Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 3; AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 6; AuslG § 92a Abs. 2 Nr. 1; AuslG § 92b Abs. 1; StGB § 2 Abs. 3; StGB § 276 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 276 Abs. 2; StPO § 338 Nr. 1; StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen mehrerer Fälle des versuchten und vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern (§§ 92b Abs. 1, 92a Abs. 2 Nr. 1 AuslG), teilweise in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßigem Verschaffen falscher Ausweise (§ 276 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB), verurteilt und gegen den Angeklagten V zwei Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren sechs Monaten bzw. einem Jahr sechs Monaten, gegen die Angeklagte Ve eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, sowie gegen den Angeklagten E eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Von weiteren Vorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen bzw. gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern hat das Landgericht die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die auf Verfahrens- und Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten, die ihre Freisprechung erstreben, bleiben erfolglos. Die gegen die Freisprüche und die Nichtanordnung des Verfalls gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, sind teilweise erfolgreich.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschlossen sich die Angeklagten V und E zusammen mit den bereits rechtskräftig abgeurteilten S und Be Anfang 1999 dazu, Frauen aus Lettland und der Ukraine bei der Visabeschaffung, der Einreise nach Deutschland und dem anschließenden Aufenthalt in Deutschland zu unterstützen, um die Frauen gegen Entgelt in verschiedene bordellartige Betriebe und Modellwohnungen für eine Tätigkeit als Prostituierte zu vermitteln. Dabei handelten sie in der Absicht, sich eine fortlaufende und andauernde nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Teilweise wurden die Frauen von der Gruppierung über Kontaktpersonen angeworben, teilweise wandten sich auch bereits aus Deutschland abgeschobene oder ausgewiesene Frauen erneut an die ihnen bereits bekannte Gruppierung. Visumspflichtigen ukrainischen Frauen wurde von der Gruppierung nicht nur bei der Einreise und dem Aufenthalt im Bundesgebiet, sondern bereits bei der Beschaffung dreimonatiger Touristenvisa geholfen; diese Visa erhielten die Frauen nur aufgrund von Falschangaben über den wahren Aufenthaltszweck. Teilweise wurden den ukrainischen Frauen auch verfälschte lettische Reisepässe verschafft. Einem Teil der visumsfrei nach Deutschland eingereisten lettischen Frauen besorgte die Gruppierung nach erfolgter Ausweisung oder Abschiebung verfälschte lettische Pässe, damit sie damit erneut ins Bundesgebiet einreisen konnten.
Im Zeitraum von März 1999 bis Februar 2004 organisierten die Angeklagten V und E zusammen mit den bereits rechtskräftig abgeurteilten S und Be die Ausübung der Prostitution der Ausländerinnen, indem sie diese in bordellartige Betriebe, die Dritte betrieben, vermittelten. Die vier Genannten sorgten ferner für das Abholen der eingeschleusten Frauen von ihrem jeweiligen Ankunftsort. Sie kümmerten sich um deren Unterkünfte und ihren Transport zu den jeweiligen bordellartigen Betrieben bzw. Modellwohnungen. Sie organisierten auch die Fahrten der Frauen zwischen ihren Unterkünften und den jeweiligen "Arbeitsplätzen". Als Gegenleistung erhielten die vier Genannten für die Vermittlung in bordellartige Betriebe wöchentlich bis zu 500 DM (250 Euro) sowie für die Unterkünfte 300 DM (150 Euro) monatlich. Für die Unterbringung in einer Modellwohnung wurden Beträge zwischen 150 und 300 DM täglich verlangt; die Höhe des von den Frauen gezahlten Geldes hing von deren jeweiligem Verdienst und der Zeitdauer ihrer Prostitutionsausübung ab. Ferner mussten diejenigen Frauen, die ihre Einreise nicht selbst finanzieren konnten, die durch die Gruppe vorfinanzierten Ausgaben für die Beschaffung von Visa, Fahrkarten, Flugtickets und verfälschten lettischen Pässen zurückzahlen.
Als sich der Angeklagte V in der Zeit von Dezember 2001 bis August 2002 in anderer Sache in Haft befand, übernahm die Angeklagte Ve seine Stellung innerhalb der Gruppierung und versuchte - ebenfalls aus finanziellen Motiven handelnd - das "Geschäft" aufrechtzuerhalten.
I.
Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
1. Die Besetzungsrüge des Angeklagten V nach § 338 Nr. 1 StPO ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und deshalb nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
2. Auf die Ablehnung einer wörtlichen Protokollierung einer Aussage nach § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO kann die Revision des Angeklagten V nicht gestützt werden, weil das Urteil auf der Ablehnung des Antrags nicht beruhen kann (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 25; ; ; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 273 Rdn. 36).
3. Die von den Angeklagten Ve und E erhobenen Rügen der Verletzung formellen Rechts sind nicht ausgeführt und deshalb nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.
4. Die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen decken keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
a) Zutreffend ist das Landgericht bei den ukrainischen Frauen davon ausgegangen, dass deren mit Falschangaben über den Aufenthaltszweck erschlichenen Touristenvisa formell gültige Aufenthaltsgenehmigungen waren und deshalb eine illegale Einreise (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 6 AuslG; § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) oder ein illegaler Aufenthalt (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG; § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) dieser Frauen innerhalb der Geltungsdauer des jeweiligen Visums nicht in Betracht kam (vgl. BGHSt 50, 105). Damit scheidet in solchen Fällen eine Strafbarkeit der Angeklagten nach § 92a Abs. 1 und 2, § 92b AuslG hinsichtlich der Beteiligung am illegalen Aufenthalt bzw. an einer illegalen Einreise aus. Soweit die Angeklagten die ukrainischen Frauen nicht im Einzelfall nach dem Ablauf des jeweiligen Visums oder nach Einreise ohne jede Aufenthaltsgenehmigung bei deren illegalem Aufenthalt im Bundesgebiet unterstützt haben, hat das Landgericht deshalb zutreffend darauf abgestellt, dass die Angeklagten den Frauen jeweils Hilfe bei der Erschleichung der Touristenvisa geleistet haben (§ 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG).
b) Eine solche Beihilfehandlung sieht der Senat in sämtlichen Verurteilungsfällen und insbesondere auch in den Fällen II. 8, 17 und 28 durch die Urteilsgründe belegt. Zwar ist bei den letztgenannten Fällen keine unmittelbare materielle Unterstützung bei der Beantragung des durch Falschangaben erlangten Schengenvisums festgestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (insbesondere UA S. 11 ff.) ergibt sich jedoch, dass die Frauen ihr jeweiliges Visum nur deshalb mittels Täuschung über ihren wahren Aufenthaltszweck (Prostitution) beantragt haben, weil die Angeklagten durch die umfassende Organisation der Prostitutionsausübung überhaupt erst die konkrete Möglichkeit eines Gelderwerbs durch Prostitution im Bundesgebiet geschaffen haben, u. a. über Anwerbung in der Ukraine, Abholung nach der Einreise, Einweisung in die Wohnung und die Prostitutionsausübung sowie Hilfe bei der Prostitutionsausübung. Die in Kenntnis dieses Umstands handelnden Angeklagten haben damit durch die Organisation der Prostitutionsausübung und das Vermitteln dieses "Angebots" in die Ukraine die jeweiligen Frauen auch in den Fällen II. 8, 17 und 28 zumindest in ihrem Entschluss zur Visaerschleichung bestärkt; dies reicht für die Annahme einer (psychischen) Beihilfehandlung und damit für eine Strafbarkeit nach § 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus (vgl. BGH NStZ 2000, 657, 659; ).
c) In den Fällen II. 4, 11 und 19 der Urteilsgründe ist das Landgericht allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die zuvor ausgewiesenen ukrainischen und staatenlosen Frauen durch die Einreise und den Aufenthalt mit einem durch Falschangaben erschlichenen Visum nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 AuslG strafbar gemacht haben; denn das formal gültige (Schengen-)Visum hindert auch in diesen Fällen eine Strafbarkeit der Frauen wegen illegaler Einreise oder illegalen Aufenthalts nach Abschiebung oder Ausweisung (vgl. BayObLG NStZ-RR 2000, 344, 346; Mosbacher, Illegale Ausländerbeschäftigung, in Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht, 2002, Rdn. 439). Dies stellt den Schuldspruch indes nicht in Frage. Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne weiteres in diesen Fällen eine gemäß §§ 92b, 92a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbare Beihilfe der jeweiligen Angeklagten zur Visumserschleichung.
II.
Die - auf die Freisprüche und das Absehen der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Bezug auf vier Fälle beschränkten - Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, greifen teilweise durch; im Übrigen wurde in der Revisionshauptverhandlung Fall II. 14 der Urteilsgründe vorläufig eingestellt (§ 154 Abs. 2 StPO) und im Fall II. 5 der Urteilsgründe die Verfolgung beschränkt (§ 154a Abs. 2 StPO).
1. Die Freisprüche der Angeklagten können keinen Bestand haben. Indem die Angeklagten lettische Frauen bei der Prostitutionsausübung im Bundesgebiet unterstützt haben, die sich nur als nicht erwerbstätige Touristen ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhalten durften (vgl. § 3 Abs. 1 AuslG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 DVAuslG sowie Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Anlage II EUVisaVO), haben die Angeklagten zur Illegalität des bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit genehmigungsfreien Aufenthalts beigetragen und damit eine Beihilfe zum illegalen Aufenthalt der Lettinnen begangen (vgl. BGH NStZ 2005, 407).
Das Landgericht hat die Freisprüche ausschließlich mit § 2 Abs. 3 StGB und den Rechtsänderungen durch den Beitritt Lettlands zur Europäischen Union und das am in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz (vom ; BGBl I S. 1950) begründet. Die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Aufenthaltsgenehmigungspflicht durch den Beitritt Lettlands zur Europäischen Union zum und die Änderungen durch das am in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz sind jedoch insoweit in Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB unbeachtlich (vgl. BGHR AufenthG § 96 Anwendungsbereich 1 und Altfälle 1).
2. Die Nichtanordnung des Verfalls (von Wertersatz) in den Fällen II. 11, 12, 19 und 20 ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Anordnung des Verfalls auch gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB im Hinblick darauf abgelehnt, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist, sie sich mit der außergerichtlichen Einziehung der bei ihnen sichergestellten Geldbeträge und Forderungen einverstanden erklärt haben, zusätzlich gepfändete Gegenstände erheblich an Wert verloren haben, die Angeklagten durch den Eigenverkauf dieser Gegenstände die Kosten des Strafverfahrens begleichen wollen und sie darüber hinaus über keinerlei Vermögenswerte mehr verfügen. Dies nimmt der Senat letztlich hin.
Fundstelle(n):
SAAAB-95787
1Nachschlagewerk: nein