Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 154 Abs. 1; StGB § 20; StGB § 63; HFEG § 1
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung und in dem anderen Fall mit Nötigung, wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Feststellungen zu den beiden Anlasstaten vom , zum bisherigen Krankheitsverlauf mit zahlreichen, auch lang dauernden Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern, zu den übrigen persönlichen Verhältnissen und den weiteren Vorfällen vom , Mitte Februar 2003, , 26. und , derentwegen die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Strafverfolgung abgesehen hat, lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Der näheren Erörterung bedarf jedoch die Frage, ob der die Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit am begründende Zustand hinreichend festgestellt ist und eine tragfähige Grundlage für die erforderliche Gefährlichkeitsprognose gegeben ist. Auch insoweit genügt das angefochtene Urteil den sachlich-rechtlichen Anforderungen.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Tat darf gemäß § 63 StGB nur erfolgen, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Eine zuverlässige Beurteilung, ob dies der Fall ist, setzt aber zunächst eine eindeutige Bewertung des Zustands des Täters voraus. Hierfür muss geklärt werden, ob er (noch) die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seines Tuns zu erkennen und er lediglich nicht in der Lage ist, danach zu handeln, oder ob ihm bereits die Fähigkeit fehlt, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen. Dabei ist aber zu bedenken, dass fehlende Einsicht die Steuerungsfähigkeit für die konkrete Tat zwangsläufig entfallen lässt (vgl. Jähnke LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 36; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 20 Rdn. 25 jeweils m.w.N.) mit der Folge, dass dann, wenn die Einsichtsfähigkeit fehlt, auch die Steuerungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, sich die Frage nach der Steuerungsfähigkeit für die Beurteilung der Schuldfähigkeit also gar nicht mehr stellt (vgl. Jähnke aaO; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 128 für den Bereich der Schizophrenie). Zudem gibt es Krankheitsbilder, die von vornherein ambivalent angelegt sind und beide Fähigkeiten vollständig aufheben können (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 11).
Die Erwägungen des Landgerichts und das festgestellte Krankheitsbild belegen hinreichend, dass bei dem Angeklagten zur Tatzeit die Fähigkeit, das Unerlaubte seiner Taten einzusehen, als auch die Steuerungsfähigkeit infolge einer zumindest mittelschweren schizoaffektiven Psychose (ICD F 25.0) aufgehoben waren. Insoweit teilt der Senat die vom Generalbundesanwalt erhobenen Bedenken nicht.
Das sachverständig beratene Landgericht stellt zunächst fest, der Angeklagte habe die Taten vom zum Nachteil der Zeugin M. , die Gegenstand des Verfahrens sind, im Zustand aufgehobener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begangen (UA S. 9). Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H., dem sich das Landgericht angeschlossen hat, näher mitgeteilt. Danach sei die Erkrankung des Angeklagten als Residualzustand nach zahlreichen schizoaffektiven, insbesondere schizomanischen Episoden einzuordnen, die zu einer weitgehend therapieresistenten Persönlichkeitsverformung mit desorganisiertem kognitiven Stil, sozialen und emotionalen Verhaltensauffälligkeiten geführt habe. Für die Tatzeit sei davon auszugehen, dass eine akute schizomanische Episode (ICD F 25.0) bestanden habe. Bereits am Tag nach dem Vorfall wurde der Angeklagte wegen eines nicht angeklagten weiteren Vorfalls gegenüber einer anderen Hausmitbewohnerin nach § 1 HFEG bis zum in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht und in den ersten sieben Tagen trotz sofort begonnener Medikation fixiert. Die Aufnahmediagnose lautete - wie auch bei den früheren stationären Aufnahmen des Angeklagten in psychiatrischen Krankenhäusern - auf maniforme Symptomatik bei bekannter schizoaffektiver Psychose (ICD F 25.0). Es sei davon auszugehen, dass die schizoaffektive Psychose bereits vor dem Aufnahmetag, also auch bereits zur Tatzeit bestand. Da der Angeklagte anfangs fixiert werden musste, sei von einem schweren, insbesondere fremd- aber auch selbstgefährdenden Ausmaß der Erkrankung auszugehen. Der Angeklagte habe somit zur Tatzeit an einer schizoaffektiven Psychose mittelschwerer oder gar schwerer Ausprägung und somit an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten.
Der psychiatrische Sachverständige hat darüber hinaus eine schwere andere seelische Abartigkeit nicht ausschließen können, da bei dem Angeklagten eine residuale Persönlichkeitsdeformierung vorliege. Er leide an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die dazu führe, dass der Angeklagte immer wieder versuche, Kontrolle über andere auszuüben, andere seine Überlegenheit spüren zu lassen und insbesondere Frauen Angst einzujagen. Dies entspreche auch dem Bild, das die Kammer in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen hat. Die Persönlichkeitsstörung komme nach der Bewertung des Sachverständigen in ihren Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten einer Psychose nahe oder gleich. Im Hinblick auf den Aufnahmebefund und den Behandlungsverlauf in der psychiatrischen Klinik sei die schizoaffektive Psychose gegenüber der Persönlichkeitsstörung aber eindeutig führend gewesen. Auf Grund dieser zumindest mittelschwer ausgeprägten Psychose sei der Angeklagte am nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die psychotische Erkrankung des Angeklagten habe sich unmittelbar auf sein Tatverhalten ausgewirkt, wie sich aus seinen wirren und sinnlosen Äußerungen ergebe, bei denen er mit den Augen gerollt und tierisches Gebrüll von sich gegeben habe (vgl. UA S. 13/15).
Nach diesen Erwägungen verbleiben für den Senat unter den Umständen des vorliegenden Falles, insbesondere auch im Hinblick auf das im Urteil festgestellte Gesamtverhalten des Angeklagten seit den ersten psychotischen Schüben im Jahr 1991 keine Zweifel, dass nach der Beurteilung des Sachverständigen und des Landgerichts bei dem Angeklagten zur Tatzeit sowohl die Einsichtsfähigkeit als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben waren.
Auch die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts hält der sachlich-rechtlichen Prüfung stand. Das Landgericht hat hinreichend dargelegt, dass die Anlasstaten vom - ebenso wie die zahlreichen weiteren Vorfälle davor und danach - auf der krankhaften seelischen Störung des Angeklagten beruhen und dass infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten, insbesondere in der engeren und häuslichen Umgebung des Angeklagten zu erwarten sind. Da der Angeklagte keine Krankheits- und Behandlungseinsicht zeigt, ist die notwendige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung derzeit nur in der stationären Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewährleistet. Dies belegt zweifelsfrei die Erfolglosigkeit der intensiven sozialpsychiatrischen Betreuung des Angeklagten in der Zeit von Mai 2000 bis März 2003 als ihm ein Betreuer bestellt worden war. Die Betreuung musste aufgehoben werden, weil sich der Angeklagte als "nicht betreubar" erwiesen hatte (vgl. UA S. 4). Die Maßregelanordnung ist im Hinblick auf das Gewicht der Anlasstaten und ihre Folgen sowie der zu erwartenden neuen Taten auch verhältnismäßig (§ 62 StGB).
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CAAAB-95321
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