Leitsatz
[1] Der durch die Wahl des falschen Kraftstoffs (hier: Benzin statt Diesel) entstandene Motorschaden ist kein versicherter Unfallschaden, sondern ein nicht versicherter Betriebsschaden i.S. von § 12 Abs. 1 II e AKB.
Gesetze: AKB § 12 Abs. 1 II e
Instanzenzug: LG Stade vom AG Zeven
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Zahlung in Höhe von 8.242,43 DM nebst Zinsen aus einer bei der Beklagten genommenen Fahrzeugvollversicherung mit 650 DM Selbstbeteiligung für einen von ihr gehaltenen Mercedes Benz Diesel. Der Vollkaskoversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.
Am füllte der Ehemann der Klägerin versehentlich Benzin-Kraftstoff in den Tank des Mercedes Diesel. Dadurch wurden unmittelbar nach Fortsetzung der Fahrt Teile des Motors beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 8.892,43 DM ohne Mehrwertsteuer.
Die Beklagte verweigert Versicherungsleistungen, weil es sich um einen gemäß § 12 Abs. 1 II e Halbs. 2 AKB nicht versicherten Betriebsschaden handele.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zur Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zugelassenen Revision.
Gründe
Das Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Auffassung der Vorinstanzen, bei dem Betanken des Kraftfahrzeugs mit einem falschen Kraftstoff handele es sich um einen Bedienungsfehler, der nicht zu einem Unfallschaden, sondern zu einem Betriebsschaden i.S. von § 12 Abs. 1 II e AKB geführt habe, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Rechtsfehlerhaft enthält das Berufungsurteil allerdings keinen Tatbestand.
Finden für ein Berufungsverfahren wie hier die am geltenden Vorschriften Anwendung, bedarf es im Berufungsurteil auch dann der Darstellung eines Tatbestandes nach § 543 ZPO a.F., wenn das Revisionsverfahren nach dem ab geltenden Prozeßrecht durchzuführen ist ( - zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach durfte die Darstellung eines Tatbestandes nicht unterbleiben, weil kraft ausdrücklicher Zulassung durch das Berufungsgericht die Revision gegen das zweitinstanzliche Urteil statthaft war (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F.).
Von der aus diesem Grund grundsätzlich gebotenen Aufhebung des Berufungsurteils (vgl. BGHZ 73, 248, 249 ff. und ständig) kann aber ausnahmsweise abgesehen werden. Die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung ergeben sich hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen, so daß sich das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, erreichen läßt (vgl. BGH aaO und - BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 14 jeweils m.w.N.). Zur revisionsrechtlichen Überprüfung steht die Versagung des begehrten Vollkaskoversicherungsschutzes für Motorschäden, die durch die Wahl des falschen Kraftstoffes unmittelbar im Anschluß an den Tankvorgang hervorgerufen worden sind. Dieser einfache Sachverhalt und das darauf gestützte Klagebegehren ist, auch wenn nicht einmal die Klageanträge erwähnt werden (vgl. zu diesen Anforderungen nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - für BGHZ vorgesehen) den Entscheidungsgründen in dem für die revisionsrechtliche Beurteilung ausreichenden Umfang zu entnehmen.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist in der Sache auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich. Dieser Zulassungsgrund, der sich weitgehend mit dem der Grundsatzbedeutung deckt (vgl. Ullmann, WRP 2002, 597), setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung und Anwendung des materiellen und formellen Rechts aufzustellen oder Lücken auszufüllen, weil es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 16/02 - VersR 2003, 222 unter 2, demnächst in BGHZ 151, 221 und vom - VI ZR 355/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils m.w.N.). Ob es sich nach den Versicherungsbedingungen um einen versicherten Unfallschaden oder um einen nicht versicherten Betriebsschaden im Sinne von § 12 Abs. 1 II e AKB handelt, ist - wie stets bei begrifflichen Abgrenzungen dieser Art - zunächst anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Die Klausel ist gerade auch mit Blick auf diese Abgrenzung Gegenstand einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen gewesen (vgl. nur Prölss/Martin/Knappmann, VVG 26. Aufl. § 12 AKB Rdn. 45 ff. und 55 ff.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts läßt keine Notwendigkeit erkennen für weitere über die bisher dafür herausgearbeiteten Grundsätze hinausgehende sachverhaltsbezogene Leitlinien. Der bloße Hinweis, die Entscheidung befasse sich mit dem Unfallbegriff und es bestehe ein allgemeines Interesse an der Definition dieses Begriffes, trägt die Zulassung nicht. In der Sache ist das Erkenntnis jedoch nicht zu beanstanden.
3. Für die Auslegung von § 12 Abs. 1 II e AKB ist auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse abzustellen ( - VersR 1998, 179 unter I 2 a und ständig). Ein solcher Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus. Danach erkennt er einerseits, daß das versicherte Unfallrisiko in Halbsatz 1 der Klausel begrifflich näher eingegrenzt wird und daß andererseits von dem so festgelegten Umfang des Versicherungsschutzes für Unfallschäden in Halbsatz 2 bestimmte Schäden ausgegrenzt werden, selbst wenn ein Ereignis Merkmale eines Unfalls aufweist. Bei den genannten Betriebsschäden wird ihm ferner deutlich, daß Schäden, die im Zusammenhang mit Betriebsvorgängen durch normale Abnutzung, Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, nicht versichert sind (vgl. - VersR 1996, 622 unter 3 b; - IV ZR 515/68 - VersR 1969, 32, 33 und vom - II ZR 65/53 - VersR 1954, 113 unter 2 a; OLG Hamm VersR 1990, 85).
Die Versorgung eines Kraftfahrzeugs mit den für die Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln gehört zu den Bedienungsvorgängen. Die Wahl des falschen Kraftstoffs erweist sich daher als Bedienungsfehler, der gleich nach dem Neustart die Beschädigung der Motorteile herbeigeführt hat. Dafür besteht bedingungsgemäß kein Deckungsschutz. Entgegen der Auffassung der Revision ist für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) kein Raum. Revisionsrechtlich ist insoweit nichts weiter abzuklären. Insbesondere gibt der Fall keinen Anlaß zu weiteren Abgrenzungen in bezug auf Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören (vgl. BGH aaO VersR 1969, 32, 33).
Fundstelle(n):
HAAAB-99333
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja