Lohnsteuereinbehaltungspflicht bei Gewährung von geldwerten Vorteilen durch eine Schwestergesellschaft
Leitsatz
Eine Konzerntochtergesellschaft ist nach der bis einschließlich 2003 geltenden Gesetzeslage nicht verpflichtet, für den verbilligten Wareneinkauf ihrer Arbeitnehmer in einem von einer Schwestergesellschaft betriebenen Belegschafts-Verkaufsladen Lohnsteuer einzubehalten.
Gesetze: EStG 1990 § 38 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 1998, 1126) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Strittig ist, ob und inwieweit eine konzernangehörige Gesellschaft Lohnsteuer einzubehalten hat, wenn ihre Arbeitnehmer auf ihrem Firmengelände verbilligt Waren von einer Schwestergesellschaft erwerben.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Konzernmuttergesellschaft M-AG. Auf dem Firmengelände der Klägerin errichtete eine weitere hundertprozentige Tochtergesellschaft der M-AG, die S-GmbH, eine Verkaufsstelle. Unternehmensgegenstand der S-GmbH ist der Vertrieb von Produkten der Y-GmbH, an der die M-AG und ein weiteres Unternehmen je zur Hälfte beteiligt sind. Die S-GmbH betreibt über etwa 120 Verkaufsstellen das Belegschaftsgeschäft an den Standorten der M-AG, ihrer Konzerngesellschaften und der Y-GmbH. Zum Einkauf sind die Mitarbeiter der genannten Gesellschaften und der mit ihnen verbundenen Unternehmen unter Vorlage des Mitarbeiterausweises berechtigt.
Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, die über die Verkaufsstelle der S-GmbH an die Arbeitnehmer der Klägerin gewährten Preisvorteile gehörten zum Arbeitslohn, weil zwischen der Klägerin und der Verkaufsstelle eine enge wirtschaftliche Verflechtung bestehe. Da konkrete Feststellungen der Klägerin zum Umfang der verbilligten Warenverkäufe und die in Abschn. 31 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) vorgeschriebenen Aufzeichnungen fehlten, schätzten die Prüfer den gewährten Preisvorteil auf durchschnittlich 12 v.H. Da keine Einzelfeststellungen zu den Empfängern der geldwerten Vorteile getroffen werden konnten, schätzten die Prüfer auch die Lohnsteuer für den Zeitraum von 1991 bis Juni 1993 anhand der —unstrittigen— durchschnittlichen Bruttosteuersätze der Streitjahre und ermittelten so eine Lohnsteuer-Nachforderung von 201 697,50 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ einen entsprechenden Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Lohnsteuer-Nachforderung auf 120 279,50 DM herab. Es schätzte den geldwerten Vorteil aus den verbilligten Einkäufen nunmehr auf 7,5 v.H.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt und setzte die Lohnsteuer-Nachforderung auf insgesamt 27 404 DM herab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 1126).
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben, den geänderten Lohnsteuernachforderungsbescheid vom gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung in der für die Streitjahre gültigen Fassung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen und unter Abänderung dieses Bescheids die Lohnsteuer auf 3 799 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und der geänderte Lohnsteuernachforderungsbescheid antragsgemäß abzuändern. FA und FG haben die Klägerin zu Unrecht für verpflichtet gehalten, für Vorteile aus dem verbilligten Wareneinkauf ihrer Arbeitnehmer in der Verkaufsstelle der Schwestergesellschaft Lohnsteuer einzubehalten, und aufgrund dessen pauschalierte Lohnsteuer festgesetzt.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann das Betriebsstättenfinanzamt vom Arbeitgeber unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz nachfordern, soweit der Arbeitgeber in einer größeren Zahl von Fällen entgegen § 38 EStG die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat. Die pauschalierte Lohnsteuer darf nur für solche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhoben werden, die dem Lohnsteuerabzug unterlägen, wenn der Arbeitgeber keinen Pauschalierungsantrag gestellt hätte (, BFH/NV 2001, 35). Dies trifft auf die an die Arbeitnehmer der Klägerin gewährten Einkaufsvorteile nicht zu.
1. Allerdings ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Einkaufsvorteilen um Arbeitslohn handelt.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1990 —LStDV—). Zu den Einnahmen gehören auch geldwerte Vorteile gemäß § 8 Abs. 2 EStG; dazu zählen auch Preisnachlässe des Arbeitgebers (, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770).
aa) Vorteile werden „für” eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Nicht erforderlich ist, dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann (, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726; vom VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886; in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770).
bb) Arbeitslohn kann auch bei einer Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt „für” eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545; vom VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; vom VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076).
cc) Arbeitslohn liegt jedoch dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509; in BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076). Ferner sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden (, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367; vom VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30).
b) Nach diesen Maßstäben hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die an die Arbeitnehmer der Klägerin beim Einkauf in der Verkaufsstelle der Schwestergesellschaft gewährten Vorteile als Arbeitslohn beurteilt.
Das FG hat seine Beurteilung darauf gestützt, dass die Arbeitnehmer der Klägerin die ihnen eingeräumte Möglichkeit, Waren in der auf dem Betriebsgelände gelegenen Verkaufsstelle verbilligt zu erwerben, bei verständiger Würdigung aller Umstände nur als Ausfluss ihrer Tätigkeit bei der Klägerin verstehen konnten. Dafür spreche entscheidend die Tatsache, dass der Zutritt zum Laden nur den Mitarbeitern der Klägerin und anderen Arbeitnehmern von verbundenen Unternehmen sowie der Y-GmbH unter Vorlage des Mitarbeiterausweises gestattet gewesen sei. Die Arbeitnehmer hätten keine Waren für Dritte erwerben dürfen. Die Vorteilsgewährung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern sei auch nicht mit nachvollziehbaren betriebsfunktionalen Zielen der Klägerin verbunden gewesen. Vielmehr sei es im Wesentlichen um die Vorteilsgewährung als solche gegangen, die die Arbeitnehmer als zusätzliche Entlohnung aufgefasst hätten. Diese Würdigung ist aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts möglich und damit für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch fremde Dritte in der Verkaufsstelle hätten einkaufen können, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.
2. Jedoch hat das FG die Klägerin zu Unrecht für verpflichtet gehalten, für die an ihre Arbeitnehmer gewährten Einkaufsvorteile Lohnsteuer einzubehalten.
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990). Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 unterliegt der Lohnsteuer auch der im Rahmen des Dienstverhältnisses üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlte Arbeitslohn.
Erbringt eine konzernangehörige Gesellschaft Leistungen an die Arbeitnehmer einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft, so kann daraus nicht eine mittelbare, partielle Arbeitgeberschaft der leistenden Konzerngesellschaft hergeleitet werden (, BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768). Vielmehr kann die Pflicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer stets nur diejenige Gesellschaft betreffen, die nach den abgeschlossenen Arbeitsverträgen Arbeitgeberin ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768; vom VI R 122/00, BFHE 205, 216, BStBl II 2004, 620). Das ist im Streitfall die Klägerin. Sie war für die von ihrer Schwestergesellschaft gewährten Einkaufsvorteile weder nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 noch nach Satz 2 dieser Vorschrift verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten.
a) Die Preisnachlässe der Schwestergesellschaft können der Klägerin nicht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 als eigene Arbeitslohngewährung zugerechnet werden (sog. unechte Lohnzahlung eines Dritten).
aa) Der Arbeitgeber muss den von einem Dritten im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn selbst dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, wenn der Dritte in die Zahlung als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist. Der den Dritten als Leistungsmittler einsetzende Arbeitgeber bleibt der den Arbeitslohn Zahlende (, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; vom VI R 74/00,BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496). Das ist z.B. der Fall, wenn der Dritte die Stellung einer Kasse des Arbeitgebers innehat (vgl. zu Zahlungen von selbständigen Unterstützungskassen, denen die Mittel vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, BFH-Entscheidungen vom VI 233/56 S, BFHE 66, 701, BStBl III 1958, 268; vom VI 249/60 U, BFHE 72, 456, BStBl III 1961, 167) oder wenn der Dritte im Auftrag des Arbeitgebers leistet (vgl. , BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687). Hingegen liegt keine dem Arbeitgeber selbst zurechenbare Lohnzahlung vor, wenn eine selbständige Urlaubskasse als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien aus den eingezogenen Beiträgen an einen Arbeitnehmer eine Entschädigung für verfallene Urlaubsansprüche leistet, weil es an der erforderlichen organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und der Urlaubskasse fehlt (BFH-Urteil in BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496).
bb) Im Streitfall hat die Klägerin ihre Schwestergesellschaft nicht als Leistungsmittler für Leistungen an ihre Arbeitnehmer eingesetzt, sondern ihrer Schwestergesellschaft lediglich die Möglichkeit eröffnet, auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin eine Verkaufsstelle zu betreiben. Die Schwestergesellschaft wurde nicht im Auftrag der Klägerin tätig, sie war nicht deren Erfüllungsgehilfin für Leistungen an die Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteil in BFHE 66, 701, BStBl III 1958, 268), sondern betrieb die Verkaufsstelle in eigener Regie. Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auf Art und Umfang der an ihre Arbeitnehmer gewährten Einkaufsvorteile maßgebenden Einfluss hatte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 72, 456, BStBl III 1961, 167).
b) Die Klägerin war auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 verpflichtet, für die von der Schwestergesellschaft gewährten Einkaufsvorteile Lohnsteuer einzubehalten. Es kann offen bleiben, ob es sich um üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlten Arbeitslohn i.S. dieser Vorschrift handelt. Jedenfalls unterliegen derartige Drittlöhne dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber nur insoweit, als dieser über deren Höhe in Kenntnis gesetzt wird, z.B. dadurch, dass er in den Zahlungsvorgang eingeschaltet wird, oder dass seine Arbeitnehmer über derartige Zuflüsse Angaben machen (, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323; in BFH/NV 2001, 35; vom I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512; in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; in BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496). Nach der für die Streitjahre geltenden Gesetzeslage hat der Arbeitgeber keine Handhabe, derartige Angaben seiner Arbeitnehmer durchzusetzen. Der Arbeitgeber ist auch nicht befugt, Besteuerungsgrundlagen zu Lasten seiner Arbeitnehmer zu schätzen, da das Gesetz eine derartige Befugnis, wie sie dem FA in § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) eingeräumt wird, nicht eröffnet (BFH-Urteil in BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323).
Die Klägerin war nach den Feststellungen des FG nicht darüber unterrichtet, welche Einkaufsvorteile ihre Arbeitnehmer jeweils in der Verkaufsstelle der Schwestergesellschaft erzielten, zumal diese eine Mischkalkulation betrieb, also nicht alle Artikel verbilligt anbot. Mithin hatte die Klägerin nach den vorstehenden Grundsätzen dafür keine Lohnsteuer einzubehalten.
Nach Auffassung des FG war es ihr allerdings zuzumuten, jeweils den ortsüblichen Endpreis zu schätzen und so durch Preisvergleiche festzustellen, ob Waren an Arbeitnehmer verbilligt überlassen wurden. Die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323, hält das FG wegen der „Konzerneinbindung des Belegschaftsgeschäfts” im Streitfall nicht für anwendbar. Zudem hat das FA in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, durch die Auslagerung von Leistungen an Arbeitnehmer im Konzern dürften die lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberpflichten nicht unterlaufen werden, die Klägerin treffe insoweit eine „Garantenpflicht”. Dem ist nicht zu folgen. Eine Erweiterung der lohnsteuerrechtlichen Ermittlungs- und Einbehaltungspflichten bei verbundenen Unternehmen lässt sich auf § 38 EStG 1990 nicht stützen, zumal hier ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) ersichtlich nicht in Betracht kommt.
Dies ergibt ein Vergleich der im Streitfall maßgebenden Regelung mit der ab dem Jahr 2004 geltenden Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003 vom (BGBl I 2003, 2645). Dadurch ist das Gesetz mit Rücksicht auf die BFH-Urteile in BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512, und in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230, geändert worden, um auch Rabatte an Arbeitnehmer konzernangehöriger Gesellschaften erfassen zu können (vgl. BTDrucks 15/1562, S. 33 f.; 15/1798, S. 3 f.). Danach besteht ab 2004 die Pflicht zur Einbehaltung von Lohnsteuer für Drittlöhne, wenn der Arbeitgeber „weiß oder erkennen kann”, dass Drittlöhne erbracht werden. Im Zusammenhang damit sind nunmehr besondere Anzeigepflichten der Arbeitnehmer normiert worden, deren Verletzung —nach einer entsprechenden Anzeige des Arbeitgebers— zur Nachforderung der Lohnsteuer beim Arbeitnehmer, nicht aber beim Arbeitgeber führt; auch haftet der Arbeitgeber in diesem Fall nicht (§ 38 Abs. 4 Sätze 3 und 4, § 42d Abs. 2 EStG in der ab 2004 geltenden Fassung). Wollte man im Streitfall die lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberpflichten für verbundene Unternehmen entsprechend der Auffassung des FA und des FG erweitern, ginge dies sogar über die ab 2004 geltende gesetzliche Neuregelung hinaus.
3. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid ist antragsgemäß zu ändern. Die Lohnsteuer ist auf 1 942,40 € (3 799 DM) festzusetzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 669
BB 2006 S. 1615 Nr. 30
BB 2006 S. 1776 Nr. 33
BBK-Kurznachricht Nr. 16/2006 S. 861
BFH/NV 2006 S. 1569 Nr. 8
BStBl II 2006 S. 669 Nr. 15
DB 2006 S. 1710 Nr. 32
DStR 2006 S. 1268 Nr. 29
DStRE 2006 S. 956 Nr. 15
DStZ 2006 S. 535 Nr. 16
EStB 2006 S. 280 Nr. 8
FR 2006 S. 833 Nr. 18
GStB 2006 S. 34 Nr. 9
HFR 2006 S. 884 Nr. 9
INF 2006 S. 607 Nr. 16
KÖSDI 2006 S. 15190 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2006 S. 2407
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2007 S. 3629
SJ 2006 S. 11 Nr. 16
StB 2006 S. 323 Nr. 9
StBW 2006 S. 4 Nr. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2006 S. 602
WPg 2006 S. 1225 Nr. 19
FAAAB-89790