BAG Urteil v. - 2 AZR 38/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 1; PersVG Brandenburg § 74 Abs. 3 Satz 1; BPersVG § 108 Abs. 2

Instanzenzug: ArbG Cottbus 2 Ca 2102/03 vom LAG Brandenburg 3 Sa 123/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin macht die Unwirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung geltend, begehrt Prozessbeschäftigung und verlangt hilfsweise Wiedereinstellung, äußerst hilfsweise vorübergehende Wiedereinstellung.

Die Klägerin trat im Jahre 1993 in die Dienste der beklagten Stadt. Die Parteien vereinbarten die Geltung des BAT-O und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände. Als Schulsachbearbeiterin in der Grundschule I erhielt die Klägerin zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 1.795,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden. Die Vergütung entsprach der von der Beklagten für zutreffend erachteten VergGr. VII Fallgr. 1c (Bewährungsaufstieg aus VergGr. VIII Fallgr. 1b) der Anlage 1a zum BAT-O.

Die beklagte Stadt beschäftigte zusammen mit der Klägerin sieben Schulsachbearbeiterinnen, die alle in die VergGr. VIII Fallgr. 1b der Anlage 1 zum BAT-O mit Bewährungsaufstieg in die VergGr. VII Fallgr. 1c eingruppiert waren. Unter anderem wurde die Sachbearbeiterin Frau R beschäftigt, die seit August 2002 arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte setzte die bei ihr als Sachbearbeiterin mit der VergGr. IVb der Anlage 1a zum BAT-O beschäftigte Mitarbeiterin Frau E für den Zeitraum der Erkrankung der Frau R als deren Vertreterin ein. Frau R teilte der Beklagten Anfang September 2003 mit, ihre Arbeitsunfähigkeit werde noch andauern. Sie müsse sich einer Operation unterziehen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte der Beklagten im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits im Juni 2004 mit, die erkrankte Mitarbeiterin Frau R, die er ebenfalls vertritt, erhalte ab dem eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Beklagte beschäftigte seit dem Frau U als Sachbearbeiterin im Sachgebiet Steuern, die 23 Jahre alt war. Diese Arbeitnehmerin wurde gem. VergGr. VII Fallgr. 1a (originäre Eingruppierung) vergütet.

Im Dezember 2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten die Auflösung des Schulstandorts der K-Grundschule und der Gesamtschule mit Beendigung des Schuljahres 2002/2003. An diesem Schulstandort war eine Schulsachbearbeiterin mit einer Vollzeitstelle beschäftigt. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg genehmigte die Auflösung des Schulstandortes.

Die Beklagte entschloss sich, einer Schulsachbearbeiterin zu kündigen. In die soziale Auswahl bezog sie sämtliche Schulsachbearbeiterinnen sowie diejenigen anderen Sachbearbeiterinnen ein, die auf Grund des Bewährungsaufstiegs nach der VergGr. VII Fallgr. 1c der Anlage 1a zum BAT-O vergütet wurden. Ebenso bezog sie die erkrankte Frau R in die Sozialauswahl ein. Die Beklagte legte für die Dauer der Betriebszugehörigkeit das Lebensalter, die Unterhaltsverpflichtungen und eine evtl. Schwerbehinderung ein Punkteschema zugrunde und bewertete die sich durch das Punkteschema ergebende Auswahl noch einmal abschließend.

Auf Grund des Ergebnisses der sozialen Auswahl entschloss sich die Beklagte, der Klägerin zu kündigen. Mit Schreiben vom bat die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens um Zustimmung zur Kündigung. Mit Schreiben vom verweigerte der Personalrat die Zustimmung zur Kündigung.

Am rief die Beklagte die Einigungsstelle an und begehrte, die fehlende Zustimmung des Personalrats zur Kündigung zu ersetzen. In der Sitzung vom beschloss die Einigungsstelle, die Zustimmung zur Kündigung zu ersetzen. Der Vorsitzende der Einigungsstelle übermittelte das von ihm unterzeichnete Protokoll der Einigungsstellensitzung mit dem Beschlusstenor der Beklagten am per Telefax. Mit Schreiben vom , das der Klägerin am gleichen Tag übergeben wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum . Am übersandte der Einigungsstellenvorsitzende den mit Gründen versehenen unterzeichneten Beschluss der Einigungsstelle an die Beklagte.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Bei Ausspruch der Kündigung habe ein freier Arbeitsplatz vorgelegen. Die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung eine Prognose über den voraussichtlichen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs anstellen müssen. In diesem Rahmen sei sie verpflichtet gewesen, sich schon vor der Kündigung über den Gesundheitszustand von Frau R und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten. Kurz nach der Kündigung habe Frau R der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich Anfang 2004 einer Operation unterziehen und einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente stellen werde. Die Beklagte habe die Klägerin im Rahmen des Direktionsrechts auf den Arbeitsplatz von Frau R umsetzen müssen. Zumindest habe die Beklagte der Klägerin eine für die Zeit der Erkrankung von Frau R befristete Weiterbeschäftigung anbieten müssen, anstatt, wie geschehen, Frau R durch eine andere Mitarbeiterin vertreten zu lassen. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, weil sie nur unter den Mitarbeitern vorgenommen worden sei, die der VergGr. VII Fallgr. 1c BAT-O (Bewährungsaufstieg aus VergGr. VIII BAT-O) angehörten. Die Beklagte habe alle Mitarbeiter der VergGr. VII einschließlich der Steuersachbearbeiter berücksichtigen müssen. Dann aber wäre Frau U zu kündigen gewesen, die sozial weniger schutzwürdig sei. Schließlich sei die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 72 LPersVG Brandenburg unwirksam. Die Beklagte habe erst nach Zugang des begründeten Beschlusses der Einigungsstelle über die Zustimmungsersetzung kündigen dürfen, nicht aber, wie geschehen, bereits nach Übersendung der Fax-Kopie des Sitzungsprotokolls.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom als Sachbearbeiterin weiterzubeschäftigen,

3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit Wirkung ab dem als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom wieder einzustellen,

4. äußerst hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit Wirkung ab dem befristet bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit von Frau R zur Vertretung von Frau R zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom wieder einzustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Kündigung für wirksam. Sie habe bei Ausspruch der Kündigung keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass Frau R über den hinaus arbeitsunfähig bleiben werde. Der Einsatz der Vertretung stehe in keinem direkten Zusammenhang mit der Kündigung. Es handele sich nicht um eine "Verdrängungskündigung". Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei nicht mit den originär in VergGr. VII BAT-O eingruppierten Mitarbeitern vergleichbar. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 72 LPersVG Brandenburg sei mit dem Beschluss der Einigungsstelle abgeschlossen gewesen. Die Begründung des Beschlusses habe nur deklaratorische Bedeutung.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen zu 1) und 2) erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung einer Schulsachbearbeiterin sei entfallen. Der Arbeitsplatz der erkrankten Frau R sei bei Zugang der Kündigung nicht frei gewesen. Für die Beklagte hätten auch keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass Frau R nicht mehr zur Arbeit zurückkehren würde. Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich nicht, dass sie mit den Arbeitnehmern des Sachgebiets Steuern vergleichbar wäre. Im Übrigen habe die Beklagte soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte habe den Zugang der schriftlichen Begründung des Einigungsstellenspruchs nicht abwarten müssen. Wiedereinstellung könne die Klägerin nicht verlangen, weil die Umstände, auf die sich die Klägerin insoweit stütze - Rentenbewilligung für Frau R, Vertretung der Frau R durch andere Kräfte - nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten seien und die Entscheidungen der Beklagten nicht im Zusammenhang mit der Kündigung stünden.

B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung zu.

I. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt.

Die Beklagte hat sich entschlossen, einen Schulstandort zu schließen und die Stelle einer Schulsachbearbeiterin zu streichen. In diesem Umfang war damit der Beschäftigungsbedarf im Tätigkeitsbereich der Klägerin entfallen. Darüber streiten die Parteien auch nicht.

II. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung auch nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte brauchte die Klägerin nicht an einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

1. Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeiten hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem "ultima-ratio-Grundsatz", den das Gesetz in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG konkretisiert hat. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Diese Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch der zuständigen Personalvertretung vorliegt (zuletzt Senat - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121). Die Weiterbeschäftigung muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war ein freier Arbeitsplatz vorliegend nicht vorhanden. Die Parteien streiten nicht darüber, dass der Arbeitsplatz der Frau R für die Klägerin geeignet war. Er war jedoch nicht - auch nicht vorübergehend - frei.

a) Als "frei" sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (st. Rspr. des Senats siehe ua. die Entscheidungen vom - 2 AZR 321/84 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36; - 2 AZR 327/94 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75; - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121; - 2 AZR 38/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 70 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 134, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dem steht es gleich, wenn der Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird. Ist dies nämlich der Fall, so besteht in Wahrheit kein Arbeitskräfteüberhang, der den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen könnte. Ob und für wie lange ein aus Krankheitsgründen vakanter Arbeitsplatz besetzt werden soll, unterliegt dabei der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers.

aa) Der für Frau R vorgesehene Arbeitsplatz war entgegen der Auffassung der Revision nicht frei. Frau R stand bei Ausspruch der Kündigung im Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Ein Arbeitsplatz kann, so lange ein zur Erledigung der dort anfallenden Arbeit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich verpflichteter Arbeitnehmer vorhanden ist, grundsätzlich nicht als frei angesehen werden. Der Arbeitgeber deckt das vorhandene Arbeitsvolumen durch Abschluss entsprechender Arbeitsverträge ab und bringt so die rechtlich verfügbare Arbeitskapazität in Übereinstimmung mit dem tatsächlich vorhandenen Arbeitsvolumen. In diesem Rahmen ist er durch Direktionsrecht berechtigt, Arbeit abzufordern, andererseits auf Grund bestehender Beschäftigungsansprüche auch verpflichtet, Arbeit zuzuweisen.

bb) Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt ist und vorübergehend nicht zur Arbeit herangezogen werden kann. Die Erkrankung ändert nichts an den weiter bestehenden vertraglichen Bindungen. Sobald der erkrankte Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist, muss der Arbeitgeber ihn beschäftigen.

cc) Selbst dann, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der erkrankte Arbeitnehmer nicht zurückkehren wird, ist allein dadurch der betreffende Arbeitsplatz nicht als frei anzusehen, solange der Arbeitsvertrag besteht. Andernfalls würde das Gericht die unternehmerische Dispositionsfreiheit beeinträchtigen. Der Arbeitgeber würde gezwungen, mehr Arbeitsverträge zu unterhalten, als er es für zweckmäßig hält. Wenn es - wie es der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht - Sache des Arbeitgebers ist, das Verhältnis der Anzahl der Arbeitskräfte zum Volumen der anfallenden Arbeit im Rahmen der rechtlichen Bindungen zu bestimmen, so muss es Sache des Arbeitgebers - bis zur Grenze des Missbrauchs - sein, darüber zu bestimmen, ob und gegebenenfalls wie lange er eine Krankheitsvakanz auf einem bestimmten Arbeitsplatz hinnimmt und ob und wie er sie überbrückt. Es ist denkbar, dass er grundsätzlich einen gewissen Krankheitsstand in seiner Personalplanung voraussetzt. Er kann auch die Entscheidung treffen, dass die betreffenden Arbeiten bis auf weiteres nicht mehr ausgeführt werden sollen. Ebenso ist möglich, dass der Arbeitgeber durch vorübergehende Maßnahmen das Arbeitsvolumen bis auf weiteres anpasst oder verteilt, etwa weil er auf Dauer ohnehin mit einem Rückgang des Arbeitsvolumens rechnet. All dies sind Fragen der betrieblichen Organisation, in die die Arbeitsgerichte nicht eingreifen dürfen.

dd) Anders verhält es sich dann, wenn der Arbeitgeber eine aus Krankheitsgründen - vorübergehend oder dauerhaft vakante Stelle missbräuchlich - deshalb dem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer nicht anbietet, weil er ihn trotz bestehendem Beschäftigungsbedarfs aus dem Betrieb drängen will. So dürfte es etwa dann liegen, wenn der Arbeitgeber eine Neueinstellung vornimmt oder die infolge der Arbeitsunfähigkeit nicht erledigte Arbeit so umverteilt, dass sie von den im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmern nur unter Verstoß gegen dem Schutz der Arbeitnehmer dienende gesetzliche oder tarifvertragliche Vorschriften ausgeführt werden kann.

b) Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass zulässige Verfahrensrügen dagegen erhoben worden wären, festgestellt, dass bei Zugang der Kündigung lediglich feststand, dass Frau R seit etwa einem Jahr erkrankt war. Ob und wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen würde, war nicht voraussehbar. Damit war der Arbeitsplatz der Frau R bei Kündigung nicht frei. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Arbeitsplatz in Wahrheit als besetzbar angesehen und ihn der Klägerin missbräuchlich vorenthalten hätte, sind nicht erkennbar. Die Beklagte wurde erst nach Ausspruch der Kündigung darüber unterrichtet, dass Frau R sich Anfang 2004 einer Operation unterziehen werde. Auch aus dieser Unterrichtung war im Übrigen nicht zu entnehmen, wie lange Frau R danach noch arbeitsunfähig sein würde. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Arbeitsplatz von Frau R als dauerhaft oder vorübergehend frei anzusehen. Dass Frau R durch Frau E vertreten wurde, ändert daran nichts. Bei Zugang der Kündigung stand nicht fest, dass über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus Vertretungsbedarf bestehen würde.

III. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam. Die Beklagte hat soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt.

1. Dass die soziale Auswahl, soweit sie diejenigen Mitarbeiter erfasste, die der VergGr. VII auf Grund Bewährungsaufstiegs angehörten, ausreichend war, zieht die Revision nicht in Zweifel.

2. Die Beklagte musste in die Sozialauswahl nicht die originär in die VergGr. VII eingruppierten Mitarbeiterinnen einbeziehen, insbesondere nicht die von der Klägerin als sozial weniger schutzwürdig angesehene Steuersachbearbeiterin U.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen ( - 2 AZR 142/99 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43; - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138). Dabei kann grundsätzlich die tarifliche Eingruppierung für die Beurteilung der Vergleichbarkeit in engen Grenzen herangezogen werden ( - 2 AZR 140/84 - BAGE 48, 314; - 2 AZR 917/93 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 23 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 31; - 2 AZR 697/01 - aaO). An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz umsetzen oder versetzen kann ( - 2 AZR 142/99 -aaO; - 2 AZR 697/01 - aaO; zusammenfassend ErfK/Ascheid 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 481 mwN; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 621 mwN).

b) Im öffentlichen Dienst kommt die Besonderheit hinzu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts nur solche Tätigkeiten zuweisen kann, die dessen Fähigkeiten und Kräfte einerseits und den Merkmalen seiner im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsgruppe andererseits entsprechen. Das Direktionsrecht berechtigt den öffentlichen Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer (auf Dauer) eine Tätigkeit einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen. Eine derartige Änderung der bisherigen Tätigkeit kann auch der öffentliche Arbeitgeber nur im Wege einer Änderungskündigung und nicht allein gestützt auf sein Direktionsrecht erreichen (st. Rspr. des -; - 4 AZR 976/94 -AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17; - 5 AZR 455/96 - ZTR 1998, 187; zuletzt: - 8 AZR 608/02 - EzA BGB 2002 § 628 Nr. 3). Im Sinn einer negativen Abgrenzung kommt der im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsgruppe für die Vergleichsgruppenbildung daher eine entscheidende Bedeutung zu: Sie schließt, sofern es sich nicht um einen Fall des Bewährungsaufstiegs handelt, grundsätzlich die Vergleichbarkeit zwischen Arbeitnehmern unterschiedlicher Vergütungsgruppen aus ( - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 70 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 134, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

c) Daraus kann aber nicht, wie die Revision meint, zugleich auch im Sinne einer positiven Abgrenzung entnommen werden, Arbeitnehmer, die derselben Vergütungsgruppen angehören, seien stets iSd. Sozialauswahl miteinander vergleichbar. Insoweit kann die Eingruppierung grundsätzlich zwar von indiziellen Wert sein. Wenn aber, wie hier die Klägerin, ein Arbeitnehmer der betreffenden Vergütungsgruppe nur auf Grund Bewährungsaufstiegs angehört, ist mit der Eingruppierung nur eine stark eingeschränkte indizielle Aussage über die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten verbunden. Das gilt umso mehr, soweit eine Vergütungsgruppe sowohl Tätigkeiten umfassen kann, die originär einer niedrigeren Gruppe zugewiesen sind, als auch solche, die im Wege des Bewährungsaufstiegs zu einer höheren Gruppe gehören. Würde man hier der Ansicht der Revision folgen, so müsste sich die Sozialauswahl über mehrere Vergütungsgruppen erstrecken. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Voraussetzungen einer originären Eingruppierung in die VergGr. VII erfüllt, sind nicht ersichtlich und werden mit der Revision auch nicht geltend gemacht. Soweit die Klägerin erstinstanzlich zu ihrer Eingruppierung vorgetragen hat, handelt es sich um eine bloße allgemeine Tätigkeitsbeschreibung, ohne dass nach Arbeitsvorgängen geordnet eine zeitanteilige Zuordnung zu den Tätigkeitsmerkmalen erfolgt wäre.

d) Zu Recht hat auch das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es seitens der Klägerin an jeder Darlegung dahingehend fehlt, inwiefern ihre Tätigkeiten mit der der Steuersachbearbeiterin U vergleichbar sein sollen. Auch die Revision enthält insoweit keine Ausführungen.

IV. Die Kündigung ist nicht nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 74 Abs. 3 Satz 1 PersVG Brandenburg unwirksam.

1. Nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 74 Abs. 3 Satz 1 PersVG Brandenburg ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist ( - EzBAT § 53 BAT Beteiligung des Personalrats Nr. 24).

a) Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren entsprechend dem Gesetz eingeleitet, die zu beteiligenden Stellen ordnungsgemäß unterrichtet, die jeweiligen Fristen eingehalten und auch die Einigungsstelle vorschriftsmäßig angerufen hat. Ebenso wenig stellt die Klägerin in Abrede, dass die Einigungsstelle am eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Entscheidung getroffen hat und sie der Beklagten noch am gleichen Tag zuging. Die Klägerin meint allerdings, die Kündigung habe erst nach Zugang des schriftlich begründeten und unterschriebenen Beschlusses ausgesprochen werden dürfen.

b) Diese Auffassung findet jedoch im Gesetz keine Stütze. In § 72 Abs. 3 und Abs. 4 PersVG Brandenburg ist keine Regelung enthalten, nach der eine Maßnahme der Dienststelle unwirksam wäre, wenn sie nach der Entscheidung der Einigungsstelle, aber vor Zugang des begründeten Beschlusses ausgesprochen wird. Auch § 74 Abs. 3 Satz 1 PersVG Brandenburg schreibt derartiges nicht vor. Die dort erwähnte "gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung" lag vor: Die Dienststelle hat die Einigungsstelle angerufen. Diese hat verhandelt und entschieden. Einer weiteren "Beteiligung" bedurfte es nicht. Die Beklagte hat auch nicht "gegen Verfahrensvorschriften" verstoßen. Alle ihr im Gesetz vorgeschriebenen Verfahrensschritte ist sie gegangen. Auch die Einigungsstelle hatte das Ihre getan und den Beschluss gefasst.

c) Auch Sinn und Zweck der in Rede stehenden Normen sprechen gegen die Auffassung der Revision. Die schriftliche Begründung des Beschlusses der Einigungsstelle hat für die Kündigung keine Bedeutung mehr. Sie bildet lediglich die Grundlage für die Entscheidung nach § 73 PersVG Brandenburg oder eine etwaige Anfechtung (vgl. Klapproth/Eylert/Förster/Keilhold/Ladner PersVG Brandenburg § 72 Rn. 13). Das Mitbestimmungsverfahren in Gestalt des Austausches der für und gegen die Kündigung sprechenden Argumente ist mit der Entscheidung der Einigungsstelle abgeschlossen. Eine Fortsetzung des Verfahrens sieht das Gesetz nicht vor. Der einzige Einfluss, den eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abwarten des schriftlich begründeten zustimmenden Beschlusses hätte, bestünde in einer zeitlichen Verschiebung des Kündigungsausspruchs. Der Sinn des ohnehin zeitaufwendigen Mitbestimmungsverfahrens liegt aber nicht in einem Aufschub der Maßnahme, sondern in ihrer Beratung. Sofern diese abgeschlossen ist, besteht kein Grund für weiteres Zuwarten.

d) Darüber hinaus entspricht es der Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts ( - 2 AZR 909/94 - BAGE 81, 111) als auch des Bundesverwaltungsgerichts ( - 1 D 57.83 - BVerwGE 76, 181), dass eine Verletzung von Begründungspflichten bei Letztentscheidungen einer obersten Dienstbehörde regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 108 Abs. 2 BPersVG führt. Dem liegt der auch hier maßgebliche Gedanke zugrunde, dass die Begründung das Mitbestimmungsverfahren nicht mehr beeinflussen kann.

C. Da die Kündigung wirksam ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen.

D. Die Klägerin kann weder unbefristete (Hilfsantrag zu 3.) noch befristete (Hilfsantrag zu 4.) Wiedereinstellung verlangen. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht entschieden.

I. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung gegenüber dem Arbeitgeber kommt grundsätzlich in Betracht, wenn es trotz eines ursprünglich vorgesehenen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aus anderen Gründen und einer infolge dessen wirksam ausgesprochenen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 1 KSchG nachträglich - regelmäßig in der Kündigungsfrist - zu der Entstehung einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer kommt ( - BAGE 87, 221; - 7 AZR 904/98 -BAGE 95, 171; - 8 AZR 265/97 - BAGE 90, 153).

II. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1. Soweit die Klägerin sich darauf stützt, die Beklagte habe alsbald nach der Kündigung - Anfang September 2003 - erfahren, dass Frau R sich Anfang 2004 einer Operation unterziehen werde, ergab sich daraus entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass der Arbeitsplatz von Frau R Anfang 2004 frei sein würde. Wie oben ausgeführt, ist ein Arbeitsplatz nur dann frei, wenn ein - vom Arbeitgeber zu definierender -entsprechender Beschäftigungsbedarf nicht vertraglich abgesichert ist. Auch wenn sich aber Frau R Anfang 2004 einer Operation unterziehen wollte, so stand damit noch nicht fest, ob und wann sie gegebenenfalls wieder arbeitsfähig sein würde.

2. Soweit sich die Klägerin darauf stützt, ihr Prozessbevollmächtigter habe der Beklagten im Juni 2004 mitgeteilt, Frau R werde vom bis zum Berufsunfähigkeitsrente beziehen, so handelt es sich um ein weit nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetretenes Ereignis, das mit der der Kündigung zugrunde liegenden Entscheidung über die Schließung des Schulstandorts keinen Zusammenhang hat. Abgesehen davon wäre eine Beschäftigungsmöglichkeit auf diesem Arbeitsplatz nur dann eröffnet, wenn die Beklagte sich entschlossen hätte, ihn überhaupt neu zu besetzen. Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich das jedoch nicht.

E. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Revision fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Fundstelle(n):
VAAAB-93696

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein