BGH Beschluss v. - III ZB 58/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: LG München II 2 S 1769/04 vom

Gründe

I.

Der Beklagte verteidigt sich gegen eine Arzthonorarforderung der Kläger und verfolgt im Wege der Widerklage einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am zugestellt worden. Mit am beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom hat er Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegt. Nachdem bis zum keine Berufungsbegründung eingegangen war, hat das Landgericht unter dem angefragt, ob die Berufung zurückgenommen werde. Mit am beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen, er habe auf der am zugestellten Kopie des Urteils vermerkt: "Berufung: , Begründung: ". Weiterhin habe er seine Anwaltsgehilfin, die über eine 22-jährige einschlägige Berufungserfahrung verfüge und der bislang keine Fehler bei der Notierung von Fristen unterlaufen seien, angewiesen, diese Termine im Fristenkalender einzutragen. Die Anweisung habe er im Rahmen eines Banddiktats wiederholt. Die Angestellte habe für die Einlegung der Berufung im Fristenkalender den und eine Vorfrist auf den notiert. Als Ende der Berufungsbegründungfrist habe sie irrtümlich im Kalender und in der Handakte den eingetragen. Ferner habe sie eine Vorfrist auf den notiert. Die ordnungsgemäße Führung des Fristenkalenders überprüfe er fast täglich stichprobenmäßig. Dabei habe es bisher niemals Anlaß zu Beanstandungen gegeben.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, aber aus anderen Gründen nicht zulässig. Weder wirft die Rechtssache entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

1. Der Beklagte meint, es stelle sich die rechtsgrundsätzliche Frage, ob nach der Neuregelung der Berufungsbegründungsfrist in § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO ein Prozeßbevollmächtigter seine Handakten, die ihm zur Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist hin überprüfen muß. Diese Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist, wie sich aus dem Beschluß des XII. Zivilsenats des - FamRZ 2004, 1183 f) ergibt, bereits geklärt. Der in dieser Sache erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des XII. Zivilsenats an.

Danach ist die von der Rechtsbeschwerde gestellte Frage auch weiterhin nach den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen zu beantworten. Der Prozeßbevollmächtigte muß alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt werden (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B.: Beschluß vom aaO, S. 1183; - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12; jew. m.w.N.). Hierzu gehört insbesondere die Pflicht, allgemein die Anbringung von Erledigungsvermerken über die erfolgte Notierung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen anzuordnen und nach diesen Vermerken zu forschen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt werden (BGH, Beschlüsse vom aaO, S. 1183 f; vom - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632 und vom - V ZB 7/71 - NJW 1971, 2269; jew. m.w.N.). Diese Überwachungspflicht beschränkt sich, wenn die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift präsentiert werden, nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist ( aaO, S. 1184). Die Berufungsbegründungsfrist beginnt nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest. Mit der anwaltlichen Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es deshalb unvereinbar, wenn der Anwalt bei der im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift ohnehin gebotenen Prüfung der Fristnotierung die bereits feststehende Berufungsbegründungsfrist ausnehmen dürfte ( aaO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Er ist durch den angefochtenen Beschluß nicht in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Nach den vorstehenden Ausführungen wird dem Beklagten der Zugang zum Rechtsmittelverfahren nicht zu Unrecht abgeschnitten. Sein Prozeßbevollmächtigter hätte anläßlich der Vorlage der Handakte zwecks Fertigung der Berufungsschrift vom auch prüfen müssen, ob seine Kanzleiangestellte die Berufungsbegründungsfrist zutreffend notiert hatte. Hätte er dieser Pflicht genügt, wären der Irrtum rechtzeitig entdeckt und die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vermieden worden. Das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Fundstelle(n):
YAAAB-98296

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein