BAG Urteil v. - 5 AZR 597/03

Leitsatz

[1] Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist im Arbeitsgerichtsverfahren aktiv und passiv parteifähig.

Gesetze: ZPO § 50; ZPO § 233; BGB § 705; BGB § 736

Instanzenzug: ArbG Oldenburg 6 Ca 150/01 vom LAG Niedersachsen 9 Sa 649/02 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang der zu leistenden Arbeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten im Rettungsdienst beschäftigt. Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) den Rettungsdienst im Landkreis A. Gesellschafter sind der Landkreis A, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Kreisverband A e.V. sowie die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Regionalverband O.

Der Kläger leistete in der Vergangenheit im Monat zehn Schichten zu jeweils 24 Stunden. Bezogen auf einen Zeitraum von 26 Wochen betrug die durchschnittliche Arbeitszeit 54 Stunden je Woche.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Anordnung von 24-Stunden- Schichten sowie die Arbeitszeit von 54 Stunden je Woche seien unzulässig.

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

festzustellen, dass er gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet ist, mehr als durchschnittlich 48 Wochenstunden Arbeitszeit inkl. Bereitschaftsdienst in Form der Anwesenheit auf der Rettungswache zu verrichten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Anordnung einer 54-Stunden-Woche für den Kläger sei wirksam, weil darin auch Bereitschaftsdienst enthalten sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben. Einen weiteren Zahlungsantrag, mit dem der Kläger Überstundenvergütung verlangt hat, hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Gegen das der Beklagten am zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte am Revision eingelegt, diese zugleich begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beantragt.

Zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Beklagte unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen vorgebracht, ihr Prozessbevollmächtigter habe ihr am das Urteil des Landesarbeitsgerichts übermittelt. Hierbei sei sie darüber unterrichtet worden, dass die Revision zum Bundesarbeitsgericht bis zum eingelegt sein müsse. Ihr Prozessbevollmächtigter habe sie gebeten, rechtzeitig mitzuteilen, ob Revision eingelegt werden solle. Da durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts die Kosten des Rettungsdienstes erhöht würden, seien die Kostenträger des Rettungsdienstes durch den Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom über das Urteil sowie die Möglichkeit eines Revisionsverfahrens informiert und gebeten worden, bis spätestens mitzuteilen, ob gegen das Urteil Revision eingelegt werden solle. Von dem Schreiben an die Kostenträger habe der Geschäftsführer der zuständigen Sachbearbeiterin beim Ordnungsamt des Landkreises A eine Kopie zugeleitet, weil im Schriftverkehr mit den Kostenträgern des Rettungsdienstes sowohl das Ordnungsamt als auch der Rettungsdienst als Adressat aufgeführt seien. Schriftsätze der Kostenträger gingen in der Regel beim Ordnungsamt ein und würden von dort der Beklagten zugeleitet. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten bis zum keine Mitteilung der Kostenträger erhalten habe, sei er davon ausgegangen, die Kostenträger verzichteten auf die Einlegung der Revision. Am habe die Beklagte auf eine telefonische Nachfrage ihres früheren Geschäftsführers bei der AOK Niedersachsen, wie in der Frage der noch offenen Entgeltvereinbarung weiter verfahren werden solle, erfahren, die AOK habe bereits am mitgeteilt, dass gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt werden solle. Die Sachbearbeiterin des Ordnungsamtes habe daraufhin bestätigt, am eine entsprechende E-Mail erhalten zu haben. Diese habe sie allerdings nicht an die Beklagte weitergeleitet.

Mit Beschluss vom hat der erkennende Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Auffassung vertreten, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig. Um eine Anrufung des Großen Senats zu vermeiden, hat der Senat bei den anderen Senaten des Bundesarbeitsgerichts angefragt, ob an einer etwaigen abweichenden Rechtsprechung festgehalten werde. Auf diese Anfrage haben die anderen Senate mitgeteilt, es bestünden keine Einwände gegen die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung bzw. an einer früheren abweichenden Rechtsprechung werde nicht festgehalten.

Gründe

Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eingelegt worden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet.

I. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Frist für die Einlegung der Revision einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Nachdem das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts vom der Beklagten am zugestellt wurde, endete die Revisionsfrist am . Die am eingegangene Revision war damit nicht fristgemäß.

II. Der gemäß §§ 234, 236 ZPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Die Beklagte war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten. Abzustellen ist auf die Gesellschaft, nicht auf die Gesellschafter der GbR.

