BFH Beschluss v. - VII B 188/05

Instanzenzug: StB

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da der Kläger in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls vom Kläger nicht widerlegt worden sei. Ebenso wenig habe der Kläger die durch den Vermögensverfall begründete Vermutung der Gefährdung der Interessen der Auftraggeber widerlegt. Der Ausschluss einer solchen Gefährdung folge insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der Kläger nunmehr als angestellter Steuerberater einer Steuerberatungsgesellschaft tätig sei, denn er unterliege nicht der ständigen Überwachung durch seinen Arbeitgeber und sei hinsichtlich des Aufgabengebiets eines Steuerberaters keinen Einschränkungen unterworfen. Zu Lasten des Klägers seien insoweit seine Pflichtenverstöße bezüglich seiner eigenen steuerlichen Belange zu berücksichtigen. So habe der Kläger die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge seiner Arbeitnehmer nicht abgeführt und habe noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen Geschäftsbetrieb weitergeführt und Mitarbeiter beschäftigt, ohne dass der Insolvenzverwalter davon Kenntnis gehabt habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes beantworten lassen bzw. durch die Rechtsprechung des Senats geklärt sind.

a) Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde formulierte Frage, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters automatisch dazu führt, dass ein Vermögensverfall zu bejahen ist.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wird ein Vermögensverfall des Steuerberaters u.a. dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, es liegt jedoch auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters, die eine Voraussetzung für die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist, nicht zugleich geeignet sein kann, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschrift, die mit dem In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung (InsO) der neuen insolvenzrechtlichen Lage angepasst worden ist, unter der Geltung der InsO kein Raum für die Auslegung des Begriffs des Vermögensverfalls besteht, welche —anders als bisher unter der Geltung der Konkursordnung— trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Berufszulassung zu belassen gestattet, da das In-Kraft-Treten der InsO nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt (Senatsbeschlüsse vom VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90; vom VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016; Senatsurteil vom VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.

b) Die Frage, ob die Widerrufsvoraussetzungen vorliegen, wenn eine abstrakte Gefährdung von Interessen der Auftraggeber vorliegt, oder ob eine konkrete Gefährdung zu fordern ist, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig.

Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen („es sei denn”) ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteil vom VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Der Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen bezieht sich auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters, da ansonsten —beim Abstellen auf jede denkbare potentielle Gefährdung von Mandanten— der Entlastungsbeweis nicht geführt werden könnte (Senatsurteil in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2000, 741; Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).

Anders als die Beschwerde meint, ist das FG im Streitfall von diesen Rechtsgrundsätzen nicht abgewichen. Das FG hat lediglich im Zusammenhang mit dem klägerischen Vorbringen, dass zu seinen Insolvenzgläubigern keine Mandanten gehörten, gemeint, dass eine konkrete Mandantengefährdung für die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht erforderlich sei. Dies stimmt mit dem Wortlaut der Vorschrift und der Rechtsprechung des Senats überein, denn es bedarf —wie ausgeführt— für den Widerruf der Bestellung nicht der Feststellung, dass durch den Vermögensverfall des Steuerberaters Auftraggeberinteressen konkret gefährdet sind. Vielmehr geht das Gesetz beim Vermögensverfall grundsätzlich von einer solchen Gefährdungssituation aus und erlaubt dem Steuerberater lediglich einen Entlastungsbeweis, dass in seinem konkreten Fall die vom Gesetz unterstellte Gefährdung der Interessen der Mandanten nicht besteht. Diesen Entlastungsbeweis hat das FG nach Würdigung aller Umstände als nicht erbracht angesehen.

c) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch die von der Beschwerde bezeichnete Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, dass die Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Steuerberaters nicht gefährdet sind, nicht grundsätzlich klärungsbedürftig ist. Denn die Beantwortung der Frage, ob dem Steuerberater der Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).

In einem Revisionsverfahren kann zwar geprüft werden, ob das FG bei der ihm obliegenden Tatsachenfeststellung und -würdigung den Ausnahmetatbestand „Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen” zutreffend ausgelegt und die insoweit nach der Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in seine Würdigung einbezogen hat (vgl. Senatsurteil in HFR 2000, 741). Im Streitfall lässt sich allerdings weder eine fehlerhafte Auslegung des Ausnahmetatbestands durch das FG feststellen noch gibt der Fall Anlass, die rechtlichen Anforderungen an den sog. Entlastungsbeweis neu zu beschreiben oder einzugrenzen.

d) Die Frage, ob Auftraggeberinteressen trotz des Vermögensverfalls des Steuerberaters ausnahmsweise dann als nicht gefährdet anzusehen sind, wenn der Steuerberater ausschließlich als Angestellter tätig ist bzw. tätig sein will, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet —und verneint— worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG gilt auch für nicht selbständig tätige Steuerberater (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 992). Auch von ihnen verlangt das StBerG persönliche Eignung, die u.a. grundsätzlich voraussetzt, dass sie in geordneten Vermögensverhältnissen leben und sich nicht in Vermögensverfall befinden.

e) Da somit die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen als geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. , BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

Solche Einwände, die eine erneute Befassung des BFH mit den im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen erfordern, sind nach dem Beschwerdevorbringen allerdings nicht ersichtlich. Der (BVerfGE 108, 150), auf den die Beschwerde sich beruft, betrifft die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Mandatsniederlegung nach einem Sozietätswechsel und gibt daher für Fälle des Widerrufs der Bestellung bei Vermögensverfall nichts her, während der einen in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt betreffende AnwZ (B) 7/04 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 1944) in jeder Hinsicht der Senatsrechtsprechung, wie sie oben dargestellt wurde, entspricht.

Soweit —wie die Beschwerde ausführt— in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, dass der Widerruf nur bei einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen gerechtfertigt sei und dass deshalb das sog. Regel-Ausnahme-Verhältnis umzudrehen sei, widerspricht dies dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG und gibt keinen Anlass, die bisherige Senatsrechtsprechung zu überprüfen. Der Aufsatz von Schmittmann in NJW 2002, 182, auf den die Beschwerde verweist, ist durch die jüngere Rechtsprechung des Senats, die sich mit jenem Aufsatz auseinander setzt (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016), überholt und geht überdies von Tatsachen aus, deren Vorliegen das FG im Streitfall nicht festgestellt hat. Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerde auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4 A 2591/02 (Anwaltsblatt —AnwBl— 2005, 72) beruft, in dem das OVG eine durch ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse eines Wirtschaftsprüfers bestehende Gefährdung von Auftraggeberinteressen als fern liegend angesehen hat, solange der Wirtschaftsprüfer bei seiner weiteren beruflichen Tätigkeit durch einen anderen Berufsangehörigen beaufsichtigt wird. Von einer solchen besonderen Sachlage kann im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht ausgegangen werden. Vielmehr unterliegt der Kläger danach nicht der ständigen Kontrolle eines Berufsangehörigen und wird in seiner Tätigkeit nicht laufend überwacht.

Schließlich unterscheidet sich der von der Beschwerde angeführte AnwZ (B) 40/04 (NJW 2005, 1271) in wesentlicher Hinsicht vom Streitfall insoweit, als in jenem Fall das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts bereits aufgehoben worden war und dieser sich in der sog. Wohlverhaltensphase zur Erlangung der Restschuldbefreiung befand. Dass diese Voraussetzungen auch im Streitfall vorliegen, hat das FG indes nicht festgestellt. Auch aus dem AnwZ (B) 43/03 (NJW 2005, 511) ergibt sich nichts, was die Rechtsfrage, ob Auftraggeberinteressen auch bei einem in Vermögensverfall geratenen angestellten Steuerberater als gefährdet anzusehen sind, als erneut klärungsbedürftig erscheinen lässt. Vielmehr hat auch der BGH mit jenem Beschluss die Ansicht vertreten, dass die Aufnahme einer Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt die Gefährdung der Rechtsuchenden nicht ausschließe. Soweit der BGH gleichwohl in jenem Fall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall als ausnahmsweise nicht gegeben angesehen hat, beruhte dies auf einer Gesamtwürdigung der Person jenes Rechtsanwalts sowie der weitgehenden beruflichen Beschränkungen, denen er sich arbeitsvertraglich unterworfen hatte. Von dem Vorliegen solcher Voraussetzungen kann aber im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht ausgegangen werden.

2. Da die mit der Beschwerde formulierten Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig sind, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben (vgl. , BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).

3. Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) liegt nicht vor. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass das angefochtene FG-Urteil weder von den BGH-Beschlüssen in NJW 2005, 511 oder in NJW 2005, 1944 noch von dem Beschluss des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen in AnwBl 2005, 72 abweicht. Die für jene Entscheidungen tragenden tatsächlichen Voraussetzungen hat das FG für den Streitfall nicht festgestellt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1522 Nr. 8
YAAAB-88294