BFH Beschluss v. - VII B 120/05

Anfechtbarkeit einer Vermögensübertragung im Rahmen einer Scheidungsfolgenregelung

Leitsatz

Auch bei Vermögensübertragungen zwischen getrennt lebenden Ehegatten kann nicht generell unterstellt werden, dass Ausgleichsansprüche abgegolten werden und die Übertragung damit entgeltlich erfolgt.

Gesetze: AO § 191; AnfG §§ 3, 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte 1979 mit ihrem Ehemann nach zehnjähriger Ehe notariell Gütertrennung vereinbart; Zugewinnansprüche für die Vergangenheit schlossen sie in dem Vertrag aus. Im Vorgriff auf ihre Scheidung und um bisher nicht erfüllte Zugewinn- und Ausgleichsansprüche aus der übrigen Ehezeit nachzuholen, übertrug der Ehemann im Jahr 2000 der Klägerin zwei Grundstücke, die ihm sein Vater in den Jahren 1976 bzw. 1992 unentgeltlich übereignet hatte.

Wegen dieser Grundstücksübereignungen nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Klägerin im Jahre 2003 mit einem zunächst auf § 3 Abs. 1, im Klageverfahren zusätzlich auf § 4 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) i.V.m. § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Duldungsbescheid für rückständige Steuern und Abgaben des zwischenzeitlich geschiedenen Ehemannes ab 1998 in Anspruch.

Einspruch und Klage blieben dem Grunde nach erfolglos. Das Finanzgericht (FG) erkannte in der Übertragung des dem Ehemann vom Vater im Jahre 1976 übereigneten Grundstücks auf die Klägerin eine unentgeltliche Leistung, weil es nicht als erwiesen ansah, dass dafür von ihr ein objektiver Gegenwert an den Ehemann geleistet worden sei.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend. Sie beruft sich auf divergierende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) und des BFH zum Entgeltcharakter sog. ehebedingter oder unbenannter Zuwendungen und zur Feststellungslast der Klägerin. Weiter rügt sie, das FG habe die Auswechslung der Rechtsgrundlage für die Duldungsinanspruchnahme der Klägerin im Klageverfahren zugelassen und damit unter Verletzung des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfahrensfehlerhaft die Rechtsmittelmöglichkeiten der Klägerin verkürzt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die von der Klägerin gerügte Divergenz zum (BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282) liegt nicht vor.

a) Eine die Zulassung der Revision —zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)— rechtfertigende Divergenz liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung eines anderen Gerichts abweicht (, BFH/NV 2004, 1680, m.w.N.). Anders als die Klägerin meint, ist das FG nicht von den Rechtsgrundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282 abgewichen. Der BFH stellt in dieser Entscheidung den Grundsatz auf, dass Vermögensübertragungen in Auseinandersetzungsvereinbarungen (Scheidungsfolgenregelungen) zumeist („im Regelfall”) der Abgeltung von Ausgleichs- und künftigen Unterhaltsansprüchen dienen und somit Entgeltcharakter haben. Das FG ist unter Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass auch bei Vermögensübertragungen zwischen getrennt lebenden Ehegatten nicht generell unterstellt werden kann, dass Ausgleichsansprüche abgegolten werden und die Übertragung damit entgeltlich erfolgt. Bei identischer Grundaussage unterscheiden sich die Ausführungen des BFH und des FG nur darin, dass der BFH den Regelfall herausstellt, während das FG die Betonung auf die mögliche Ausnahme von der Regel legt. Eine solche Ausnahme hält es im Streitfall für gegeben.

b) Anders als die Beschwerde meint, liegt in der Annahme des FG, verbliebene Zweifel an der Unentgeltlichkeit des Übertragungsvertrages seien nach den Grundsätzen der Feststellungslast der Klägerin anzulasten, keine Divergenz zu „der entgegengesetzten Beweisregel im BFH-Urteil”. Im Kern geht es hier um die (vermeintlich falsche) Anwendung des vom BFH aufgestellten Rechtssatzes, dass Vermögensübertragungen im Scheidungszusammenhang in der Regel Entgeltcharakter haben. Das FG hat mit seiner —mit Verfahrensrügen nicht angefochtenen— Feststellung, dass nach den erkennbaren Umständen des Einzelfalles mit der Vermögensübertragung auf die Klägerin keine ehebedingten Ausgleichsansprüche abgegolten worden sind, den vom BFH angenommenen Regelfall der Entgeltlichkeit offenbar als zumindest zweifelhaft angesehen und die danach verbliebenen Zweifel aufgrund der Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht der Klägerin angelastet. Selbst wenn diese Beweislastentscheidung —wie die Klägerin meint— materiell-rechtlich falsch gewesen sein sollte, würde das nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz rechtfertigen.

2. Die Zulassung der Revision kann auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass der BGH im Gegensatz zum FG sog. ehebedingte oder unbenannte Zuwendungen nicht als unentgeltliche Zuwendungen i.S. des § 4 Abs. 1 AnfG ansehe (, BGHZ 87, 145; vom IVb ZR 52/87, Zeitschrift für Familienrecht —FamRZ— 1989, 147). Denn grundlegende Unterschiede in der Rechtsauffassung des BGH, des BFH und des FG sind hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit von Vermögensübertragungen zwischen Eheleuten nicht ersichtlich.

a) So hat der BGH in BGHZ 87, 145, —ähnlich wie der BFH in BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282— ausgeführt, dass Zuwendungen unter Ehegatten in der Regel keine Schenkungen i.S. der §§ 516 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind, aber unter Bezugnahme auf weitere Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass Schenkungen unter Ehegatten möglich sind.

b) Die BGH-Entscheidung in FamRZ 1989, 147 ist zu einem Anspruch auf hälftige Beteiligung an Bausparguthaben eines Ehegatten ergangen, die während der Ehe durch Einzahlungen des anderen Ehegatten entstanden waren. Die Einzahlungen hat der BGH nicht als unentgeltliche Zuwendungen, sondern als sog. unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen unter Ehegatten angesehen, die bei Scheitern der Ehe nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu Ausgleichsansprüchen führen, wenn die Beibehaltung der Vermögensverhältnisse, die durch die Zuwendung eines Ehegatten an den anderen herbeigeführt worden sind, dem benachteiligten Ehegatten nicht zuzumuten ist.

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Das FG hat festgestellt, dass die Klägerin infolge des güterrechtlichen Vertrages aus dem Jahre 1979 wirtschaftlich nichts hingegeben oder verloren hat, so dass die Grundstücksübertragungen keinen Ausgleich ehebedingt eingetretener Benachteiligungen darstellen konnten.

3. Die behauptete Divergenz des FG-Urteils zu den Ausführungen in der Entscheidung des (BFHE 121, 340, BStBl II 1977, 389) scheitert schon daran, dass der BFH in jenem Fall über die Entgeltlichkeit einer Übertragung zu befinden hatte, die im Rahmen einer Scheidungsfolgenregelung zur Auseinandersetzung einer bestehenden Zugewinngemeinschaft vereinbart worden war. Im Rahmen dieser Gemeinschaft steht den Eheleuten nach § 1378 BGB bei Auflösung des Güterstandes eine Ausgleichsforderung zu. Im Streitfall war diese Zugewinngemeinschaft zwischen den Eheleuten aber durch den Güterstand der Gütertrennung ersetzt worden.

4. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann die Zulassung der Revision auch nicht deshalb erreicht werden, weil das FG den Austausch der materiellen Anspruchsnorm (§ 4 statt § 3 AnfG) im Klageverfahren nicht beanstandet, sondern den angefochtenen Duldungsbescheid auf der Grundlage des § 4 AnfG bestätigt hat. Es hat nicht verkannt, dass die Inanspruchnahme nach § 191 AO 1977 eine Ermessensbetätigung des FA verlangt, die sich konkret auf die zugrunde gelegte Anspruchsnorm beziehen muss, war jedoch unter Berufung auf den (BFH/NV 2004, 343) der Auffassung, dass „im konkreten Fall wegen der vorliegenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AnfG eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt”. Die Beschwerde hat gegen diese Annahme einer Ermessensbindung keine Einwände vorgebracht, insbesondere keine besonderen Umstände vorgetragen, die einen Ermessensspielraum des FA eröffnet haben könnten. Insoweit ist der Senat an die Würdigung des FG gebunden.

5. Der Einwand der Beschwerde, die Zulassung des Austausches der Duldungsgrundlage stelle einen Verfahrensfehler dar, geht angesichts der Ausführungen des FG fehl. Denn er setzt sich nicht mit der vom FG angenommenen Ermessensreduzierung auf Null auseinander. Im Übrigen berücksichtigt die Beschwerde nicht, dass das FA sich auf § 4 AnfG nur ergänzend berufen hat; dadurch macht es deutlich, dass es an den zur § 3 AnfG und damit auch an der dort getroffenen Ermessensentscheidung festhält. Die Klägerin hätte entweder darlegen müssen, dass die Inanspruchnahme auf der Grundlage des § 4 AnfG andere Ermessenserwägungen erfordert, als diejenige nach § 3 AnfG, oder hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen Verfahrensrügen erheben oder Abwägungsmängel rügen müssen. Zu keinem dieser Punkte äußert sich die Beschwerde.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1609 Nr. 9
LAAAB-90221