1. Beklagte Partei des Rechtsstreits ist die Rettungsdienst A GbR. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( - BGHZ 146, 341; - IX ZR 324/01 - BB 2003, 2706), der sich das Bundesverfassungsgericht ( - NJW 2002, 3533) und der Bundesfinanzhof ( - DB 2004, 1705) angeschlossen haben, ist davon auszugehen, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig ist.

Der Bundesgerichtshof hat zur Begründung seiner geänderten Rechtsauffassung ausgeführt, die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei im BGB nicht abschließend geregelt ( - BGHZ 146, 341). Die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne daher auch unter Berücksichtigung praktischer Bedürfnisse der Verwirklichung des Gesamtheitsprinzips beurteilt werden. Eine beschränkte Rechtssubjektivität der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft verdiene unter praktischen Gesichtspunkten den Vorzug. Ein Wechsel im Mitgliederbestand habe dann keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse. Demgegenüber müssten bei strikter Anwendung der Gegenauffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuordnungsobjekte der die Gesellschaft treffenden Rechte und Pflichten ansehe, insbesondere in Dauerschuldverhältnissen bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand neue Verträge geschlossen werden. Hierdurch würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt. Die beschränkte Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vermeide weiterhin schwierige Abgrenzungsprobleme für den Fall des Übergangs von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG. Betreibe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, werde sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer OHG, sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere (§ 105 Abs. 1, § 1 HGB). Da der OHG nach § 124 Abs. 1 HGB eine beschränkte Rechtssubjektivität zukomme, würden sich mit dem Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung zur OHG ändern. In vielen Fällen sei jedoch der genaue Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere (§ 105 Abs. 1 HGB), kaum präzise feststellbar. Die Regelung des § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich sei, stehe der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil sei ein Urteil "gegen alle Gesellschafter" iSd. § 736 ZPO. Dem schließt sich der Senat an.

2. Nach § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zu wahren. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die beklagte Gesellschaft war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten.

a) Die Beklagte hat durch ihren nach dem Gesellschaftsvertrag zur selbständigen Betriebsführung berechtigten Geschäftsführer nicht sichergestellt, dass ihr die Entscheidung der Kostenträger zur Einlegung der Revision bzw. zum Verzicht auf das Rechtsmittel innerhalb der Revisionsfrist zur Kenntnis gelangt. In dem Schreiben der Beklagten vom an die Kostenträger ist diesen zwar für die Entscheidung, ob gegen das Urteil Revision eingelegt werden soll, eine Frist bis zum gesetzt worden. Die Beklagte hat jedoch nicht klargestellt, wem gegenüber diese Entscheidung mitzuteilen sei. Da nach dem Vortrag der Beklagten die Schriftsätze der Kostenträger in der Regel beim Ordnungsamt eingehen, musste die Beklagte damit rechnen, dass eine Entscheidung über die Revisionseinlegung nicht ihr selbst, sondern dem Ordnungsamt ihres Gesellschafters mitgeteilt würde. Die Beklagte hätte deshalb zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags konkret darlegen müssen, durch welche Organisationsmaßnahmen und Weisungen sie sichergestellt habe, dass im Ordnungsamt eingehende Schreiben der Kostenträger des Rettungsdienstes unverzüglich an sie weitergeleitet würden. Dies ist nicht erfolgt. Nach der eidesstattlichen Versicherung des früheren Geschäftsführers der Beklagten bestand lediglich bei einem Gesellschafter, dem Landkreis A, die allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung, Terminsachen so zu behandeln, dass der Termin eingehalten werde. Dies lässt jedoch nicht erkennen, ob und ggf. wie die Beklagte die Fristenkontrolle organisiert und überprüft hat.

b) Die Beklagte hat darüber hinaus schuldhaft aus dem Schweigen der Kostenträger geschlossen, diese seien gegen eine Revision. Nachdem die Beklagte die Kostenträger in dem Schreiben vom darum gebeten hatte, bis zum zu entscheiden, ob gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt werden solle, hätte sie nach Ablauf der gesetzten Frist bei den Kostenträgern nachfragen müssen, wie sie sich entschieden haben. In dem Schreiben vom gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, das Schweigen der Kostenträger als Zustimmung zu dem Urteil des Landesarbeitsgerichts bewerten zu können. Die Beklagte musste deshalb nach dem Verstreichen der Frist ohne Reaktion der Kostenträger in Betracht ziehen, dass ihre Anfrage bzw. die Antwort der Kostenträger verloren gegangen und aus diesem Grund die Anfrage unbeantwortet geblieben sei.

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
JR 2005 S. 308 Nr. 7
CAAAB-94375

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