BAG Urteil v. - 6 AZR 82/01

Leitsatz

[1] Das Direktionsrecht eines Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich regelmäßig auf die Zuweisung solcher Tätigkeiten, die den Merkmalen der Vergütungsgruppe entsprechen, für die der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag eingestellt worden ist.

Gesetze: ZPO § 286; ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 aF

Instanzenzug: ArbG Bautzen 2 Ca 2480/98 vom LAG Sachsen 2 Sa 320/99 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Umsetzung.

Die Klägerin ist Diplom-Ingenieurökonomin. Sie wurde mit Arbeitsvertrag vom ab dem bei dem Beklagten als vollbeschäftigte Angestellte auf unbestimmte Zeit eingestellt. Für das Arbeitsverhältnis gelten der BAT-O und die diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Nach § 4 des Arbeitsvertrages ist die Klägerin in die VergGr. IV a der Anlage 1 a zum BAT-O eingruppiert. Sie war zunächst beim Staatlichen Amt für Ländliche Neuordnung beschäftigt. Dort war sie bis zum in der Abteilung IV (Recht, Technik, Information) Referat 44 (Informationsverarbeitung) eingesetzt. Ihre Tätigkeiten entsprachen der VergGr. IV a Fallgruppe 1 der Anlage 1 a zum BAT-O Teil II Abschn. B Unterabschn. II. Diese Fallgruppe eröffnet nach sechs Jahren einen Bewährungsaufstieg in die VergGr. III.

Mit Erlaß des Staatssekretärs des Sächsischen Staatsministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten vom wurde die Umstrukturierung der Informations- und Kommunikationstechnik in der Verwaltung der Ämter für Ländliche Neuordnung angeordnet. In diesem Zusammenhang erfolgte mit Schreiben vom die Umsetzung der Klägerin zum in die Abteilung III (Ländliche Entwicklung, Dorfentwicklung, Finanzierung) Referat 35 (Finanzierung, Förderung). Diese Tätigkeit ist zugeordnet der VergGr. IV a Fallgruppe 1 b der Anlage 1 a zum BAT-O Teil I Allgemeiner Teil, die keinen Bewährungsaufstieg vorsieht. Die bisherigen Arbeitsaufgaben der Klägerin wurden einem Diplom-Ingenieur der Informationstechnik übertragen, dessen Arbeitsplatz infolge der Umstrukturierung entfiel. Er hätte auf Grund seiner Qualifikation nicht auf die neue Stelle der Klägerin umgesetzt werden können.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Umsetzung sei rechtswidrig. Dies zeige sich schon daran, daß die neue Tätigkeit nicht mehr nach Teil II Abschn. B (Datenverarbeitung), sondern nach der im Teil I geregelten Allgemeinen Vergütungsordnung bewertet werde. Der Umstand, daß ihr ein Bewährungsaufstieg verwehrt werde, stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, sie über den hinaus als technische Hauptsachbearbeiterin in der VergGr. IV a BAT-O weiterzubeschäftigen und ihr dabei Aufgaben zu übertragen,

- die mit der Übernahme von Datenverarbeitungsverfahren, die einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisen, zusammenhängen,

- sie weiter mit Aufgaben zu betrauen, die mit der Erarbeitung von Vorschlägen und der Festlegung erforderlicher Anpassungsmaßnahmen verbunden sind und die zusammenhängen mit der Einführung neuentwickelter Verfahren für Fachaufgaben im Fachbereich sowie mit der Organisation von Arbeitsabläufen im Rahmen von Datenverarbeitungsverfahren und die mit der Anleitung und Überwachung von Mitarbeitern verbunden sind;

2. hilfsweise festzustellen, daß die von dem Beklagten mit Schreiben vom angeordnete Umsetzung der Klägerin in das Referat 35 - Finanzierung, Förderung - rechtsunwirksam ist;

3. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin mit Wirkung vom eine Vergütung nach der VergGr. III BAT-O zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, die Umsetzung sei durch sein Direktionsrecht gedeckt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die mit Schreiben vom angeordnete Umsetzung rechtsunwirksam ist und den Beklagten verpflichtet, an die Klägerin ab dem eine Vergütung nach der VergGr. III BAT-O zu zahlen. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts hinsichtlich des noch rechtshängigen Feststellungsantrags zu 3) unzulässig; hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2) ist sie unbegründet.

I. Die Berufungsbegründung zum Feststellungsantrag zu 3) entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

1. Die Zulässigkeit der Berufung gehört zu den in der Revision von Amts wegen zu prüfenden Prozeßfortsetzungsvoraussetzungen. Es kommt nicht darauf an, daß das Landesarbeitsgericht die Berufung als zulässig angesehen hat ( - BAGE 97, 57, 58).

2. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aF muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung vorzubringen hat. Aus der Berufungsbegründung müssen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will. Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig ( - BAGE 88, 171, 175 mwN; - 5 AZR 132/00 - nv.; - BGHZ 143, 169).

3. Diesen Anforderungen genügt die auf die Abweisung des Feststellungsantrags zu 3) bezogene Berufungsbegründung nicht. Die Klägerin hat sich mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Abweisung dieses Feststellungsantrags nicht hinreichend auseinandergesetzt. Das Arbeitsgericht hat einen Anspruch auf eine Vergütung nach der VergGr. III BAT-O aus zwei Gründen verneint. Zum einen sei die Umsetzung wirksam; zum anderen habe sich die Klägerin nicht über den erforderlichen Zeitraum von sechs Jahren in einer Tätigkeit nach der VergGr. IV a Fallgr. 1 der Anlage 1 a zum BAT-O Teil II Abschn. B Unterabschn. II bewährt. Mit der letzteren Argumentation hat sich die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht befaßt. Sie erklärt nicht, wie sie trotz einer anderweitigen Beschäftigung ab dem die erforderlichen Zeiten für den Bewährungsaufstieg in VergGr. III BAT-O erfüllt haben will oder es aus Rechtsgründen hierauf nicht ankommen kann. Ihr Hinweis in der Berufungsbegründung auf den erstinstanzlichen Vortrag hilft nicht weiter. Die pauschale Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Schriftsätze ersetzt nicht die Auseinandersetzung mit den Argumenten des erstinstanzlichen Urteils. Zudem wird im Schriftsatz vom , in dem der Feststellungsantrag zu 3) erstmals angekündigt und begründet wurde, nicht erläutert, wie die Klägerin trotz der - wenn auch nach ihrer Ansicht rechtswidrigen - Umsetzung die 6-jährige Bewährungszeit tatsächlich erfüllt haben will oder daß dieser Umstand für das Entstehen des Anspruchs unerheblich ist.

II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 2) entsprochen. Die Umsetzung der Klägerin ist wirksam. Sie ist durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt.

1. Das arbeitsvertragliche Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen einseitig zu bestimmen, soweit diese im Vertrag nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich oder durch eine tarifliche Regelung erweitert oder beschränkt werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht ( - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17, zu II 1 der Gründe mwN; - 1 AZR 47/95 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14, zu II 1 der Gründe).

2. In § 1 des Arbeitsvertrages vom haben die Parteien bezüglich der Tätigkeit der Klägerin vereinbart, daß diese als "vollbeschäftigte Angestellte" auf unbestimmte Zeit eingestellt wird. Damit haben die Parteien den im öffentlichen Dienst üblichen Formulararbeitsvertrag geschlossen. Danach wird der Arbeitnehmer regelmäßig nicht für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eingestellt, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich, der durch die Nennung der Vergütungsgruppe konkretisiert wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst deshalb auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, für die der Arbeitnehmer eingestellt worden ist. Danach können dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch andere Tätigkeiten zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen. Unerheblich ist, ob aus der einschlägigen Fallgruppe dieser Vergütungsgruppe ein Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe möglich ist oder nicht ( - 1 AZR 47/95 - aaO, zu II 1 der Gründe; - 4 AZR 976/94 - aaO, zu II 1 der Gründe).

3. Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß das Direktionsrecht auf diejenigen Tätigkeiten begrenzt ist, die den Merkmalen der zuletzt ausgeübten Fallgruppe innerhalb einer Vergütungsgruppe entsprechen. Diese Ausführungen laufen darauf hinaus, daß die Klägerin für eine Tätigkeit als Angestellte eingestellt worden ist, die in der DV-Organisation Fachaufgaben hohen Schwierigkeitsgrades selbständig bearbeitet. Auf diese Weise hat das Berufungsgericht für die Vergleichbarkeit der verschiedenen Tätigkeiten die Merkmale der Vergütungsgruppe, für die der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um diejenigen der konkreten Fallgruppe erweitert, in die er zuletzt eingruppiert war. Eine solche Beschränkung des Direktionsrechts findet im Arbeitsvertrag keine Stütze. Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht in § 4 eine Eingruppierung in die VergGr. IV a der Anlage 1 a zum BAT-O vor. Welcher Teil der Anlage 1 a zum BAT-O zur Anwendung kommt, ist nicht näher bestimmt. Demnach stehen sich die Fallgruppen, die die VergGr. IV a in Teil I (Allgemeine Vergütungsordnung) und Teil II Abschn. B Unterabschn. II (Angestellte in der DV-Organisation) kennzeichnen, als gleichwertige Einsatzgebiete gegenüber. Die Tätigkeit der Angestellten, die in der DV-Organisation Fachaufgaben hohen Schwierigkeitsgrades selbständig bearbeiten (Teil II Abschn. B Unterabschn. II Angestellte in der DV-Organisation), ist derjenigen Tätigkeit einer Angestellten im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst gleichgestellt, deren Tätigkeit sich zumindest um ein Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a heraushebt (Teil I Allgemeiner Teil). Die Gleichwertigkeit dieser Tätigkeiten folgt aus deren Einordnung in die gleiche Stufe des tariflichen Vergütungssystems (vgl. - aaO, zu II 2 b der Gründe). Ob das durch den Arbeitsvertrag konkretisierte Direktionsrecht einen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auch dazu berechtigt, einem Arbeitnehmer Tätigkeiten zuzuweisen, die zwar der vereinbarten VergGr., nicht jedoch dessen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, bedarf entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt nicht vor.

4. Das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers wird auch nicht dadurch beschränkt, daß der Klägerin aus der bisherigen Fallgruppe heraus ein Bewährungsaufstieg möglich war, der ihr aus der nunmehr zugewiesenen Tätigkeit verwehrt ist. Die Klägerin ist hierdurch in ihrer Rechtsposition nicht beeinträchtigt worden. Sie wird nach wie vor nach der VergGr. IV a BAT-O vergütet. Weitere Rechte hat sie weder nach ihrem Arbeitsvertrag noch nach den tariflichen Regelungen. Zwar ist ihr durch die Maßnahme die Möglichkeit der späteren Teilnahme am Bewährungsaufstieg entgangen. Diese hat jedoch noch kein rechtliches Eigengewicht ( - BAGE 37, 145, 151). Es ist bei der Einstellung oder der Übertragung einer bestimmten Tätigkeit regelmäßig nicht vorhersehbar, ob der Angestellte jemals - sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen - den Ablauf der geforderten Bewährungszeit überhaupt erreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht weder ein Recht noch eine rechtserhebliche Anwartschaft auf spätere Teilnahme am Bewährungsaufstieg.

5. Der Beklagte hat sein Direktionsrecht auch nicht rechtsmißbräuchlich ausgeübt, indem er der Klägerin kurz vor Ablauf der 6-jährigen Bewährungszeit Tätigkeiten übertragen hat, die ihr keinen Bewährungsaufstieg ermöglichen. Für die Annahme einer Vereitelung des Bewährungsaufstiegs fehlt es an Anhaltspunkten. Die Umsetzung der Klägerin war keine Einzelmaßnahme. Sie stand in direktem Zusammenhang mit der Änderung der Organisationsstruktur der Behörde, die eine Reihe Arbeitnehmer betraf. Hierdurch konnte erreicht werden, daß einem weiteren Mitarbeiter mit einer Ausbildung im EDV-Bereich durch Umsetzung auf den bisherigen Tätigkeitsbereich der Klägerin der Arbeitsplatz erhalten werden konnte und der Ausspruch einer Beendigungskündigung vermieden wurde. Das Heranrücken der Umsetzung an den Zeitpunkt, zu dem ein Bewährungsaufstieg der Klägerin angestanden hätte, erfolgte zufällig. Die Neustrukturierung der betreffenden Behörden war bereits durch den Erlaß des Staatssekretärs des Sächsischen Staatsministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten vom und damit fast ein halbes Jahr vor dem möglichen Bewährungsaufstieg der Klägerin in Gang gesetzt worden.

6. Die von der Klägerin in der Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge nach § 286 ZPO, wonach das Berufungsgericht für die derzeit ausgeübte Tätigkeit die Erfüllung des Anforderungsprofils der VergGr. IV a BAT-O nicht habe unterstellen dürfen, zwingt nicht zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin erfülle die Anforderungen der VergGr. IV a BAT-O nunmehr auf Grund anderer Merkmale. Daran war das Landesarbeitsgericht auf Grund des Vorbringens der Parteien nicht gehindert. Die Klägerin hatte zwar im Schriftsatz vom mit Nichtwissen bestritten, ob ihr Aufgaben übertragen worden seien, die eine Eingruppierung in die VergGr. IV a Fallgruppe 1 b der Anlage 1 a zum BAT-O Teil I überhaupt rechtfertigten. Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom die der Klägerin zugewiesenen Tätigkeiten sowie deren Schwierigkeit und Bedeutung substantiiert dargelegt. Diesen Ausführungen hat die Klägerin nicht widersprochen. Für das Landesarbeitsgericht bestand daher keine Veranlassung, die Richtigkeit der derzeitigen Eingruppierung der Klägerin im einzelnen zu klären.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1624 Nr. 31
DB 2003 S. 1630 Nr. 30
YAAAB-94573

1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein