.
III.
Das Berufungsurteil kann danach mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Da es keine Feststellungen zu dem Beratungsgeschehen über die Pflichtmitgliedschaft der Beschäftigten W. und E. in der gesetzlichen Krankenversicherung enthält, muß es aufgehoben werden (§ 562 Abs. 1 ZPO).
IV.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie auch nicht im Sinne des Klageabweisungsantrags der Beklagten entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist nicht verjährt.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Verjährung von Steuerschäden aus steuerlichen Gestaltungsberatungen entwickelten Rechtsgrundsätze (vgl. BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 388; , WM 1994, 1848, 1849 f; v. - IX ZR 180/95, WM 1996, 1106, 1107; v. - IX ZR 180/96, WM 1998, 779, 780; v. - IX ZR 180/01, WM 2003, 935, 939; v. - IX ZR 167/02, z.V.b.) auf Beratungsfehler des Steuerberaters in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten angewendet werden können.
1. Nach § 68 StBerG verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
a) Dies ist im allgemeinen anzunehmen, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag seine Höhe auch noch nicht beziffert werden können, ferner wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne daß feststehen muß, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird, oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht fernliegenden Möglichkeit weiterer, noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist (BGHZ 114, 150, 152 f; 119, 69, 70 f); Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruchs hindert den Verjährungsbeginn nicht (BGHZ 114, 150, 151; 119, 69, 71). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so daß eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage bereits im Februar 1995, spätestens aber Anfang Juni 1995 eingetreten, weil die von W. geschuldeten Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28 d Satz 1 SGB IV) durch die von der Beklagten ab Mandatsübernahme verantwortete Auszahlung fortlaufend anstiegen, ohne daß W. seinen Anspruch gegen beide Beschäftigte auf den von diesen zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags geltend gemacht hat. Nach § 28 g Sätze 2 und 3 SGB IV ist dies nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt möglich, und zwar grundsätzlich nur bei den drei nächsten Lohn- und Gehaltszahlungen. Nach hergebrachter Auffassung konnte die Primärverjährung deshalb durch Einreichung der Klageschrift am nicht mehr unterbrochen werden.
b) Das Berufungsgericht verlagert mit der von ihm entsprechend herangezogenen Rechtsprechung zu Steuerschäden den Eintritt des Schadens und damit den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt des Zugangs des nachteiligen Leistungsbescheids der LVA. Wäre dem zu folgen, hätte die Klage die erst mit dem Zugang des Leistungsbescheids vom in Lauf gesetzte Verjährungsfrist unterbrochen.
aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verjährungsbeginn beruht wesentlich darauf, daß es oftmals unsicher ist, ob die Finanzbehörde einen steuerlich bedeutsamen Sachverhalt aufdeckt. Denn es liegt - vor allem bei einer Ermessensentscheidung (§ 5 AO) - in der Regel bei ihr, ob sie bestimmte Tatbestände aufgreift und welche Rechtsfolgen sie daraus zieht (, WM 1996, 1108). Ein Steuernachteil, der dem steuerlichen Berater angelastet wird, kann auch dann auftreten, wenn die Finanzbehörde gemäß § 42 AO - unter Einschränkung der individuellen Gestaltungsfreiheit - einen Mißbrauch eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts zur Umgehung des Steuergesetzes annimmt. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es denkbar, daß ein und derselbe Vorgang in der Person eines beteiligten Steuerpflichtigen als Mißbrauch zu beurteilen ist, in der Person eines anderen dagegen nicht (vgl. BFH BB 1991, 2142 f). Die Vermögenslage des Mandanten verschlechtert sich deshalb infolge der steuerlichen Fehlberatung gegenüber seinem früheren Zustand erst, wenn die Finanzbehörde mit dem Erlaß des Steuerbescheids ihren hauptsächlichen Entscheidungsprozeß zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abschließt und auf diese Weise den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert (§ 37 Abs. 1, §§ 38, 155 Abs. 1 AO) und gemäß § 218 Abs. 1 AO die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs schafft (vgl. BGHZ 129, 386, 390 m.w.N.).
bb) Diese Rechtsgrundsätze haben nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats keine allgemeine Gültigkeit. Der Senat hat es beispielsweise abgelehnt, sie auf den Verlust eines Subventionsanspruchs, über den die Finanzbehörde zu entscheiden hatte, zu übertragen (vgl. , aaO S. 1109). Die das Steuerfestsetzungsverfahren kennzeichnenden Umstände sind auch im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in gleichem Ausmaß gegeben. Während der Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelform der Steuerfestsetzung ist, hat der Arbeitgeber den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, dessen Grund und Höhe gesetzlich bestimmt sind (vgl. §§ 223, 226 ff SGB V), zu zahlen, ohne daß es eines Leistungsbescheids bedarf (vgl. § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings die Verlagerung des Verjährungsbeginns im Steuerrecht nicht davon abhängig gemacht, daß die Steuer im konkreten Fall erst auf der Grundlage eines Leistungsbescheids zu entrichten war und der steuerlichen Fehlberatung ein - gegebenenfalls als mißbräuchlich zu beurteilender - Gestaltungsvorschlag zugrunde lag (vgl. aaO). In seiner Entscheidung vom (IX ZR 57/93, aaO S. 1849 f) hat er neben den Erwägungen zu dem Ermessen der Steuerbehörden die wertende Betrachtung in den Vordergrund gerückt, daß bei einer Vorverlegung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes die schutzwürdigen Belange des Mandanten, der seinem steuerlichen Berater zu vertrauen pflege, nicht mehr angemessen gewahrt seien. Beachtenswerte Interessen des ersatzpflichtigen Steuerberaters würden demgegenüber nicht unangemessen vernachlässigt, wenn der Verjährungsbeginn an die Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids anknüpfe.
