BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 2017/01

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 37; ZPO § 182; ZPO § 195 Abs. 2; ZPO § 418 Abs. 1; BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 90 Abs. 2

Instanzenzug: LG Düsseldorf XVII Qs - 75/01 AG Ratingen 20 Cs 610 Js 602/01 (194/01)

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie mangels ordnungsgemäßer Erschöpfung des Rechtswegs unzulässig ist. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Amts- und Landgericht haben auf Grund der von dem Postbediensteten aufgenommenen Zustellungsurkunde angenommen, dass der verfahrensgegenständliche Strafbefehl (20 Cs 610 Js 602/01 <194/01>) dem Beschwerdeführer am durch Niederlegung zugestellt wurde. Die Ersatzzustellung durch Niederlegung begründet, sobald sie durch Abgabe einer schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung an den Empfänger vollzogen ist, eine Zugangsfiktion, § 37 StPO i.V.m. § 182 ZPO (vgl. Stöber, in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 182 Rn. 1 ff., 5). Die gemäß § 195 Abs. 2 ZPO vom Postbediensteten aufgenommene Zustellungsurkunde begründet als öffentliche Urkunde gemäß § 37 StPO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsache der Niederlegung sowie ihres Zeitpunkts (vgl. § 195 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 191 Nr. 1 ZPO sowie Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NStZ-RR 1997, S. 70 f.; Meyer-Goßner, in: Kleinknecht, Kommentar zur Strafprozessordnung, 45. Aufl., § 37 Rn. 27).

An die Beweiskraft dieser öffentlichen Urkunde waren Amts- und Landgericht grundsätzlich gebunden (vgl. Greger, in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 286 Rn. 3). Deshalb durften sie nicht allein auf Grund der - im Beschluss des Amtsgerichts erwähnten und im Beschwerdeschreiben des Beschwerdeführers vom wiederholten - pauschalen Behauptung des Beschwerdeführers, die Zustellung durch Niederlegung sei erst am erfolgt, von einem abweichenden Zustellungszeitpunkt ausgehen. Vielmehr war insoweit ein voller Beweis des Gegenteils, d. h. der Unrichtigkeit der den Gerichten vorliegenden Zustellungsurkunde, erforderlich (§ 418 Abs. 2 ZPO; vgl. Meyer-Goßner, in: Kleinknecht, Kommentar zur Strafprozessordnung, 45. Aufl., § 37 Rn. 27; Maul, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 4. Aufl., § 37 Rn. 25 a. E.; Stöber, in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 190 Rn. 5; Geimer, in: Zöller, 22. Aufl., § 418 Rn. 4; Schreiber, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 418 Rn. 6).

Hierzu hätte es zumindest einer substantiierten Darlegung der - nunmehr erst im Verfassungsbeschwerde-Verfahren mitgeteilten - Umstände bedurft, dass Abholungsversuche des Beschwerdeführers am 13. und gescheitert waren, weil die auszuhändigende Sendung nach Auskunft des Schalterbeamten tatsächlich erst am in der zuständigen Postfiliale niedergelegt und aus diesem Grunde der ursprüngliche Zustellvermerk "" auf der Postsendung (bei diesem Vermerk handelt es sich um eine vereinfachte Form der an sich vorgesehenen Übergabe einer Abschrift der Zustellungsurkunde an den Empfänger, § 195 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 190 Abs. 3 ZPO) nachträglich auf das Datum abgeändert worden sei.

Es ist jedoch weder vom Beschwerdeführer vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er diese Umstände vor dem Amtsgericht vorgebracht hat; die Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses, die den abweichenden Vermerk auf der Sendung nicht erwähnen, sprechen dagegen.

Spätestens im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht war der Beschwerdeführer gehalten, die Tatsachen, aus denen sich seiner Meinung nach die Unrichtigkeit der vom Amtsgericht für maßgeblich erachteten Zustellungsurkunde ergab, im Einzelnen zu schildern und zu belegen.

Hierdurch hätte er zwar nicht unbedingt die Beweiskraft der Zustellungsurkunde beseitigen können. Jedoch hätten die Gerichte des Ausgangsverfahrens zumindest Anlass gehabt, seine Eingaben als Wiedereinsetzungsgesuch zu behandeln und entsprechend zu bescheiden. Der Beschwerdeführer hat sich jedoch auch im Beschwerdeverfahren auf ein pauschales Bestreiten des vom Amtsgericht anhand der Zustellungsurkunde zugrunde gelegten Zustellungsdatums beschränkt. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er dem Landgericht den auf die Postsendung selbst gesetzten, nachträglich auf den abgeänderten, Niederlegungsvermerk (in Kopie) vorgelegt hat. Die Gründe des landgerichtlichen Beschlusses, die diesen Vermerk und seine Abänderung nicht erwähnen, sprechen dagegen.

Hat der Beschwerdeführer mithin die ihm eröffnete Möglichkeit, Rechtsschutz vor den Gerichten des Ausgangsverfahrens zu erlangen, nicht genutzt, so ist seine Verfassungsbeschwerde mangels ordnungsgemäßer Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG unzulässig.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
GAAAB-86910