BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 792/05

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 90 Abs. 1; BVerfGG § 93a Abs. 2 Buchstabe b; BVerfGG § 93b

Instanzenzug: OLG Hamm 4 Ws 124/05 vom OLG Hamm 4 Ws 126/05 vom LG Paderborn StVK H 418/04 (12) vom

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) sowie die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Überprüfungsverfahren gemäß § 67 d Abs. 2, § 67 e StGB, § 463 Abs. 3 und § 454 StPO.

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1986 wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Das Gericht ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und den Vorwegvollzug der Strafe an. Ein eingeholtes Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, dem Beschwerdeführer fehle bei insgesamt durchschnittlich intellektueller Begabung im emotionalen Bereich eine gefühlsmäßige Mitschwingungsfähigkeit. Seine Persönlichkeitsstruktur sei durch eine extreme Egozentrik, verbunden mit einem hohen Geltungsbedürfnis geprägt, und sein Gefühl für Reue und Schuld sei abgestumpft; seine Hemmschwelle zu töten sei dadurch erheblich im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt gewesen.

Nach dem teilweisen Vorwegvollzug der verhängten Strafe befindet sich der Beschwerdeführer seit 1992 im Maßregelvollzug.

2. Am beantragte der Beschwerdeführer die Beiordnung einer Pflichtverteidigerin für das bevorstehende Überprüfungsverfahren gemäß § 67 d, § 67 e StGB. Vor dem Anhörungstermin zeigten sich fünf verschiedene Rechtsanwälte als Bevollmächtigte des Beschwerdeführers an, von denen drei später wieder ihr Mandat niederlegten. Im Anhörungstermin teilte der allein erschienene Beschwerdeführer mit, er habe zurzeit keinen Verteidiger.

3. Mit Beschluss vom ordnete das Landgericht die Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug an. Die behandelnde Klinik habe in ihrer Stellungnahme vom mitgeteilt, der Betroffene lehne eine Untersuchung ab, was zu einer etwas unklaren Diagnose führe. Diese sei am ehesten in Richtung einer narzistischen und dissozialen Persönlichkeitsstörung zu stellen. Ein Gespräch über sein inneres Befinden sei nicht möglich, weil er die zur Tatzeit festgestellte Persönlichkeitsstörung für mittlerweile behoben halte. Lockerungen seien nicht zu verantworten gewesen. Die psychotherapeutischen Gespräche seien immer wieder in einen pseudo-intellektuellen Fachdisput ausgeartet. Hierdurch verhindere er die Auseinandersetzung mit seinen Emotionen. Er sei seit Jahren in einem intellektuellen und juristischen Machtkampf mit den Behandlern und Institutionen verstrickt und versuche mit juristischem Fachjargon, den er fast bis zur Karikaturisierung betreibe, zu belegen, dass er entlassungsreif sei. Dies sei bei bisher 17 Therapeuten zu beobachten gewesen, sodass die Grundeinstellung verfestigt sei. Seine Gefährlichkeit sei ungebrochen.

Zum gleichen Ergebnis sei die externe Sachverständige K. in ihrem Gutachten vom gekommen, das nur nach Aktenlage habe erstellt werden können, weil der Betroffene die Teilnahme an der Exploration abgelehnt habe. Eine sichere Diagnose lasse sich mangels testpsychologischer Mitarbeit des Beschwerdeführers nicht stellen. Elemente einer narzistischen und dissozialen Persönlichkeitsstörung seien aber sicher erfüllt. Wegen der narzistischen Ausprägung des Beschwerdeführers, seiner Unfähigkeit, Schuldgefühle zu erleben und nichtausnutzende Beziehungen einzugehen, sei die Behandlungs- und Kriminalprognose weiterhin negativ.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Anhörung habe die Kammer ebenfalls keinen Zweifel, dass der Beschwerdeführer extrem und hochgradig gestört sei. Außerhalb des Maßregelvollzugs werde er an der sozialen Realität binnen kürzester Zeit scheitern und auf Grund seiner fortbestehenden narzistischen und dissozialen Störungen wieder schwerwiegende Taten begehen. Der beantragten Einholung eines externen Gutachtens durch die Kammer bedürfe es nicht, denn diese erwäge nicht, den Betroffenen aus dem Maßregelvollzug zu entlassen.

4. Am erhob der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts und die Ablehnung, einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Die Verteidigungsunfähigkeit ergebe sich bereits aus der Schwierigkeit des Überprüfungsverfahrens gemäß § 67 d Abs. 2 und § 67 e StGB. Neben den tatsächlich schwierigen Fragen mache die durch eine Vielzahl zu berücksichtigender ärztlicher Gutachten geprägte Stofffülle eine Akteneinsicht unentbehrlich. Zudem seien verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen.

Die gerichtlich bestellte Sachverständige K. sei als nichtärztliche Psychologin von vornherein zur Gutachtenerstellung ungeeignet gewesen. Die Argumentation im Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Es mangele an der Benennung von Anknüpfungs- und Befundtatsachen, zumal das Gutachten verschiedene Hauptbereiche aus dem Lebenslängs- und Querschnitt des Beschwerdeführers nur unzureichend betrachte und die zu fordernde Auseinandersetzung mit dem Anlassdelikt, der prädeliktischen Persönlichkeit, der postdeliktischen Persönlichkeitsentwicklung sowie dem sozialen Empfangsraum des Verurteilten vernachlässige.

5. Am wurde die sofortige Beschwerde durch das Oberlandesgericht Hamm verworfen. Der Beschwerdeführer sei zur Wahrnehmung seiner Rechte selbst in der Lage gewesen. Dies ergebe sich eindrucksvoll aus den von beachtlicher juristischer Sachkenntnis getragenen Schriftsätzen, die er schon in der Vergangenheit zahlreich, aber auch in diesem Verfahrensstand selbst verfasst habe. Es sei nicht ersichtlich oder vorgetragen, von welchen maßgeblichen Aktenteilen der Beschwerdeführer keine Kenntnis gehabt habe. Aus einem 27-seitigen Schreiben vom ergebe sich gerade das Gegenteil.

Mit einer Ausnahme seien alle in den vergangenen Jahren befassten Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Beschwerdeführer liege eine schwerwiegende und forensisch relevante narzistische Persönlichkeitsstörung auf Borderline-Niveau mit dissozialen Zügen vor. Der Beschwerdeführer sei nahezu von allen Sachverständigen und den beteiligten Kliniken als in hohem Maße rückfallgefährdet und für die Allgemeinheit gefährlich angesehen worden. Auch die Sachverständige K. habe die Grundlagen ihres Gutachtens sorgfältig und ausführlich dargestellt. Unschädlich sei, dass es sich bei der Gutachterin um eine - zudem forensisch erfahrene - Psychologin und nicht um eine Fachärztin für Psychiatrie gehandelt habe. § 16 Abs. 3 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes (MRVG) sehe diese Möglichkeit ausdrücklich vor. In der Vergangenheit seien bereits zahlreiche Gutachten erfahrener und renommierter Psychiater eingeholt worden. Die vorliegenden Persönlichkeitsstörungen gehörten zumindest gleichrangig zum klassischen Arbeits- und Therapiebereich des Psychologen.

II.

1. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.

Durch den nahezu 20 Jahre andauernden Freiheitsentzug sei er körperlich und psychisch schwer geschädigt. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig. Die von fast allen Gutachtern angenommene Gefährlichkeit beruhe auf reinen Vermutungen, die wissenschaftlich nicht haltbar seien. Dies sei in einem Gutachten des Sachverständigen Prof. B. unwiderlegbar dargestellt worden. Die in den angegriffenen Beschlüssen enthaltenen Feststellungen zur Gefährlichkeit genügten nicht den mit zunehmender Dauer der Unterbringung steigenden Anforderungen. Danach hätte es im gerichtlichen Überprüfungsverfahren auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Einholung eines externen psychiatrischen Sachverständigengutachtens bedurft. Die Beauftragung einer nichtärztlichen Psychologin sei bereits im Ausgangspunkt auf Grund der fehlenden fachlichen Eignung verfehlt gewesen.

Die unterbliebene Beiordnung eines Pflichtverteidigers sei rechtsfehlerhaft, weil nur diese eine vollständige Akteneinsicht ermöglicht hätte. Lediglich die vierstündige Einsichtnahme in das Gutachten sei dem Beschwerdeführer gewährt worden. Eine Übersendung des Gutachtens der Sachverständigen K. sei daher nicht möglich. Auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und die Unfähigkeit, sich selbst zu verteidigen, hätten gemäß § 140 Abs. 2 StPO analog bei Beachtung des Grundsatzes fairer Verfahrensführung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten.

2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

Die Rüge der unterbliebenen Beiordnung eines Rechtsanwalts führt zum Erfolg der Verfassungsbeschwerde. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) und zum Freiheitsrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Danach ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet.

I.

Der über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67 d Abs. 2 und § 67 e StGB sowie die Entscheidung des über die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde verletzen wegen der unterbliebenen Beiordnung eines Rechtsanwalts den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 39, 238 <242 f.>; 63, 380 <390 f.>; 70, 297 <322 f.>; dazu unter 1.) und in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (2.).

1. Die Vorschriften der Strafprozessordnung über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers (§§ 140 ff. StPO) stellen sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar. Die Verfassung selbst will sicherstellen, dass der Beschuldigte auf den Gang und das Ergebnis des gegen ihn geführten Strafverfahrens Einfluss nehmen kann (vgl. BVerfGE 63, 380 <391>; 70, 297 <323>). Für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gilt nichts anderes. Auch hier darf der Untergebrachte nicht nur Objekt des Verfahrens sein. Ihm ist von Verfassungs wegen jedenfalls dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn es nach der konkreten Fallgestaltung, insbesondere bei Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich, als evident erscheint, dass er sich angesichts seiner Erkrankung nicht selbst verteidigen kann (vgl. BVerfGE 70, 297 <323>; vgl. auch EGMR, NJW 1992, S. 2945 <2946>). Die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers ist auch dann geboten, wenn die Würdigung aller Umstände, das Vorliegen eines "schwerwiegenden Falles" ergibt (vgl. BVerfGE 39, 238 <243>; 46, 202 <210 f.>; 63, 380 <391>). Dabei kommt auch der Dauer der weiteren Freiheitsentziehung besonderes Gewicht zu (vgl. BVerfGE 86, 288 <338> zur Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe).

Ohne dass es einer verfassungsgerichtlichen Stellungnahme zur einfachrechtlichen Gesetzesauslegung bedürfte (vgl. dazu OLG Stuttgart, StV 1993, S. 378; OLG Jena, StV 1997, S. 540; OLG Braunschweig, StV 2001, S. 21; OLG Karlsruhe, StV 1997, S. 314 <315>; Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 140 Rn. 57; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 140 Rn. 33a, die die Beiordnung in der Regel für erforderlich halten und die Begründung des ausnahmsweisen Absehens verlangen; eher differenzierend an Hand der Voraussetzungen von § 140 Abs. 2 StPO BbgVerfG, NJW 2001, S. 2533 <2534>; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, S. 19; OLG Brandenburg, NStZ-RR 1997, S. 96; - 5 Ws 715/01 u.a. - <juris> und Beschluss vom - 1 AR 181/02 - 5 Ws 104/02 u.a. - <juris>), war jedenfalls im vorliegenden Fall auf Grund der konkreten Umstände die Bestellung eines Pflichtverteidigers von Verfassungs wegen geboten.

Bereits mit Blick auf die bisherige Dauer des Freiheitsentzugs von mittlerweile 19 Jahren, davon 13 Jahre im Maßregelvollzug, ist die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung für den Beschwerdeführer wegen der Wirkungen eines lang andauernden Freiheitsentzugs schwerwiegend. Die Dauer der Freiheitsentziehung hat hier ein Ausmaß erreicht, das im Falle einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die obligatorische Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 463 Abs. 3 Satz 5 StPO geboten hätte. Der Fortdauerbeschluss hat - unbeschadet späterer Überprüfungen - weit reichende Folgen, weil der Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB keine gesetzliche Obergrenze kennt.

Die Sach- und Rechtslage ist im vorliegenden Fall kompliziert. Mit zunehmender Dauer der Unterbringung erhöhen sich auf Grund der Wirkkraft des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung und an die richterliche Würdigung der die Fortdauer der Freiheitsentziehung tragenden Gründe (vgl. BVerfGE 70, 297 <311, 316>). Damit wird es jedenfalls im Regelfall für den Untergebrachten zunehmend schwieriger, sich mit den differenzierteren tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts in einer der effektiven Wahrnehmung seiner Interessen entsprechenden Weise auseinanderzusetzen. Vorliegend tritt der besondere Umstand hinzu, dass ein Sachverständiger, der den Beschwerdeführer offenbar weiterhin diagnostisch begleitet, das Vorliegen einer psychischen Erkrankung und einer daraus resultierenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers verneint.

Auch mit Blick auf die Sachverständigenauswahl vermitteln bereits die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichts nicht den Eindruck, es hätte sich um eine einfach gelagerte Frage gehandelt. Ohne dass an dieser Stelle über die Stichhaltigkeit der gegen die Sachverständige K. erhobenen Einwände zu befinden wäre, sah sich das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang immerhin zu mehrseitigen - teils verfassungsrechtlichen und gesetzeshistorischen - Ausführungen zu der Frage veranlasst, ob und inwieweit Psychologen ebenso wie Psychiater mit der Erstattung von Gutachten der hier in Rede stehenden Art betraut werden dürften.

Dass der Beschwerdeführer, der über keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung verfügt, angesichts des Gewichts der Entscheidung und der Kompliziertheit der Sach- und Rechtslage zur effektiven Wahrnehmung seiner Rechte nicht in hinreichendem Maße in der Lage war, liegt auf der Hand. Es vermag nicht zu überzeugen, wenn das Oberlandesgericht die Bestellung eines Pflichtverteidigers unter Hinweis auf die angeblich beachtliche juristische Sachkenntnis des Beschwerdeführers für entbehrlich hielt. Dagegen sprach schon sein schulischer und beruflicher Werdegang. Mit Blick auf die in der Stellungnahme der Klinik geschilderte Neigung des Beschwerdeführers zur Pseudo-Intellektualisierung, die er bis zur Karikaturisierung treibe, hätten die Fachgerichte der nahe liegenden Frage nachgehen müssen, ob er sich hierdurch nicht gerade den Blick auf die tatsächlichen Probleme verstellt und sich in unspezifischen Aneinanderreihungen von Zitaten aus Gerichtsentscheidungen, Gutachten und der Fachliteratur verliert. Auch der außergewöhnliche Umstand, dass der Beschwerdeführer im Vorfeld des Anhörungstermins vor dem Landgericht zeitweise fünf Rechtsanwälte beauftragt hatte, letztlich jedoch kein beständiges Mandatsverhältnis zustande kam, hätte die Gerichte zu der Frage führen müssen, ob nicht gerade die angenommenen Persönlichkeitsstörungen die Herausbildung eines vertrauensvollen Mandatsverhältnisses aus eigener Kraft erschwerten, wenn nicht verhinderten, und auch deshalb die Inpflichtnahme eines Bevollmächtigten entsprechend § 140 Abs. 2 StPO geboten gewesen wäre.

2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer auch in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; denn die Bestellung eines Pflichtverteidigers gehört dort, wo ihre Voraussetzungen vorliegen, zu den verfahrensrechtlichen Absicherungen des Freiheitsrechts, um die Grenzen der Zumutbarkeit eines Grundrechtseingriffs zu wahren (vgl. BVerfGE 109, 133 <159, 162 f.>).

3. Da nicht auszuschließen ist, dass die angegriffenen Entscheidungen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß beruhen, sind sie aufzuheben (vgl. BVerfGE 65, 171 <179>).

4. Unbeschadet dessen bleibt darauf hinzuweisen, dass die Beauftragung eines nichtärztlichen Psychologen für die Erstattung eines Prognosegutachtens im Vorfeld der gemäß § 67 d Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung nicht schon generell von Verfassungs wegen ausscheidet (vgl. auch Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 454 Rn. 12e; Schüler-Springorum, StV 1994, S. 255; Pollähne, in: Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 2. Aufl. 2002, Buchstabe F Rn. 144; Stöckel, in: KMR, Kommentar zur StPO, Stand: Oktober 2002, § 454 Rn. 30 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 454 Rn. 37; vgl. auch OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, S. 125, die keinen Vorrang des Psychiaters annehmen, ebenso - wenn auch in der Tendenz etwas zurückhaltender - Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 25. Aufl. 2001, § 454 Rn. 52). Der Beschwerdeführer kann sich für seine Auffassung, Psychologen seien insoweit generell fachlich ungeeignet, weder auf das Urteil des Zweiten Senats des - (vgl. BVerfGE 109, 133 <164 f.>) noch auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des - (EuGRZ 2005, S. 181 f.) stützen. Ob Sachverständige entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts über eine geeignete Ausbildung und hinreichende Erfahrung verfügen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NStZ 1992, S. 405 <406>; vgl. auch BVerfGE 109, 133 <163 ff.>), ist eine Frage der Bewertung der Umstände des Einzelfalls.

II.

Die Sache ist an das Landgericht Paderborn zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
HAAAB-87374