Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG 103 Abs. 2
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verjährung sogenannter DDR-Alttaten und die Frage der Strafbarkeit von DDR-Richtern wegen Rechtsbeugung.
I.
1. Der Beschwerdeführer wurde durch das angegriffene Urteil des Landgerichts wegen Rechtsbeugung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Totschlag, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen wirkte der Beschwerdeführer, der ab 1954 als Hilfsrichter Beisitzer im Strafsenat 1a des Obersten Gerichts der DDR war, an drei Strafverfahren wegen "Verbrechen gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verfassung der DDR" (DDR-Verfassung von 1949) mit, die zu Todesurteilen führten.
Die angewandte Bestimmung der Verfassung lautete:
"Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze."
Diese Verfassungsbestimmung wurde in der DDR unmittelbar als Strafgesetz angewendet und mit den aus § 1 Abs. 1 StGB (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) für Verbrechen vorgesehenen Rechtsfolgen der zeitigen Zuchthausstrafe, der lebenslänglichen Zuchthausstrafe und der Todesstrafe belegt.
a) Am verurteilte das Bezirksgericht Cottbus den 52-jährigen Kaufmann T. zum Tode. T.'s Berufung wurde vom Obersten Gericht der DDR unter Mitwirkung des Beschwerdeführers durch Urteil vom zurückgewiesen. Dabei hielt der Beschwerdeführer als Berichterstatter die Todesstrafe nicht für schuldangemessen; er stimmte dem Urteil aber zu, weil er nicht wagte, auf seine abweichende Meinung hinzuweisen. T. wurde am hingerichtet. Das Urteil beruhte auf folgenden Feststellungen:
T. sei seit Herbst 1950 in DDR-feindlichen Gruppierungen aktiv gewesen. So sei er Mitglied der "Vereinigung politischer Ostflüchtlinge" gewesen und habe an verschiedenen Versammlungen dieser Organisation auch als Redner teilgenommen. Später sei er Verbindungsmann zur "Deutschen Freiheitsliga" gewesen. 1951 habe er auf Grenzbahnhöfen zu den östlichen Sektoren Berlins westliche Tageszeitungen und andere "Hetzschriften" verteilt. Er habe Gruppen für den systematischen Vertrieb von "Hetzschriften" in der DDR organisiert und sei dafür verantwortlich gewesen, daß monatlich mehrere tausend "Hetzflugblätter", zum Teil in russischer Sprache, in der DDR abgesetzt worden seien. Diese Gruppen seien auch mit Phosphor-Ampullen (zur Inbrandsetzung von Transparenten und Plakaten), Stinkbomben und Apparaten zur selbständigen Herstellung von Hetzschriften ausgerüstet gewesen. Neben dieser Organisationstätigkeit habe der Betroffene sich ständig mit der Abgabe von Gutachten über die Wirksamkeit verschiedener "Hetzschriften" beschäftigt. Darüber sei T. vom Frühjahr 1951 bis zu seiner Inhaftierung im Sommer 1954 geheimdienstlich tätig gewesen. Bis 1952 habe er "Spionageaufträge" und "Kurierdienste" für den französischen Geheimdienst "S(reté Nationale" ausgeführt. Er habe während der "Weltspiele der Jugend und Studenten" die Namen französischer Teilnehmer feststellen sollen. Außerdem habe er (nicht näher bezeichnete) Informationen über die FDJ sowie "Stimmungsberichte" geliefert und über das Schulsystem in der DDR berichtet, wozu auch die "Besorgung sämtlicher Schulbücher" gehört habe. Bereits im Jahr 1951 habe er im Auftrag des Abwehrdienstes der Britischen Rheinarmee ein "Spionagenetz" in der DDR aufgebaut mit dem Ziel, "Militärspionage hinsichtlich der sowjetischen Militäreinheiten" zu betreiben. Dieses Spionagenetz habe im Sommer 1952 einen derartigen Umfang angenommen, daß der Betroffene einem britischen Geheimdienstoffizier im Range eines Oberstleutnants unterstellt worden sei; T. sei zweimal monatlich mit einem britischen Flugzeug nach Westdeutschland gebracht worden, um diesem Offizier direkt zu berichten und neue Anweisungen zu empfangen. Ihm seien schwerpunktmäßig die Schaffung eines Agentennetzes, die Beschaffung von militärischen Informationen, die Grenzgeländeerkundungen zum Einschleusen von Agenten nach Polen sowie die Schaffung von Verbindungen zu Institutionen der SED und des Staatsapparats der DDR aufgegeben gewesen. Da T. nicht gewillt gewesen sei, die Leitung der von ihm geschaffenen Spionageorganisation aus den Händen zu geben, habe der britische Geheimdienst die Verbindung mit ihm gelöst. Während der zweijährigen Zusammenarbeit hätten für ihn insgesamt etwa 40 Agenten gearbeitet. Anschließend sei T. "Hauptagent" der "Organisation Gehlen" gewesen. Auch hier habe seine wesentliche Aufgabe in der Militärspionage bestanden. Er sei insgesamt zwei Monate für diese Organisation mit mindestens 25 ständigen Mitarbeitern tätig gewesen und habe in dieser Zeit 42 Berichte über Objekte der sowjetischen Militäreinheiten und der kasernierten Volkspolizei geliefert. Seit November 1953 habe T. Spionage für den amerikanischen Geheimdienst betrieben; er habe etwa 120 Berichte über verkehrstechnische Einrichtungen und Flugplätze geliefert. Für die Berichte habe er jeweils ein Entgelt von 40,- DM erhalten. Darüber hinaus habe er einen Spion mit einer Spezialkamera ausgerüstet, mit welcher dieser Wirtschaftspläne habe fotografieren sollen. Ferner habe der Betroffene ein Tonbandgerät in das "Büro einer wichtigen Verwaltungsdienststelle" der DDR einbauen lassen wollen, wozu es allerdings nicht gekommen sei. Im April 1954 habe T. einen "größeren Spionageauftrag des dänischen Geheimdienstes" erhalten; er habe gegen Bezahlung von 500 Westmark etwa 25 Berichte geliefert, wobei er nur zum Teil neue Informationen verwendet habe. Seit Herbst 1953 habe der Betroffene schließlich Kontakte zum Landesamt für Verfassungsschutz in Berlin (West) gesucht. Von diesem Amt sei er beauftragt worden, Spionageverbindungen zu Organisationen der DDR herzustellen. In diesem Zusammenhang habe T. durch eine Agentin etwa 25 Berichte über "finanzwirtschaftliche Angelegenheiten" und über "landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften" sowie vier Berichte über Objekte der kasernierten Volkspolizei erhalten.
b) Am verurteilte das Bezirksgericht Cottbus den 40-jährigen Ingenieur F. zum Tode. F.'s Berufung wurde vom Obersten Gericht der DDR durch Urteil vom unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer - wiederum als Berichterstatter - stimmte im Ergebnis für die Todesstrafe, obwohl er dem Fall noch geringeres Gewicht als dem Fall T. beimaß. F. wurde am hingerichtet. Das Urteil beruhte auf dem Vorwurf, F. sei von Herbst 1953 bis Sommer 1955 für den britischen Geheimdienst tätig gewesen:
Bis Mai 1955 habe F. Informationen über "sowjetische Objekte und Militäreinheiten" gesammelt; insbesondere habe er Beobachtungen über sowjetische Kraftfahrzeuge und deren Insassen angestellt, die zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Straße passiert hätten und in ein Sperrgebiet gefahren seien. Monatlich habe er zehn bis 30 solcher Informationen geliefert. Außerdem habe er unter Zuhilfenahme eines Stadtplanes eine Skizze über ein "sowjetisches Objekt" gefertigt. Für diese "staatsfeindlichen Handlungen" habe er monatlich 25 Westmark erhalten. Seit Mai 1954 habe F. mit einem Pkw Opel, für dessen Erwerb ihm 3.000,- DM ausgehändigt worden seien, Kurierfahrten in die DDR durchgeführt und u.a. "tote Briefkästen" entleert. Hierfür habe er monatlich 50 Westmark bezogen, die zunächst mit dem Geld für den Pkw-Erwerb verrechnet worden seien. Nachdem er im Juni 1955 sein Einverständnis erklärt habe, in die kasernierte Volkspolizei einzutreten, sei er nicht weiter mit Kurierfahrten betraut worden, sondern habe eine Deckadresse für die Nachrichtenübermittlung erhalten, um auch ohne Betreten der Westsektoren Berlins Verbindung mit dem britischen Geheimdienst halten zu können, wozu es später indes nicht gekommen sei.
c) Am verhängte das Oberste Gericht der DDR unter Mitwirkung des Beschwerdeführers in einem erstinstanzlichen Verfahren Todesstrafen gegen den 42-jährigen Konstrukteur H. und den 33-jährigen Elektriker R.; die 33-jährige Stenotypistin H. wurde zu lebenslangem Zuchthaus, der 27-jährige Hollerith-Spezialist S. zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Beschwerdeführer hielt die Strafen zwar nicht für schuldangemessen, schloß sich aber stillschweigend dem Votum des Vorsitzenden und des Berichterstatters an. Die Todesstrafen gegen H. und R. wurden am in lebenslange Zuchthausstrafen umgewandelt; beide Verurteilte wurden 1964 aus der Haft entlassen. S. wurde bereits im März 1957, nachdem die Strafe im Gnadenweg auf drei Jahre ermäßigt worden war, zur Bewährung entlassen. Frau H. verstarb im September 1956 in der Haft.
H. wurde zum Vorwurf gemacht, sie habe von 1950 bis 1955 für den amerikanischen Geheimdienst und für den RIAS insbesondere Gebäude der Polizei und der Staatssicherheit "ausspioniert" sowie dem amerikanischen Geheimdienst eine Reihe von Wissenschaftlern zum Zwecke der Abwerbung namhaft gemacht. S. wurde angelastet, zwei Arbeitskollegen durch den Hinweis auf ein ihm selbst aus Westdeutschland gemachtes Stellenangebot zur Übersiedelung dorthin veranlaßt und dies bei einer weiteren Kollegin versucht zu haben. H. und R. wurden beschuldigt, im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes Spionage sowie die Abwerbung von Wissenschaftlern und sonstigen Fachkräften aus der DDR betrieben zu haben:
H. habe in den Jahren 1951 bis 1955 bei etwa 100 Zusammentreffen ausführliche Informationen aus den Betrieben, in denen er tätig gewesen sei, und Berichte über gelegentlich beobachtete militärische Objekte weitergegeben. Er habe auch Zeichnungen, Pläne und Unterlagen aus den Betrieben entnommen, wobei er infolge seiner Fachkenntnisse in der Lage gewesen sei, den Wert der jeweiligen Unterlagen genau zu erkennen. Von Anfang an sei H. auch mit Militärspionage beauftragt gewesen; er habe über den Flugplatz Dessau und die dort stationierten Einheiten der sowjetischen Luftwaffe berichtet. Zum anderen habe er Informationen (Personalien, Arbeitsstelle, Qualifikation, politische Vergangenheit usw.) über insgesamt 90 Wissenschaftler gesammelt, die dem amerikanischen Geheimdienst dazu dienen sollten, die Betreffenden in den Westen abzuwerben. H. habe "für seine verbrecherische Tätigkeit" insgesamt etwa 3.500 Westmark erhalten. R. habe Wirtschaftsspionage, namentlich in einem Erfurter Rundfunkwerk, betrieben. Er habe Produktionsziffern verraten, über Materialschwierigkeiten und Rohstoffengpässe berichtet, Zeichnungen und Muster von Röhren beschafft; er habe in die DDR liefernde westdeutsche Firmen verraten und über den Export nach Polen, China und der Sowjetunion berichtet. Zum anderen habe er sich auch der Militärspionage schuldig gemacht, indem er über Einheiten der sowjetischen Luftwaffe und Manöver der Sowjetarmee berichtet habe. Schließlich habe er dem amerikanischen Geheimdienst auch zwölf abzuwerbende "Angehörige der technischen Intelligenz" aus dem Erfurter Rundfunkwerk benannt. Für seine "Verbrechen" habe R. insgesamt etwa 4.000 Westmark erhalten.
2. Mit Urteil vom verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts und führte zur Begründung aus:
a) Eine Bestrafung des Beschwerdeführers sei weder durch in der DDR erlassene Amnestien noch durch Verfolgungsverjährung ausgeschlossen. Für die vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle der Anwendung politischen Strafrechts durch den 1a-Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR habe die Verjährung in der DDR aufgrund eines quasi-gesetzlichen Verfolgungshindernisses geruht, so daß Verfolgungsverjährung nach Art. 315a EGStGB ausgeschlossen sei. Das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten habe in allen drei der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen im Einklang mit der Auffassung der Staatsführung der DDR gestanden; diese habe jeweils konkret Einfluß genommen, indem das Politbüro des Zentralkomitees der SED die Hinrichtung T.'s vorab (billigend) zur Kenntnis genommen, der Staatspräsident ein für F. eingelegtes Gnadengesuch unbeschieden gelassen und wiederum das Politbüro das Verfahren gegen H. u.a. vorab, auch bereits hinsichtlich des Ergebnisses, maßgeblich beeinflußt habe. Es habe demgemäß dem politischen Willen der Staatsführung entsprochen, die mit jenen Verfahren befaßten Justizangehörigen deswegen nicht strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Besonderheiten, welche der Annahme des daraus folgenden Ruhens der Verjährung hier ausnahmsweise entgegenstehen könnten, lägen nicht vor.
b) Die von Art. 315 EGStGB und § 2 StGB vorausgesetzte Unrechtskontinuität bestehe. Auch für den Bereich der politisch motivierten Strafjustiz halte der Senat dabei an der Einschränkung des Rechtsbeugungstatbestandes dahingehend fest, daß es sich um einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege handeln müsse. Ein solch elementarer Verstoß könne nur bei offensichtlichen Willkürakten seitens der DDR-Justiz bejaht werden, d.h. die zu beurteilende Entscheidung müsse sich bei Zugrundelegen des insoweit maßgeblichen Rechts der DDR und unter Berücksichtigung der im SED-Staat herrschenden, von rechtsstaatlichen Grundsätzen abweichenden Wertvorstellungen als unerträgliche Menschenrechtsverletzung darstellen.
Hier liege eine Rechtsbeugung in der Form grausamen und überhöhten Strafens vor. Angesichts der Beschränkung des Rechtsbeugungstatbestandes auf offensichtlich schwere Menschenrechtsverletzungen durch überhöhte Bestrafung könne dies auch bei Anwendung des § 244 StGB/DDR keinen Bedenken unterliegen. Abweichendes ergebe sich auch nicht daraus, daß das 1968 in Kraft getretene Zwischengesetz des § 244 StGB/DDR für den Tatbestand der Rechtsbeugung eine "gesetzwidrige" Entscheidung verlange und ausdrückliche gesetzliche Strafzumessungsvorschriften ebenfalls erst zu jener Zeit in Kraft getreten, zur Tatzeit indes noch kein geschriebenes Recht gewesen seien. Der Grundsatz, daß eine verhängte Strafe nicht in einem unerträglichen Mißverhältnis zur geahndeten Tat stehen dürfe, sei Allgemeingut aller zivilisierten Völker der Neuzeit und habe in der DDR auch ohne seine (partielle) Kodifizierung gegolten. Allein die gesetzliche Eröffnung von Strafrahmen anstelle absoluter Strafdrohungen, wie sie für Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung von 1949 aus § 1 Abs. 1 StGB/DDR entnommen worden sei, bilde hierfür eine hinreichend deutliche gesetzliche Verankerung, so daß die Verhängung einer in diesem Sinne unverhältnismäßig hohen Strafe aus dem gesetzlichen Strafrahmen fraglos eine gesetzwidrige Entscheidung gewesen sei.
Die Verhängung der Todesstrafe vermöge zwar - jedenfalls für den maßgeblich als Periode des "Kalten Krieges" gekennzeichneten Tatzeitraum - als solche eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Es könne aber keinem Zweifel unterliegen, daß ein so fundamentaler, irreparabler Eingriff in das Rechtsgut Leben nur in aufs engste begrenzten Ausnahmefällen hinnehmbar sein könne. Die staatlich verfügte Vernichtung eines Menschenlebens möge dann keine Rechtsbeugung sein, wenn die Ahndung schwersten Unrechts und schwerster Schuld, etwa in bestimmten Fällen vorsätzlicher Tötung, in Rede stehe. Sachverhalte, in denen die Todesstrafe nicht als Sanktion für vorsätzliche Tötungsdelikte verhängt werde, gäben demgegenüber regelmäßig zu besonders kritischer Prüfung Anlaß. Dies gelte angesichts der offenkundigen Mißbrauchsgefahren namentlich für den Bereich des politisch motivierten Strafrechts. Die DDR-Justiz sei daher - auch unter den Bedingungen des "Kalten Krieges" - in besonderem Maße gehalten gewesen, die von der Rechtsordnung vorgesehene Todesstrafe, zumal im Bereich politisch motivierten Strafrechts, auf Fälle schwersten Unrechts zu beschränken. Diese äußerste Sanktion habe nicht angeordnet werden dürfen, wenn durch die zu ahndende Straftat kein gravierender Schaden verursacht worden sei. Bei den unter Mitwirkung des Beschwerdeführers abgeurteilten Taten von T., F., H. und R. habe es sich nicht um Verbrechen gehandelt, die - auch aus damaliger Sicht eines DDR-Richters - äußerstes Unrecht und schwerste Schuld des Täters offenbart und deshalb die Verhängung der Todesstrafe gerechtfertigt hätten. Rechtsbeugerisch überhöht sei auch die gegen S. verhängte achtjährige Zuchthausstrafe. Es handele sich ersichtlich um ein Signal, das allein oder jedenfalls vorrangig einer gänzlich überzogenen Abschreckung in einem Schauprozeß diente, mit dem die seitens des SED-Staates als gefährlich angesehene Abwanderungs- und Abwerbungsbewegung plakativ habe angeprangert werden sollen.
II.
Mit der fristgemäß eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG.
Diese Vorschrift sei dadurch verletzt, daß die Gerichte bereits verjährte Taten verfolgt und bestraft hätten. Sie hätten entgegen der eindeutigen Gesetzeslage in der DDR ein Ruhen der Verjährung bis zur Wiedervereinigung angenommen. Damit hätten sie sich in eklatanter Weise über die Rechtsprechung und Rechtspraxis eines anderen Staates hinweggesetzt. Im Unterschied zum Berechnungsgesetz von 1965 würden durch diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur (verfassungsrechtlich zulässig) noch laufende Verjährungsfristen in die Zukunft hinein verlängert, sondern es würden darüber hinaus an abgeschlossene Tatbestände für die Betroffenen ungünstigere Folgen geknüpft als im Zeitpunkt der Vollendung der Tatbestände vorhersehbar gewesen sei. Um abgeschlossene Tatbestände handle es sich in zweifacher Hinsicht. Zum einen sei nach der Rechtsordnung der DDR definitiv Verjährung eingetreten gewesen; zum anderen sei mit dem Ende der DDR, mit ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland, auch deren Rechtsordnung "abgeschlossen" gewesen. Es sei für den Einzelnen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht voraussehbar gewesen, daß sich danach noch etwas zu seinem Nachteil ändern könnte oder dürfte.
Des weiteren sei Art. 103 Abs. 2 GG dadurch verletzt worden, daß Landgericht und Bundesgerichtshof die durch die Vorschrift des § 244 StGB/DDR von 1968 erfolgte Einengung des Rechtsbeugungstatbestandes auf "wissentlich gesetzwidrige" Entscheidungen, die (als milderes Gesetz) auch für frühere Taten hätte in Anwendung kommen müssen, nicht beachtet und den Beschwerdeführer wegen Rechtsbeugung verurteilt hätten, obwohl es zur Tatzeit keine geschriebene Strafzumessungsbestimmung in der DDR gegeben habe, gegen die der Beschwerdeführer habe verstoßen können. Der Bundesgerichtshof habe vielmehr seine heutige Rechtsansicht - insbesondere zum Verhängen der Todesstrafe - zum Maßstab für die Beurteilung 40 Jahre zurückliegender gerichtlicher Entscheidungen in einem anderen Staat gemacht.
Im Hinblick auf die drohende Strafverbüßung hat der Beschwerdeführer mit Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Im April 1996 ist der Beschwerdeführer verstorben. Seine Ehefrau hat erklärt, das Verfahren fortführen zu wollen.
III.
Ein Grund zur Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen lassen sich anhand der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantworten. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Verfassungsbeschwerde hat sich nicht dadurch erledigt, daß der Beschwerdeführer verstorben ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß der Ehefrau des Beschwerdeführers mit Rücksicht auf ihr Antragsrecht im Wiederaufnahmeverfahren nach § 361 Abs. 2 StPO auch die Befugnis zuzubilligen ist, eine gegen das Strafurteil gerichtete Verfassungsbeschwerde nach seinem Tod fortzuführen (vgl. BVerfGE 37, 201 <206>). Von dieser Befugnis hat die Ehefrau des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer jedoch nicht in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
1. a) Aus den angegriffenen Entscheidungen ergibt sich, daß der Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht aufgrund des Gesetzes über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten vom (BGBl I S. 392) und des durch dieses Gesetz in Art. 315a Abs. 1 EGStGB eingefügten Satzes 2 verneint worden ist. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Regelungen des Verjährungsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Über die Verjährung wurde ausschließlich anhand der allgemeinen Verjährungsvorschriften entschieden. Bei der auf dieser Grundlage getroffenen Entscheidung der Strafgerichte, Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten, handelt es sich um die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts auf den einzelnen Fall, die grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen sind. Nur bei Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht insoweit auf die Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>). Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muß vielmehr gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Dabei kommt ein verfassungsgerichtliches Eingreifen auf der Grundlage des allgemeinen Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht; es erfordert, daß sich über eine fehlerhafte Rechtsanwendung hinaus der Schluß aufdrängt, diese beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>). Diese Einschränkung der Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts gilt auch, wenn es um die Feststellung, Auslegung und Anwendung von Normen einer fremden Rechtsordnung durch die Strafgerichte geht, von denen nach den Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland die strafrechtliche Beurteilung abhängt (BVerfGE 95, 96 <128>).
b) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, bereits nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften sei die Verfolgung der Taten des Beschwerdeführers nicht verjährt, beruht auf folgenden Erwägungen:
Die Verfolgungsverjährung der Straftaten des Beschwerdeführers habe sich bis zur Vereinigung nach dem Recht der DDR bestimmt. Dies ergebe sich aus Art. 315a Abs. 1 Satz 1 EGStGB. Die Bestimmung gehe als spezielle Vorschrift über die Verjährung dem Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB vor mit der Folge, daß bei der Prüfung, welches Recht das mildere sei, die Verjährungsfrage auszuklammern sei. Nach der durch den Einigungsvertrag geschaffenen Rechtslage könne bei DDR-Alttaten, die auch nach dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland strafbar gewesen seien, der noch unverjährte DDR-Strafanspruch auch dann verfolgt werden, wenn der originäre Strafverfolgungsanspruch der Bundesrepublik nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs bereits vor dem Beitritt der DDR verjährt gewesen sei. Für DDR-Alttaten, die entsprechend dem Willen der Staats- und Parteiführung der DDR aus politischen oder sonst mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Gründen nicht geahndet worden seien, ruhe der Lauf der Verjährung bis zum Wegfall dieses Verfolgungshindernisses. Dieser Wille sei einer "gesetzlichen Vorschrift" im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB a.F. (gültig bis zum Inkrafttreten des StGB/DDR von 1968) und einem "gesetzlichen Grund" im Sinne des § 83 Nr. 2 StGB/DDR von 1968 gleichzuachten, so daß die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften über das Ruhen der Verjährung geboten sei (vgl. BGHSt 40, 48 <55 ff.>; 40, 113 <115 ff.>).
c) (1) Die entsprechende Anwendung der §§ 69 StGB a.F. und 83 Nr. 2 StGB/DDR auf systemtragende Straftaten, die von der DDR, in deren Namen sie begangen wurden, nicht verfolgt worden sind, verletzt nicht Art. 103 Abs. 2 GG. Diese Verfassungsbestimmung betrifft lediglich die Voraussetzungen, unter denen ein Verhalten für strafbar erklärt werden kann, nicht die Frage, wielange eine Straftat zu verfolgen und zu ahnden ist (vgl. BVerfGE 25, 269 <286>; 81, 132 <135>). Im übrigen handelt es sich vorliegend nicht um eine nachträgliche Verlängerung von Verjährungsfristen, sondern allein um die Frage der Auslegung von Verjährungsvorschriften und die Zulässigkeit von deren entsprechender Anwendung auf vergleichbare Sachverhalte.
(2) Ein weitergehender Vertrauensschutz zugunsten des Beschwerdeführers läßt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten. Eine von Verfassungs wegen zu beachtende Rückwirkung liegt nicht vor. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten waren bereits vor dem Inkrafttreten des Einigungsvertrags in beiden Teilen Deutschlands mit Strafe bedroht. Daß der Beschwerdeführer zunächst in der DDR nicht belangt wurde, beruht nicht auf den damals dort geltenden Gesetzen, sondern auf dem mangelnden Verfolgungswillen eines Regimes, das noch vor der Vereinigung gestürzt wurde. Bereits vor Inkrafttreten des Einigungsvertrags wäre die Strafverfolgung infolge der Änderung der Machtverhältnisse in der DDR nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch möglich gewesen. Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, das Inkrafttreten des Einigungsvertrags habe zu einer dem Beschwerdeführer nachteiligen Veränderung der verfahrensrechtlichen Lage geführt.
(3) Die Auslegung der Art. 315, 315a EGStGB (a) und der Vorschriften der DDR über das Ruhen der Verfolgungsverjährung (b) ist auch nicht willkürlich.
(a) Der Auslegung der Art. 315, 315a EGStGB wird entgegengehalten, sie setze das Bestehen zweier Strafansprüche in der Hand eines Staates voraus und dies sei begrifflich unmöglich, weil sich der Beitritt der DDR nicht als Zusammenschluß zweier gleichrangiger Staaten vollzogen habe (vgl. Jakobs, NStZ 1994, S. 332 <333 f.>; Grünwald, StV 1992, S. 333 <337>). Dieser Einwand ist jedoch nicht zwingend. Unabhängig von der staats- und völkerrechtlichen Form, in der sich die Vereinigung vollzog, bestand die Notwendigkeit, Übergangsregelungen für die Verfolgung der in beiden Teilrechtsgebieten strafbaren Taten zu schaffen. Dabei mußte auch eine Lösung für die in beiden Teilrechtsgebieten unterschiedlichen Verjährungsfristen gefunden werden. Diese Lösung ist nicht durch die Eigenart des staatlichen Strafanspruchs vorgegeben.
Die Auffassung, Art. 315a Abs. 1 EGStGB gehe als spezielle Regelung über die Verjährung Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB vor, ist ohne weiteres nachvollziehbar.
(b) Die entsprechende Anwendung der §§ 69 StGB a.F. und 83 Nr. 2 StGB/DDR kann sich auf die Grundsätze stützen, die von der Rechtsprechung zur verjährungsrechtlichen Beurteilung von NS-Unrecht entwickelt worden sind (vgl. BGHSt 18, 367 <368 f.>; 23, 137 <139 f.>).
Der Einwand, NS-Gewaltherrschaft und SED-Regime seien nicht vergleichbar, greift demgegenüber nicht durch. Der Einwand wird damit begründet, daß die Strafverfolgung von NS-Gewalttaten durch einen gesetzesgleich erachteten Führerwillen verhindert worden sei, während es in der DDR Vergleichbares nicht gegeben habe. Für die Frage des Ruhens der Verjährung kann indessen ohne Verfassungsverstoß als maßgeblich angesehen werden, daß in beiden Herrschaftssystemen vergleichbare Unrechtsstrukturen bestanden haben, kraft derer die Verfolgung systemkonformer Straftaten am Willen der Machthaber scheitern mußte. Auch in der DDR wurden staatlich veranlaßte Unrechtstaten generell nicht verfolgt, und zwar auch dann nicht, wenn sie als Unrecht erkannt wurden (vgl. Jähnke in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 78c, Rn. 48).
Die Anwendung der §§ 69 StGB a.F. und 83 Nr. 2 StGB/DDR verbietet sich auch nicht aufgrund der Überlegung, dies hätte den Zielsetzungen des Gesetzgebers der DDR widersprochen (so Heuer/Lilie, DtZ 1993, S. 354 <355 f.>). Zwar kann die Auslegung des Rechts der DDR nicht ohne Rücksicht auf die damalige Anschauung und Rechtspraxis erfolgen. Dies bedeutet indes nicht, daß der nunmehr erkennende Richter im Sinne reiner Faktizität in jeder Hinsicht an die Interpretation des Rechts gebunden wäre, die in der damaligen Staatspraxis Ausdruck gefunden hat (vgl. BGHSt 39, 1 <29>). Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, eine entgegenstehende Staatspraxis als unbeachtlich anzusehen, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck gedient hat, die strafrechtliche Ahndung staatlich veranlaßten Unrechts zu verhindern. Würde man auch hier die Sicht des Unrechtsstaates für maßgeblich erachten, wäre die Verfolgung solcher Straftaten von vornherein zum Scheitern verurteilt.
2. Die Anwendung und Auslegung des § 244 StGB/DDR durch den Bundesgerichtshof verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
Das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Interpretation von Strafgesetzen ist nicht mehr durch Art. 103 Abs. 2 GG geschützt, wenn die ihr zugrundeliegende Staatspraxis durch Aufforderung zu schwerstem kriminellen Unrecht und seiner Begünstigung die in der Völkergemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwerwiegender Weise mißachtet hat; denn hierdurch setzt der Träger der Staatsmacht extremes staatliches Unrecht, das sich nur solange behaupten kann, wie die dafür verantwortliche Staatsmacht faktisch besteht (vgl. BVerfGE 95, 96 <133>; Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des - Umdruck S. 12 f.).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 244 StGB/DDR führt durch die einschränkende Auslegung des Rechtsbeugungstatbestandes dazu, daß die dienstliche Tätigkeit von Richtern und Staatsanwälten der DDR nur dann von der Strafvorschrift erfaßt wird, wenn im Einzelfall allgemein anerkannte Menschenrechte in schwerwiegender Weise mißachtet wurden (vgl. BVerfG a.a.O., Umdruck S. 13 f.). Bei einer Rechtsbeugung in der Form grausamen und überhöhten Strafens handelt es sich um eine unerträgliche Menschenrechtsverletzung. Dies kann auch für die Zeit vor dem Beitritt der DDR zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) vom nicht zweifelhaft sein. Das Verbot grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Strafen ist bereits in Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am beschlossenen Fassung enthalten. Wenn der Bundesgerichtshof annimmt, daß der Erklärung jedenfalls insofern ein hohes Maß an rechtlicher Bedeutung zukomme, als sie den Willen der Völkergemeinschaft, Menschenrechte zu verwirklichen, und den ungefähren Inhalt dieser Menschenrechte zum Ausdruck bringe (vgl. BGHSt 40, 241 <246 ff.>), ist dies nicht zu beanstanden.
Die Wertung des Bundesgerichtshofs im Ausgangsverfahren, auch ausgehend von den in der DDR im Tatzeitraum herrschenden Wertvorstellungen rechtfertige keine der vom Obersten Gericht der DDR festgestellten Sachverhalte (mit Ausnahme des Falles H.) auch nur annähernd die jeweils verhängte Sanktion, betrifft ausschließlich die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Die insoweit - wie dargestellt - auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts eingeschränkte Überprüfung der angegriffenen Entscheidung deckt keinen Fehler auf.
3. Die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegende Auslegung der Strafbestimmungen der DDR über Rechtsbeugung (§ 336 StGB a.F. und § 244 StGB/DDR) verstößt auch nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Ausgestaltung als spezielles Willkürverbot des Grundgesetzes für die Strafgerichtsbarkeit.
Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 47, 109 <120>; 55, 144 <152>). Dieses Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit schließt nach der Rechtsprechung eine analoge oder gewohnheitsrechtliche Strafbegründung aus. Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; vielmehr ist jede Rechtsanwendung ausgeschlossen, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Art. 103 Abs. 2 GG zieht insoweit der Auslegung von Strafvorschriften eine verfassungsrechtliche Grenze (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>). Mit diesem Grundgedanken des Art. 103 Abs. 2 GG setzt sich eine Verurteilung in Widerspruch, der eine objektiv willkürliche Auslegung des materiellen Strafrechts zugrunde liegt.
Die Rechtsauffassung, auch wenn das geschriebene Recht der DDR zur Tatzeit keine Strafzumessungsregeln enthalten habe, könne die Verhängung einer unerträglich überhöhten Strafe innerhalb des vorgegebenen Strafrahmens eine gesetzwidrige Entscheidung im Sinne von § 244 StGB/DDR von 1968 darstellen und damit den objektiven Tatbestand einer Rechtsbeugung erfüllen, überschreitet diese verfassungsrechtliche Grenze der Auslegung nicht. Der Bundesgerichtshof geht dabei von folgenden Überlegungen aus:
Der aus den allgemeinen Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, folgende Grundsatz, daß eine verhängte Strafe ein gerechtes Verhältnis zum Maß der Schuld des Täters einhalten müsse, sei von jeher ungeschriebener Grundsatz des deutschen Strafrechts gewesen (vgl. BGHSt 3, 110 <118 f.>; 10, 294 <301>) und auch bereits durch das MRG Nr. 1 Art. IV Nr. 8 (Amtsbl der Militärregierung Deutschland 1944, S. 12) ausgesprochen worden. Die Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrats vom (II. 4. Satz 2) für alle vier Besatzungszonen (Official Gazette of the Control Council for Germany) habe das Verbot enthalten, "Strafen, die gegen das gerechte Maß oder die Menschlichkeit verstoßen", zu verhängen. Der Sache nach sei das Verbot auch in der DDR anerkannt gewesen. Daß namentlich bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 2 der DDR-Verfassung von 1949 "aus der Überbetonung des Schutzinteresses des Staates" teilweise überhöhte Strafen festgesetzt wurden, habe das Plenum des Obersten Gerichts der DDR in seinem Urteil vom ausdrücklich kritisiert (vgl. OGStE 3, 102 <103 f.>).
Die Auslegung des Tatbestandmerkmals "gesetzwidrige Entscheidung" des § 244 StGB/DDR durch den Bundesgerichtshof hält sich danach in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Auslegung.
4. Das Landgericht hat schließlich in verfassungsrechtlich nicht angreifbarer Weise festgestellt, daß dem Beschwerdeführer bewußt gewesen sei, daß die verhängten Strafen "nicht schuldangemessen" und "grob unbillig" gewesen seien, und daß er darüber hinaus erkannt habe, daß diese Entscheidungen nach objektiven Maßstäben als offensichtliche Willkürakte gesetzwidrig gewesen seien.
Der Antrag auf Erlaß einer die Strafvollstreckung betreffenden einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG hat sich durch den Tod des Beschwerdeführers erledigt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-87281