Leitsatz
[1] Beiträge zur Sozialversicherung werden im Sinn des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch dann vorsätzlich vorenthalten, wenn sich der in seiner Liquidität eingeschränkte Beitragsschuldner in Kenntnis seiner Beitragspflicht für eine Erfüllung der Lohn- und Gehaltsansprüche seiner Arbeitnehmer und anderer gleichrangiger Verpflichtungen und gegen eine Zahlung der fälligen Beiträge entscheidet.
Gesetze: SGB IV § 25 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: LG Berlin
Tatbestand
Der Beklagte, Alleingesellschafter und zeitweise auch Geschäftsführer der 1988 gegründeten Z. GmbH, verbürgte sich am gegenüber der Klägerin, einer Einzugsstelle für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge, selbstschuldnerisch für die Beiträge der Gesellschaft zur Sozialversicherung und für die Umlagebeiträge gemäß § 14 LFZG. Die Erklärung bezog sich auf in der Zeit vom 1. Juli bis zum entstandene Beitragsschulden der Gesellschaft in Höhe von mehr als 180.000 DM nebst Nebenforderungen und auf die ab Januar 1993 entstehenden Beitragsforderungen. Die Gesellschaft führte ihre Tätigkeit bis Anfang 1994 fort. Ein vom Beklagten als Geschäftsführer am gestellter Antrag, das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft zu eröffnen, wurde durch Beschluß vom mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse nach § 107 Abs. 1 KO zurückgewiesen.
Gegenstand der Klage über insgesamt 276.873,05 DM nebst Zinsen sind Ansprüche der Klägerin aus dieser Bürgschaft wegen offener Beitragsforderungen der Klägerin aus der Zeit von Herbst 1992 bis Februar 1994. Dem Beklagten ist der Mahnbescheid vom über einen Hauptsachebetrag von 248.160,85 DM am und die eine Erweiterung um 28.712,20 DM enthaltende Klagebegründung am zugestellt worden. Das Landgericht hat die erhobene Verjährungseinrede des Beklagten für unbegründet erachtet und der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat der Klage nur in Höhe der Arbeitnehmeranteile entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Dies ist, da der Revisionsbeklagte im Verhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil auszusprechen, das inhaltlich auf einer Sachprüfung beruht (BGHZ 37, 79, 81).
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Gesellschaft der Einzugsstelle Beiträge zur Sozialversicherung und Umlagebeiträge gemäß § 14 LFZG nebst Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 276.873,05 DM schuldig geblieben ist. Die Klägerin hat diese Forderung im wesentlichen - nämlich bis einschließlich Dezember 1993 - auf Beitragsnachweise gegründet, die ihr die Beitragsschuldnerin nach § 28 f Abs. 3 SGB IV eingereicht hat. Lediglich für den nicht ins Gewicht fallenden Zeitraum von Januar bis Februar 1994 beruht die erhobene Beitragsforderung nach der unbestritten gebliebenen Behauptung der Klägerin auf Feststellungen einer Betriebsprüfung. Danach ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht das pauschale Bestreiten des Beklagten zur Höhe der Forderung als unzureichend angesehen hat; als Alleingesellschafter und seit dem erneut berufener Geschäftsführer konnte sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf ein einfaches Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen.
2. Die vom Beklagten als Bürgen nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB zulässigerweise erhobene Verjährungseinrede (vgl. - zum Abdruck in BGHZ vorgesehen) ist nicht begründet. Die Beitragsansprüche sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen insgesamt noch nicht verjährt.
a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der auch auf Umlagebeiträge gemäß § 14 LFZG anzuwenden ist (§ 17 LFZG), verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Das ist bei Beiträgen, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens der 15. des Folgemonats (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Gemessen hieran verjährten die 1992 fällig gewordenen Ansprüche nach dem , die 1993 fällig gewordenen Ansprüche nach dem und die 1994 fällig gewordenen Ansprüche, die nur einen kleinen Teil der Klageforderung ausmachen, nach dem . Die Zustellung des Mahnbescheids vom konnte daher hinsichtlich der in den Jahren 1992 und 1993 fällig gewordenen Ansprüche keine Unterbrechung der Verjährung mehr bewirken (vgl. § 25 Abs. 2 a.F., jetzt Abs. 2 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F.). Die Zustellung der Klageerweiterung am lag ebenfalls in verjährter Zeit, auch für die erst 1994 fällig gewordenen Ansprüche. Hiernach könnte die Verjährung allein für die 1994 fällig gewordenen Ansprüche unterbrochen worden sein, wenn diese im Mahnbescheid hinreichend individualisiert gewesen wären. Einer abschließenden Entscheidung bedarf diese Frage jedoch nicht, weil die Ansprüche der Klägerin insgesamt einer 30jährigen Verjährungsfrist unterliegen.
b) Dies beruht allerdings nicht, wie die Revision in einer Hilfserwägung angeführt hat, auf § 52 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Zwar wird nach § 52 Abs. 2 SGB X ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, in seiner Wirkung einem rechtskräftig festgestellten Anspruch gleichgestellt, der nach § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in 30 Jahren verjährt, auch wenn er an sich einer kürzeren Verjährung unterliegt. Die Revision meint, weil gemäß § 28f Abs. 3 Satz 5 SGB IV der Beitragsnachweis für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gelte, liege ein Verwaltungsakt vor, der mangels Erhebung eines Widerspruchs durch die Beitragsschuldnerin unanfechtbar geworden sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Nach § 31 SGB X ist unter einem Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zu verstehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Gemessen an dieser Vorschrift, die inhaltlich mit § 35 VwVfG übereinstimmt, läßt sich nicht feststellen, daß die Klägerin gegenüber der Beitragsschuldnerin durch Bescheid bestimmt hätte, in welcher Höhe diese zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet ist. Auf eine solche Bescheidung war die Klägerin nicht angewiesen, weil der Beitragsnachweis gemäß § 28f Abs. 3 Satz 5 SGB IV für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle "gilt". Der Einzugsstelle steht damit kraft dieser gesetzlichen Vorschrift eine Vollstreckungsmöglichkeit offen, die einem Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, im Sinn des § 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG gleichsteht. Die gesetzliche Fiktion ("gilt") macht jedoch deutlich, daß der Beitragsnachweis nur in bezug auf die Vollstreckungsmöglichkeit einen anderen Titel entbehrlich macht, daß er aber nicht einem Verwaltungsakt, sei es in feststellender Form, sei es in der Form eines Leistungsbescheids, allgemein gleichgestellt werden kann. Dies verbietet sich auch deshalb, weil das Gesetz nicht vorsieht, daß der Beitragsschuldner gegen seinen eigenen Beitragsnachweis Widerspruch erhebt und hierüber durch die Einzugsstelle entschieden wird. Es fehlt damit an einer behördlichen Regelung, die für die Beitragsschuldnerin Rechtspflichten begründet hätte und Gegenstand eines Rechtsbehelfs hätte sein können, wie er sonst gegenüber Beitragsbescheiden der Einzugsstellen eröffnet ist (vgl. § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV).
c) Die Verjährungsfrist beträgt jedoch deshalb 30 Jahre, weil es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier um "vorsätzlich vorenthaltene Beiträge" im Sinn des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV handelt.
aa) Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, das gelte nur für die jeweiligen Arbeitnehmeranteile der Beiträge. Die Gesellschaft habe bis zum Konkursantrag die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten nahezu vollständig und die monatliche Miete von 3.900 DM bis zur endgültigen Einstellung des Geschäftsbetriebs gezahlt. Vor diesem Hintergrund sei eine den Vorenthaltungsvorsatz ausschließende Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft bezüglich der Arbeitnehmeranteile nicht ersichtlich. Der Bundesgerichtshof habe im Rahmen der strengen Anforderungen seiner Rechtsprechung zu § 266a StGB verlangt, daß der Geschäftsführer einer GmbH für eine vorrangige Abführung der Arbeitnehmeranteile sorgen müsse. Dabei könne er auch gehalten sein, andere zivilrechtliche Verpflichtungen bis hin zur Kürzung der auszuzahlenden Löhne zurückzustellen. Hingegen könne der Geschäftsführung der GmbH die Nichtzahlung der Arbeitgeberanteile nicht als vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn sie sich trotz Kenntnis der Beitragsschuld in wirtschaftlicher Bedrängnis veranlaßt gesehen habe, die ebenfalls geschuldete Miete zu zahlen und die berechtigten Arbeitnehmeransprüche zu befriedigen. Insoweit habe die Klägerin nicht dargelegt, daß der Gesellschaft eine über die Erfüllung dieser Ansprüche hinausgehende Liquidität im Umfang von mehr als 138.000 DM zur Verfügung gestanden habe.
bb) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. Sie übersieht insbesondere, daß das Merkmal des "vorsätzlichen Vorenthaltens" in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und in § 266a Abs. 1 StGB nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich ist.
(1) In der Verjährungsvorschrift des § 25 Abs. 1 SGB IV wird zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen der Sozialversicherungsbeiträge nicht unterschieden. Die Frage, ob fällige Beiträge vorsätzlich oder fahrlässig vorenthalten wurden, hat nur Bedeutung für die Dauer der Verjährung, läßt aber im übrigen die (alleinige) Verpflichtung des Beitragsschuldners unberührt. Die Regelung erfaßt darüber hinaus als Annex etwaige Säumniszuschläge und andere Nebenforderungen, die der dreißigjährigen Verjährungsfrist dann unterliegen, wenn die eigentlichen Beitragsansprüche vorsätzlich vorenthalten wurden (vgl. BSGE 70, 261, 264 = SozR 3-2400 § 25 Nr. 4). Demgegenüber handelt es sich bei § 266a Abs. 1 StGB um eine Strafvorschrift, die als Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB auch von haftungsrechtlicher Bedeutung ist. Sie erweitert, sofern es sich bei der Beitragsschuldnerin um eine juristische Person handelt, den Kreis der straf- und haftungsrechtlich verantwortlichen Personen, die in bezug auf die "primäre" Pflicht zur Beitragsentrichtung nicht persönlich angesprochen sind, beschränkt diese Pflichtenstellung jedoch zugleich auf die Arbeitnehmeranteile. Für das Verständnis und die Auslegung der als Unterlassungsdelikt ausgestalteten Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB ist wesentlich, daß nicht allein auf die verspätete oder ausgebliebene Zahlung der Arbeitnehmeranteile abzustellen ist, sondern daß als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung hinzutreten muß, daß dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar ist. Eine unmögliche Leistung darf dem Verpflichteten nicht abverlangt werden. Unmöglichkeit in diesem Sinn liegt insbesondere dann vor, wenn der Handlungspflichtige zahlungsunfähig ist (vgl. - NJW 2002, 2480, 2481 m.w.N., zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; BGHZ 134, 304, 307). Dabei ist grundsätzlich eine auf die jeweilige Beitragsfälligkeit bezogene Prüfung anzustellen, wobei für die straf- und haftungsrechtliche Verantwortlichkeit von Bedeutung sein kann, daß der Handlungspflichtige die Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt pflichtwidrig herbeigeführt hat, indem er etwa andere Verbindlichkeiten beglichen hat, die nicht den gleichen Rang beanspruchen wie die strafbewehrte Pflicht zur fristgerechten Erfüllung der Arbeitnehmeranteile (vgl. aaO; BGHZ 134, 304, 308).
(2) Für die Anwendung der Verjährungsregelung des § 25 Abs. 1 SGB IV kommt es hingegen nicht darauf an, daß der Vorsatz hinsichtlich des Vorenthaltens gerade im Zeitpunkt der Fälligkeit des Beitragsanspruchs vorliegt oder ob dem Beitragsschuldner ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, das Auswirkungen auf seine Fähigkeit hat, die Beitragsansprüche bei Fälligkeit erfüllen zu können. Das Tatbestandsmerkmal der Fälligkeit ist für die Anwendung der Verjährungsregelung nur insoweit von Bedeutung, als es den Beginn der Verjährungsfrist ("nach Ablauf des Kalenderjahres") festlegt. Im übrigen hängt die dreißigjährige Verjährungsfrist allein davon ab, daß es sich um "vorsätzlich vorenthaltene Beiträge" handelt. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht entschieden, für die Anwendung der langen Verjährungsfrist genüge es, wenn der Vorsatz des Beitragsschuldners spätestens bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist vorliege (SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 33 f).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, werden Beiträge vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewußt und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt. Dabei genügt es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens, daß der Beitragspflichtige die Verletzung seiner Beitragspflicht, d.h. den rechtswidrigen Erfolg, für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (vgl. BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 6 S. 26; BSG Die Beiträge 1991, 112, 114; ähnlich Felix, in: Wannagat, SGB IV, § 25 Rn. 19; Udsching, in: Hauck/Haines, SGB IV, § 25 Rn. 4; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil I Band 1, § 25 SGB IV Rn. 6). Daß die Beitragsschuldnerin hier ihre Beitragspflicht kannte, steht außer Frage. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den von ihr selbst bei der Einzugsstelle eingereichten Beitragsnachweisen und folgt auch für die kurze Zeit im Jahr 1994 aus der Fortdauer der Arbeitsverhältnisse ihrer versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Daß die Versicherungs- und Beitragspflicht in irgendeiner Beziehung zweifelhaft gewesen wäre, so daß man die Beitragsschuldnerin für gutgläubig hätte halten dürfen, ist nicht ersichtlich. Dies wird insbesondere durch den Umstand belegt, daß die Klägerin den Beitragsnachweisen der Beitragsschuldnerin ohne weiteres gefolgt ist. Danach erweisen sich die Beiträge nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung bereits deshalb als vorsätzlich vorenthalten, weil die Beitragsschuldnerin trotz Kenntnis ihrer Verpflichtung die in Rede stehenden Beiträge nicht abgeführt hat (vgl. von Maydell, in: GK-SGB IV, § 25 Rn. 7; VDR-Verbandskommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, § 25 SGB IV Rn. 3; Pohlmann, Die Beiträge 1977, 161, 171; Hutterer, Die Beiträge 1977, 193, 204; Marburger, SGb 1986, 365, 366).