Diese Interessenabwägung könnte in ähnlicher Weise zu treffen sein, wenn es bei den nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen durch den Träger der Rentenversicherung zum Erlaß von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und/oder zur Beitragshöhe in der Krankenversicherung kommt (vgl. § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV).
2. Der Senat braucht dies indes nicht zu entscheiden, weil die Verjährungseinrede jedenfalls mit einem sekundären Schadensersatzanspruch abgewehrt werden kann.
a) Nach ständiger Rechtsprechung kann, falls der primäre Regreßanspruch gegen einen Rechtsanwalt oder - wie hier - einen Steuerberater verjährt ist, ein sekundärer Schadensersatzanspruch bestehen, wenn der Berater es schuldhaft unterlassen hat, den Mandanten bis zum Ende des Mandats auf das mögliche Bestehen eines gegen ihn gerichteten Regreßanspruchs und die kurze Verjährungsfrist hinzuweisen, und der Mandant es dadurch versäumt hat, den Eintritt der Verjährung des primären Anspruchs abzuwenden. Gegebenenfalls ist der Berater gehalten, den Mandanten so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Belehrung stünde, wobei regelmäßig nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen ist, daß ein rechtzeitig und ordnungsgemäß belehrter Mandant den Eintritt der Primärverjährung verhindert hätte (vgl. BGHZ 94, 380, 387; , WM 1986, 1500, 1501; v. - IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581; v. - IX ZR 129/99, WM 2000, 959, 960; v. - IX ZR 332/99, WM 2001, 736, 739; v. - IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 929).
b) Nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt hatte die Beklagte bei Abgabe der unter dem erstellten Jahresmeldung an die Einzugsstelle gemäß § 28 a Abs. 2 SGB IV begründeten Anlaß zu prüfen, ob sie durch eine Pflichtverletzung ihre Mandantin geschädigt hatte. Die Jahresmeldungen haben für den Arbeitgeber oder den Steuerberater, der - wie im Streitfall - die Lohnkontenführung übernommen hat, eine Kontrollfunktion. Die Einschlüsselung beider Beschäftigter im abgelaufenen Jahr als beitragsfrei, obwohl sich ihre Bruttoarbeitsentgelte innerhalb der Pflichtversicherungsgrenzen hielten, führte der Beklagten nochmals vor Augen, daß im abgelaufenen Jahr 1995 keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung abgeführt worden waren, obwohl nach den zugleich bescheinigten Einkommensverhältnissen dafür Grund bestanden hatte. Dieser Widerspruch hätte nach dem für die revisionsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt für die Beklagte Anlaß sein müssen, eine mögliche Haftpflicht zu prüfen, zumal der Schaden wegen der beschränkten Verrechnungsmöglichkeit des Arbeitgebers (vgl. § 28 g Sätze 2 bis 4 SGB IV) von Monat zu Monat anstieg.
c) Eine sekundäre Hinweispflicht des steuerlichen Beraters entfällt, wenn dieser davon ausgehen darf, daß der Auftraggeber rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährungsfrist (hier im Juni 1998) gerade wegen der Regreßfrage anwaltlich beraten wird (vgl. , NJW 2000, 69, 70; v. - IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 929). Dies war hier nicht der Fall. Denn im Juni 1998 - mithin zehn Monate vor der Betriebsprüfung - hatte die Klägerin unstreitig noch keinen Rechtsanwalt mit der Verfolgung eines möglichen Regreßanspruchs gegen die Beklagte beauftragt.
d) Danach ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt; die Frist wurde durch die Klageerhebung im Oktober 2000 unterbrochen (vgl. , WM 1996, 2069, 2070).
V.
1. Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung des unter Beweis gestellten Vortrags der Parteien Feststellungen zu dem Beratungsgeschehen über die Pflichtmitgliedschaft der Beschäftigten W. und E. in der gesetzlichen Krankenversicherung zu treffen haben. Darlegungs- und beweispflichtig für die pflichtwidrige Unterlassung ist die Klägerin als Auftraggeberin, wobei ihr Beweiserleichterungen zugute kommen können (vgl. Zugehör, aaO S. 16 f mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Gelangt das Berufungsgericht zu einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten, wird es zu erwägen haben, ob die Klägerin durch Verletzung ihrer Vertragspflichten, vor allem zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Information ihres Beraters über den maßgeblichen Sachverhalt, zur Entstehung des Schadens beigetragen hat (vgl. Zugehör, aaO S. 22).
2. Zur Höhe des Schadens wird das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO zu beachten haben, daß die Beklagte für die im Jahre 1995 fortgesetzte Nichtabführung von Krankenversicherungsbeiträgen frühestens von dem Zeitpunkt an verantwortlich gemacht werden kann, zu dem sie eingreifen konnte und mußte. Der weitere (hypothetische) Lauf der Dinge ist bislang nicht hinreichend geklärt. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der beiden Beschäftigten gewährten Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Da diese Gesichtspunkte bisher nicht angesprochen worden sind, haben die Parteien Gelegenheit, hierzu noch vorzutragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2004 S. 319 Nr. 3
DB 2004 S. 1771 Nr. 33
DStR 2004 S. 2221 Nr. 51
DStRE 2005 S. 304 Nr. 5
IAAAC-00574
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein