BFH Beschluss v. - VII B 209/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Der schwerbehinderte minderjährige Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren Halter eines PKW, für den ihm gemäß § 3a Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) eine Steuerbefreiung gewährt wurde. Nachdem sich herausstellte, dass die Eltern des Klägers mit dem Fahrzeug den Kläger zunächst zur Kindereinrichtung bzw. Grundschule fuhren und danach die Fahrt zur eigenen Arbeitsstätte fortsetzten, unterwarf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) das Fahrzeug mit zwei Steuerbescheiden der Kraftfahrzeugsteuer. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass dem Kläger eine Steuervergünstigung nicht zustehe, weil das auf ihn zugelassene Fahrzeug durch andere Personen zu nicht im Zusammenhang mit der Fortbewegung oder der Haushaltsführung des Klägers stehenden Fahrten benutzt worden sei (§ 3a Abs. 3 Satz 2 KraftStG). Vielmehr dienten die Fahrten in erster Linie der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen des Benutzers und damit der Erzielung von Einnahmen. Diese Verwendung sei im Streitfall von nicht unerheblichem Gewicht.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich der Kläger mit seiner auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) gestützten Beschwerde. Er macht geltend, dass die Fahrten beider Elternteile im wesentlichen Zusammenhang mit seiner Haushaltsführung stünden. Denn durch die Erwerbstätigkeit der Eltern werde sein Lebensunterhalt gesichert. Als Minderjähriger könne er selbst das Fahrzeug nicht nutzen, sondern sei auf die Nutzung durch andere angewiesen. Leerfahrten bzw. das Vorhalten eines anderen Fahrzeuges für Fahrten zur Arbeitsstätte seien den Eltern nicht zumutbar. Dies habe das FG erkennen und den Vergünstigungstatbestand entsprechend weit auslegen und die Steuerfreiheit gewähren müssen. Nur eine solche Auslegung werde den Anforderungen von Art. 6 des Grundgesetzes (GG) gerecht. Die Fahrten eines volljährigen Schwerbehinderten wären als Fortbewegung i.S. von § 3a Abs. 1 KraftStG begünstigt gewesen. Infolge dieser Benachteiligung liege ein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichheitssatz vor. Gegebenenfalls möge der Bundesfinanzhof (BFH) die Verfassungsmäßigkeit von § 3a KraftStG durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüfen lassen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und hält sie für unzulässig.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Kläger hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihm für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer konkreten Rechtsfrage, der auch Bedeutung für die Allgemeinheit zukommt. Darzulegen ist, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften und umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit den Äußerungen im Schrifttum und ggf. mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen befassen. Hat der BFH über die angesprochene Rechtsfrage bereits entschieden, so ist über die Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtsprechung hinaus zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. dann geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat (vgl. , BFH/NV 2004, 166, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Ohne eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, wendet sich der Kläger gegen die vermeintlich rechtsfehlerhafte Auslegung der streitbefangenen Norm durch das FG. Insbesondere setzt er sich nicht mit der Rechtsprechung des BFH zu der Frage auseinander, inwieweit Fahrten eines Elternteils eines schwerbehinderten Kfz-Halters, die zur Arbeitsstätte des jeweiligen Elternteils durchgeführt werden, einer Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 1 KraftStG entgegenstehen. In seinem Urteil vom II R 174/79 (BFHE 137, 373, BStBl II 1983, 245) hat der BFH Alleinfahrten des Vaters zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als nicht zur Haushaltsführung des schwerbehinderten minderjährigen Kindes gehörend angesehen und ausgeführt, dass auch der Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) und auf das Grundrecht des Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen könne. Die in dieser Entscheidung dargelegten Grundsätze, die § 3 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c KraftStG 1972 betrafen, gelten nach Auffassung des Senats fort und sind auch bei der Auslegung und Anwendung von § 3a Abs. 3 Satz 2 KraftStG zu berücksichtigen (Senatsentscheidungen vom VII B 43/03, BFH/NV 2004, 535, und vom VII B 244/93, BFH/NV 1994, 742). Neue und gewichtige Gesichtspunkte, die eine Überprüfung der BFH-Rechtsprechung geboten erscheinen ließen, hat der Kläger nicht vorgebracht.

Im Übrigen führt die Beschränkung der Steuerbefreiung nach § 3a KraftStG auf Fahrzeuge, die ausschließlich oder im Wesentlichen für Fahrten des Behinderten genutzt werden, nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Familien, die sich nur ein Kraftfahrzeug leisten können. Denn für diese Fälle ermöglicht § 33 des Einkommensteuergesetzes, Fahrtkosten, die infolge der Behinderung entstehen, in einem dem Maß der Behinderung angepassten Umfang als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl., § 33 Rz. 35 - Fahrtkosten Behinderter).

2. Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG reicht es zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus, wenn der Kläger lediglich darauf verweist, dass eine Versagung der Steuervergünstigung dazu führen würde, dass minderjährige Behinderte gegenüber volljährigen Behinderten benachteiligt würden. Denn die bloße Behauptung, eine Norm sei verfassungswidrig, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, sofern die Verfassungswidrigkeit nicht offenkundig ist (, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (BFH-Beschlüsse vom VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Dies leistet die Beschwerde nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1518 Nr. 8
UVR 2006 S. 268 Nr. 9
CAAAB-88031