Ob der Einwand eines Beitragsschuldners, er habe zwar seiner Beitragspflicht nachkommen wollen, sei hierzu aber wegen mangelnder Liquidität außer Stande gewesen, unter dem Gesichtspunkt beachtlich sein kann, daß zum Vorsatz auch die gewollte Nichtabführung der Beiträge gehört, ist in der Rechtsprechung zu § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV noch nicht höchstrichterlich geklärt. Soweit ersichtlich hat sich das für Fragen dieser Art primär zuständige Bundessozialgericht bisher nur mit Fällen beschäftigen müssen, in denen zu entscheiden war, ob dem Beitragsschuldner die jeweilige Beitragsschuld mindestens im Sinne eines bedingten Vorsatzes bewußt war, ohne daß seine Leistungsfähigkeit in Frage stand (vgl. BSG Die Beiträge 1991, 112, 114; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 6 und 7).
Der Streitfall nötigt nicht dazu, die Frage allgemein zu beantworten, ob eine Zahlungsunfähigkeit - ähnlich wie im Rahmen des § 266a Abs. 1 StGB - ein vorsätzliches Vorenthalten ausschließt. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die Beitragsschuldnerin nicht in einer solchen Lage. Ihre Beitragsschuld rührte zunächst aus der zweiten Jahreshälfte 1992 her, die im Zusammenhang mit Stundungsanträgen im Januar 1993 zur Verbürgung des Beklagten führte. Im Anschluß daran wurde der seinerzeit offene Betrag von rund 190.000 DM bis Juli 1993 kontinuierlich auf rund 120.000 DM zurückgeführt. Erst danach blieben weitere Zahlungen aus, so daß die Beitragsschuld auf mehr als 276.000 DM anwuchs. Ungeachtet dieser auf Liquiditätsprobleme hindeutenden Entwicklung wurden die Löhne und Gehälter im wesentlichen bis Dezember 1993 ausbezahlt. Unter diesen Umständen ist aber klar ersichtlich, daß sich die Beitragsschuldnerin - aus welchen Gründen auch immer - in einem bewußten und in ihren Willen aufgenommenen Vorgang für eine Zahlung an ihre Arbeitnehmer und, selbst wenn ihre Liquidität nicht ausreichte, allen Verpflichtungen nachzukommen, gegen eine Abführung der Beiträge entschieden hat. Mögen die Arbeitgeberanteile auch anders als die Arbeitnehmeranteile keinen Vorrang gegenüber anderen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten beanspruchen, so haben sie doch nicht hinter diesen zurückzutreten, sondern sind in gleicher Weise zu erfüllen. Entscheidet sich daher ein Beitragsschuldner, der über eine für die Beitragszahlung genügende Liquidität verfügt, bewußt hiergegen und zieht die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten vor, enthält er der Einzugsstelle die Beiträge vorsätzlich vor. Es besteht kein innerer Grund, ihn unter solchen Umständen verjährungsrechtlich besser zu behandeln als einen Beitragsschuldner, der aus anderen als Liquiditätsgründen in Kenntnis seiner Beitragsschuld von einer Abführung der Beiträge absieht.
3. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Beklagte eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung eingegangen ist, aus der er für die Beitragsschuld der Gesellschaft haftet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAB-98645
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja