BFH Beschluss v. - III B 182/05

Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht als Verfahrensfehler; Rüge der vermeintlich fehlerhaften Rechtsanwendung des FG

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist türkischer Abstammung und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr im Juni 1991 geborener Sohn (M) ist ebenfalls deutscher Staatsangehöriger.

Im September 2003 teilte die Klägerin der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit, M halte sich seit Ende August 2003 vorübergehend in der Türkei auf, um dort seine Kenntnisse der türkischen Sprache zu vertiefen. M werde ca. ein halbes bis ein Jahr lang die türkische Schule besuchen und während der türkischen Schulferien nach Deutschland zurückkommen. In einem Fragebogen führte die Klägerin aus, M wohne in der Türkei bei ihrer Freundin und kehre im Februar 2004 für ca. drei Wochen und im Juni 2004 für ca. zwei Monate nach Deutschland zurück. Nach einem Aktenvermerk der Familienkasse vom erklärte die Klägerin, M leide an den Folgen der Lebensumstellung. Der Arzt habe daher eine Rückkehr in die Türkei empfohlen. M wohne nunmehr in demselben Ort, indem auch die Familie seinerzeit vorübergehend gelebt habe. Es sei geplant, dass M nach ca. 18 Monaten wieder ganz zu ihr zurückkehre.

Die Familienkasse änderte mit Bescheid vom die Kindergeldfestsetzung für M dahin gehend, dass das Kindergeld für die Monate September 2003 bis April 2004 nach dem deutsch-türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit nur in Höhe des geminderten Satzes gezahlt wurde. Für den Zeitraum ab Mai 2004 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung auf.

Das Finanzgericht (FG) wies nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage ab, weil M seinen Wohnsitz im Inland nicht beibehalten habe.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt.

Es hätte Beweis darüber erheben müssen, wo M im streitbefangenen Zeitraum seinen Wohnsitz gehabt habe. Es hätte prüfen müssen, ob der Lebensmittelpunkt von M sich tatsächlich in der Türkei befunden habe. Dies hätte durch Zeugenbefragung im sozialen Umfeld des Jungen geschehen können. Sie habe in der Vorinstanz keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, weil sich die Erforderlichkeit der Beweiserhebung dem FG von selbst hätte aufdrängen müssen. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass M die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, erst im Alter von 12 Jahren allein in die Türkei zurückgekehrt sei, bereits in Deutschland die Schule besucht habe und in der Türkei nicht bei der Familie, sondern bei einer Freundin von ihr, der Klägerin, untergebracht worden sei. Daher sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass M seinen Lebensmittelpunkt in die Türkei verlegt habe. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG dazu geführt, dass für die streitgegenständliche Zeit Kindergeld zu zahlen gewesen wäre.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

1. Die Klägerin hat die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Für eine schlüssige Verfahrensrüge wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht.

Insbesondere ist nicht vorgetragen oder erkennbar, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

Die Klägerin beschränkt sich insofern lediglich auf allgemein gehaltene Angaben, ohne im Einzelnen auf den vom FG festgestellten Sachverhalt einzugehen. Insbesondere fehlt auch eine Auseinandersetzung mit dem vom FG festgestellten Umstand, dass M bereits in der Zeit vom Juni 1995 bis November 2001 ununterbrochen in der Türkei gelebt hatte, in der Folgezeit an Umstellungsproblemen in Deutschland litt und daher aufgrund einer ärztlichen Empfehlung wieder in die Türkei zurückgekehrt war.

2. Soweit die Klägerin ausführt, das FG habe zu Unrecht aus den Akten gefolgert, dass der Auslandsaufenthalt von M nicht nur vorübergehend gewesen sei, rügt sie im Kern eine fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. , BFH/NV 2004, 166), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

Fundstelle(n):
PAAAB-91838