BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 766/96

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93 b; BVerfGG § 93 a; BVerfGG § 92; BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2; BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3; StrRehaG § 1 Abs. 1; GVG/DDR § 52; GVG/DDR § 293 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 103 Abs. 1;

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen; sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Eine Verletzung des Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. dazu Urteil des Zweiten Senats des -, NJW 2000, S. 418) ist dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Allein seine Beanstandung, die Rehabilitierungsgerichte hätten es versäumt, die Ermittlungsakten beizuziehen, gibt dafür nichts her. Der Beschwerdeführer hätte zumindest darlegen müssen, welche für das Verfahren bedeutsamen Informationen sich noch aus den Ermittlungsakten - die er nach seinen Angaben im fachgerichtlichen Verfahren eingesehen hatte - ergeben hätten.

Ob das Landgericht seinen Prüfungsauftrag in verfassungswidriger Weise verengt hat, kann dahinstehen. Seine Entscheidung ist durch die nachfolgende Entscheidung des Oberlandesgerichts überholt, das die vom Beschwerdeführer zur Bestätigung seines Vortrags vorgelegten Kopien des Hauptverhandlungsprotokolls gewürdigt und damit zugleich gezeigt hat, dass es sich nicht an die Feststellungen des DDR-Urteils gebunden gesehen hat.

Auch dem Einwand des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe die rechtsstaatswidrige Beeinflussung eines Zeugen, der im DDR-Verfahren gegen ihn ausgesagt habe, nicht erkannt, ist eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz nicht zu entnehmen. Es fehlt schon an der gemäß §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG gebotenen Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Oberlandesgerichts. Dieses hat dargelegt, die Behauptung des Beschwerdeführers, dass der Zeuge ihn erst nach einer Vernehmungspause, in der er seitens des Gerichts und seitens der Staatsanwaltschaft unzulässig beeinflusst worden sei, stark belastet habe, sei ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls unzutreffend. Ein Bruch zwischen der Aussage des Zeugen vor der Vernehmungspause und seiner Aussage danach sei nicht zu erkennen; vielmehr habe der Zeuge den Beschwerdeführer schon vor der Vernehmungspause belastet. Außerdem sei die Aussage des Zeugen in der Beweiswürdigung durch das Kreisgericht an keiner einzigen Stelle inhaltlich erwähnt oder gar weiter verwertet worden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Ausführungen des Oberlandesgerichts sind nicht ersichtlich.

2. Die Annahme des Oberlandesgerichts, selbst wenn der vorsitzende Richter im DDR-Strafverfahren des Beschwerdeführers für dieses Verfahren an das Kreisgericht abgeordnet worden sein sollte, könne dies eine Rehabilitierung nicht begründen, ist ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Im Rehabilitierungsverfahren ist das Urteil des DDR-Gerichts nicht unmittelbar am Grundgesetz zu messen; das Grundgesetz ist nach dem Beitritt der DDR nicht rückwirkend in deren Gebiet in Kraft gesetzt worden (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, DtZ 1994, S. 148). Von Verfassungs wegen ist es daher nicht geboten, jede Form der Besetzung der DDR-Gerichte, die gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstieße, als unvereinbar mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 1 StrRehaG zu bewerten.

Eine Rehabilitierung muss allerdings dann erfolgen, wenn das DDR-Verfahren derart fehlerhaft war, dass die in der Völkergemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise missachtet wurden (vgl. -, NJW 2000, S. 418). Eine solche Konstellation lag nach der Würdigung des Oberlandesgerichts aber nicht vor. Die Wertung des Beschwerdeführers, er sei von einem - allgemein in rechtsstaatlichen Ordnungen für unzulässig erachteten (Koch, Rechtsvergleichende Fragen zum "Gesetzlichen Richter", Festschrift für Hideo Nakamura, 1996, S. 283, S. 289; s. auch Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage, 1999, Art. 6 EMRK, Rn. 414; Golsong u. a., Internationaler Kommentar zur EMRK, 2. Lieferung, 1992, Art. 6, Rn. 290) - Ausnahmegericht verurteilt worden, hat das Oberlandesgericht unter Hinweis auf die in § 52 GVG/DDR vorgesehene Möglichkeit der Abordnung eines Richters vom Bezirksgericht an das Kreisgericht durch den Direktor des Bezirksgerichts abgelehnt. Ob die Annahme des Oberlandesgerichts, die Voraussetzungen für eine solche Abordnung hätten hier vorgelegen, zutrifft, ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu überprüfen; spezifisches Verfassungsrecht ist durch diese Annahme jedenfalls nicht verletzt (BVerfGE 18, 85 <92 f.>).

3. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs - Art. 103 Abs. 1 GG - vor. Das Oberlandesgericht hat sich sowohl mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das DDR-Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 293 Abs. 1 StPO/DDR ohne mündliche Verhandlung entschieden, als auch mit seinem Einwand, seine Verurteilung zu Schadensersatz sei im Strafverfahren unzulässig gewesen, hinreichend auseinander gesetzt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
EAAAB-87362