Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; BVerfGG § 93a Abs. 2
Instanzenzug: LG Stade 12 Qs 12/99 LG Stade 12 Qs 13/99 LG Stade 12 Qs 16/99 LG Stade 12 Qs 17/99 LG Stade 12 Qs 18/99 LG Stade 12 Qs 19/99 LG Stade 12 Qs 20/99 LG Stade 12 Qs 21/99 LG Stade 12 Qs 22/99 LG Stade 12 Qs 23/99 LG Stade 12 Qs 24/99
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Sichtung und Verwertung von Kundenunterlagen bei der Durchsuchung von Banken sowie die Beweismittelbeschlagnahme im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren.
I.
Die Beschwerdeführer sind Kunden zweier Banken, bei denen im Jahre 1998 Durchsuchungen wegen Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung durch Bankkunden stattfanden. Durchsuchungszweck war nach dem Inhalt der zugrundeliegenden Durchsuchungsbeschlüsse des Ermittlungsrichters das Auffinden von Unterlagen, die Aufschluss über Geld- und Wertpapiertransfers nach Luxemburg oder in die Schweiz zum Zwecke der Steuerhinterziehung geben könnten. Im Rahmen der Durchsuchung wertete die Steuerfahndung auch Unterlagen zu Tafelpapiergeschäften aus, indem sie die bankinternen Verrechnungskonten, über die Tafelgeschäfte abgewickelt wurden, mit zur gleichen Zeit erfolgten Barabhebungen entsprechender Geldbeträge von Kundenkonten abglichen. Dadurch identifizierten die Beamten auch Bankkunden, die Tafelpapiergeschäfte ohne Auslandsbezug abgewickelt hatten. Bei den jeweils zuständigen Veranlagungsfinanzämtern ermittelten sie dann zusätzlich, ob die Bankkunden dort steuerlich geführt wurden, und nahmen Einsicht in die Steuerakten. Soweit dies zu dem Ergebnis führte, dass Erträge aus den Tafelpapieren in den Steuererklärungen nicht angegeben worden waren, wurden Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Hiervon waren auch die Beschwerdeführer betroffen. Nachdem sie von der Einleitung der Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt worden waren, wandten sie sich gegen die Verwertung der Unterlagen über Tafelpapiergeschäfte, da sich daraus bei ihnen kein Bezug zu einem Vermögenstransfer ins Ausland ergebe. Darauf sei aber der Durchsuchungszweck beschränkt gewesen. Eine Verwertung der Unterlagen verstoße zudem gegen § 30a Abs. 3 AO.
Das Amtsgericht bestätigte jeweils gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die Beschlagnahme der Unterlagen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden wies das Landgericht als unbegründet zurück. Es führte aus, aufgrund der Ermittlungen bei den Veranlagungsfinanzämtern habe zumindest im Zeitpunkt der richterlichen Beschlagnahmebestätigung ein Anfangsverdacht vorgelegen. Ob bei den Ermittlungen gegen § 30a Abs. 3 AO verstoßen worden sei und ob sich daraus für das Steuerstrafverfahren ein Beweisverwertungsverbot ergebe, könne dahinstehen, denn dies erfordere eine eingehende Abwägung zwischen den Individualinteressen der Beschwerdeführer und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse. Diese Abwägung sei aber dem erkennenden Gericht im Hauptverfahren vorbehalten.
II.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Grundrechte, insbesondere ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren. Es bestehe ein Beweisverwertungsverbot für das Steuerstrafverfahren. Das Landgericht habe sich einer diesbezüglichen Prüfung nicht entziehen dürfen. Ihre grundrechtlich geschützten Rechte müssten im Ermittlungsverfahren genauso berücksichtigt werden wie im späteren Hauptverfahren. Andernfalls hätten es die Ermittlungsbehörden in der Hand, sich über Beweiserhebungsverbote hinwegzusetzen, um sodann einem Gericht ein schlüssiges Anklagegebäude präsentieren zu können.
III.
Die Verfassungsbeschwerden werden gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie sind unbegründet.
Die Frage, in welchem Umfang es verfassungsrechtlich geboten ist, das Vorliegen von Beweisverwertungsverboten im Rahmen einer ermittlungsrichterlichen Beschlagnahmebestätigung und der dazu ergangenen Beschwerdeentscheidung zu prüfen, bedarf hier keiner Entscheidung. Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen und den übrigen von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Steuerfahndungsbehörde nicht gegen Beweiserhebungsverbote verstoßen hat. Somit kommt auch ein Beweisverwertungsverbot als Folge eines Verfahrensfehlers bei der Beweiserhebung nicht in Betracht. Es kann die Beschwerdeführer deshalb auch nicht in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzen, wenn das Landgericht seine Prüfungskompetenz verneint hat.
Nach den vom Landgericht zugrundegelegten Umständen wurden die Beschwerdeführer deshalb als Beschuldigte ermittelt, weil sie Tafelpapiergeschäfte nicht über ihre bei den beteiligten Banken geführten Konten und Depots getätigt hatten, sondern durch Barabhebungen und -einzahlungen von und auf diese Konten. Zwar begründet die bloße Inhaberschaft von Tafelpapieren und deren Einlieferung zur Verwahrung in ein Depot für sich allein noch keinen Anfangsverdacht einer Steuerstraftat (vgl. BFH, NJW 2000, S. 3157 <3160>). Anders verhält es sich jedoch, wenn Hinweise auf eine gezielte Anonymisierung vorliegen (vgl. LG Detmold, wistra 1999, S. 434 f.). Dies war bei den Beschwerdeführern der Fall. Alle unterhielten bei den Banken, bei denen sie Tafelpapiergeschäfte tätigten, Konten bzw. Depots. Gleichwohl haben die Beschwerdeführer zu 1. bis 10. durch Bargeschäfte Tafelpapiere erworben. Wer aber bei einem Kreditinstitut Konten und Depots führt, gleichwohl aber seine Wertpapiergeschäfte als Bargeschäfte tätigt, so dass sie anhand der über diese Konten und Depots geführten Unterlagen nicht als Wertpapiergeschäfte ersichtlich sind, setzt sich dem Verdacht aus, er habe mit dieser Art der Geschäftsabwicklung die Weiche für eine nachfolgende Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung gestellt (vgl. BFH, wistra 2002, S. 27 <29 f.>; BFH, DB 2001, S. 2125 <2126 f.>; LG Itzehoe, wistra 1999, S. 432 <433>). Entsprechendes gilt auch für den Beschwerdeführer zu 11. Aufgrund der erheblichen Verminderung seiner Depoterträge in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung der 35%igen Quellensteuer auf Kapitaleinkünfte entstand ihm gegenüber der Verdacht, er habe seinen Depotbestand durch die Entnahme effektiver Stücke erheblich reduziert, um entsprechende Einkünfte der Quellensteuer zu entziehen.
Deshalb lag bereits mit der Identifizierung aller Beschwerdeführer - und nicht erst nach einer Anfrage bei den für sie jeweils zuständigen Veranlagungsfinanzämtern - ein Anfangsverdacht gegen sie vor. Die sie betreffenden Unterlagen waren Zufallsfunde (§ 108 Abs. 1 StPO), da sich unmittelbar aus ihnen der Anfangsverdacht einer Straftat ergab und sie bei Gelegenheit der Aufklärung von Tafelgeschäften mit Auslandsbezug gefunden wurden. Den weiteren Ermittlungen bei den Wohnsitzfinanzämtern stand § 30a Abs. 3 Satz 2 AO 1977 nicht entgegen, denn das dort formulierte Gebot der Unterlassung von Kontrollmitteilungen bezieht sich auf das Besteuerungsverfahren (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 7. Aufl., § 30a Rn. 3, 19; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO, § 30a Rn. 13, 18). Es gilt nicht, wenn ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht besteht (vgl. BFH, wistra 2002, S. 27 <31>; BFH, DB 2001, S. 2125 <2126 f.>; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO, § 30a Rn. 18).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStRE 2002 S. 1091 Nr. 17
HAAAB-87455